Von Lukas Vogelsang – Die ersten vier Monate des Jahres sind bereits hinter uns. Was ist bis jetzt geschehen? Was haben wir bewegt? Sind wir glücklicher geworden? Haben wir etwas verbessern können? Wie geht es uns?
Nicht, dass ich diese Fragen stelle weil ich eine «Leistung» suche. Es geht hier nicht um Wertung, sondern um die simple Frage, ob wir uns selber im Hier und Jetzt wahrnehmen. Definieren wir unsere Welt über unsere Empfindungen oder über Vorgaben, die uns gemacht werden? Wir müssen uns diese Fragen ja nicht erst am Ende eines Jahres stellen, oder am Ende eines Lebens, um festzustellen, was wir verpasst haben.
In den Tagesmedien sind die Themen – neben den üblichen Hunde- und Katzenvideos – nicht übermässig vielfältig, eher gebetsmühleartig monoton. Das Luftwaffen-Update, die Krim-Tragödie und einige Katastrophen geben noch am meisten zu Reden. Immerhin stelle ich fest, dass kulturelle Themen öfters den Weg in die Medien finden. Es wurde nach meinem Empfinden noch nie so viel über Kultur öffentlich gesprochen und berichtet wie bisher in diesem Jahr. Und dabei meine ich nicht die Unterhaltungsüberblicke und die Vorstellungen der Lieblinge der jeweiligen JournalistInnen, sondern die Fragen über den Sinn und Zweck von Kultur, Institutionen und Kunst. Der Wille nach öffentlicher Auseinandersetzung in diesen Bereichen überrascht. Natürlich wurden einige Themen geschickt von KünstlerInnen angezettelt. Der Hafenkran in Zürich ist dafür ein gutes Beispiel. Aber auch die «Berner Kulturkonferenz» leistet ihren Beitrag. Das Studienzentrum Kulturmanagement der Universität Basel lädt beispielsweise am 13. Mai zu einem Seminar ein mit dem passenden Titel: «Die Zukunft beginnt heute! – Strategien für die Kulturszene Schweiz». Und selbst ausserhalb der Schweiz werden Konzepte thematisiert: Kurz vor Redaktionsschluss erhielten wir die Meldung, dass das «Denkfest 2014» der Metropolregion Rhein-Neckar sich im September dem Thema «Kulturvision» widmet. Ist das alles nur eine Reaktion auf die Belanglosigkeit, die uns umgibt? Ich glaube, nicht nur. Kultur und Kunst erfahren zur Zeit auch ein Update in der Gesellschaft.
Wir haben gesellschaftlich gesehen vieles Erreicht, und der Wohlstand gibt uns Sicherheit. Politisch poltern wir ein wenig hin und her – allerdings sind gerade die Parteien, was Visionen angeht, nicht grad am Überschäumen. Wir haben keine elementaren Probleme, die wir nicht selber erschaffen. Die tägliche Botschaft heisst: «Kauft! Kauft!», und ermüdet uns je länger je mehr. Wir tuckern in unserem Alltagstrott zwischen Arbeit und Freizeit, Ferien, in überschaubaren Lebensvisionen. Es fehlt an Spannung oder an erinnerbaren Erlebnissen. Selbst die inszenierten Erlebnis-Shoppingcenter bieten keine Anreize mehr. Wir gehen fremd, inszenieren uns selbst, und langweilen uns trotzdem. Selbst die Kirche hat es verschlafen, sich diesen Fragen zeitgemäss zu stellen. Es reicht auch nicht mehr, die Buchhaltung gemacht zu haben. Zahlen und Fakten scheinen uns wertlos. Wir brauchen Input.
Deswegen: Was für eine ideale Situation, dass wir gerade jetzt laut über Kulturkonzepte debattieren? Nie war die Zeit reifer. Nie war dies nötiger. Und noch nie waren wir so offen für neue Wege! Damit meine ich nicht, dass wir die alten Werte über den Haufen werfen sollen, und dass nur das Neue zählen soll. Im Gegenteil. Vielleicht brauchen wir ein paar «alte Visionen» und können diese in ein neues Gewand stecken. Vielleicht sind einige neue Wege, die wir gegangen sind, Sackgassen geworden, oder führen an Orte, die uns nicht behagen…
Ich persönlich habe dieses Jahr fantastisch gestartet. Das heisst nicht, dass ich auf der faulen Haut rumliegen könnte, oder im Lotto gewonnen hätte. Im Gegenteil, ich habe so viel gearbeitet wie schon lange nicht mehr. Hauptsächlich ging es dabei um die Bestandesaufnahme meiner selbst und die der Firma, mit dem Fazit, dass die letzten 11 Jahre wohl nur ein Vorspiel waren für das, was daraus entstehen wird. Wir haben grossartige Pläne – ich freu mich wie ein kleines Kind. Die Resultate dieser Arbeit werden sie, liebe LeserInnen, bald zu spüren bekommen.
Und was haben sie erlebt? Welche Ziele haben sie sich gesteckt? Was haben sie sich vorgenommen? Die Visionen stecken in uns. Wir müssen sie nur endlich rauslassen. Es ist schon Mai!
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 137, Mai 2014