- ensuite - Zeitschrift zu Kultur & Kunst - https://www.ensuite.ch -

Was für ein Stadttheater?!

Von Lukas Vogel­sang - Die Lokalzeitung DER BUND lud am Mon­tag, 2. Juli 2018, im Korn­haus­fo­rum Bern zum Gespräch ein. Nach­dem die Zeitung zuvor dem Bern­er Stadtthe­ater eine Krise attestierte, wollte man diesen Hype gle­ich nutzen, um noch mehr «Engage­ment» für die selb­stkreierte Som­mer­posse zu zeigen. So zumin­d­est mutete es von aussen gese­hen an. Echt jet­zt: Es geht nur um per­sön­liche und kreierte, insze­nierte Schlamm­schlacht­en. Eine pro­fes­sionelle Diskus­sion ist das nicht.

Die Ver­anstal­tung war allerd­ings ganz brav angedacht: Viel Wech­sel im The­ater – was für ein neues The­ater erhält Bern und was für eines brauche es?  — So lautete die eigentlich span­nende Frage, die aber an diesem Abend nie disku­tiert wurde. Anwe­send waren Mar­cel Brül­hart, Stiftund­srat­spräsi­dent von Konz­ert The­ater Bern, Mile­na Daphi­noff, Stadträtin CVP und Mitar­bei­t­erIn beim ensuite (ja, das kön­nte man dur­chaus auch mal erwäh­nen) und Res Bosshart, The­ater­leit­er und Hochschul­dozent aus Züri. Die Mod­er­a­tion wurde im Zweierges­pann vom BUND sel­ber pro­biert: Patrick Feuz (Chefredak­tor) und Daniel Di Fal­co («Der kleine Bund») – lei­der scheit­erten die daran, dies schon mal vor­weg.

Also. Wir reka­pit­ulieren: Das Stadtthe­ater als Viersparten­haus hat viel Wech­sel im Schaus­piel. Drei Sparten sind allerd­ings ohne jegliche Stre­it­ereien seit Jahren und erfol­gre­ich. Im Schaus­piel jedoch scheit­ert es beim per­sön­lichen Zusam­men­spiel intern. Dabei geht es nicht um «Mis­ser­folge», um schlechte Inhalte oder um Betrug, nein: Man «könne nicht miteinan­der Arbeit­en» — so klingt es mal vom Inten­dan­ten oder von den Schaus­pielchefs. Und jene, die man loswer­den wollte (der Geist von Stephanie Gräve ist noch immer anwe­send und musste unbe­d­ingt an diesem Abend noch einen Rachefeldzug führen), sprechen lustiger­weise genau gle­ich: Man könne so nicht arbeit­en. Dumm, dass aber nie­mand sagt, was wirk­lich Sache ist. Mit gle­ichem Erfolg kön­nte man sagen: Der hat fet­tige Haare und ich mag den nicht.

So hat DER BUND es kläglich ver­säumt, hier die AnklägerIn­nen (es gab irgend­wo auch einen «Offe­nen Brief» der Schaus­pielerIn­nen) auf das Podi­um zu holen und die Vor­würfe mal offen­zule­gen und gegenüberzustellen. Stattdessen liess man ein paar schwammige Unklarheit­en in den Raum gleit­en, redete von unternehmerischen Struk­turen die prob­lema­tisch seien, tat so, als hätte man von Unternehmensführung eine Ahnung – aber alle blieben schreck­lich all­ge­mein nichtssagend.

Mar­cel Brül­hart sagte eigentlich jew­eils das Richtige, aber lei­der ist er kein motivieren­der Kom­mu­nika­tor. Seine Hal­tung war schon von Beginn an auf Vertei­di­gung gestellt – was ver­ständlich ist, aber der Diskus­sion nicht dien­lich hil­ft. Logisch: Wie erk­lärt man ein­er polemis­chen Masse, die sich nur für per­son­ellen Knatsch inter­essiert und nicht für kün­st­lerische Inhalte, wie eine Unternehmung in dieser Kom­plex­ität zu führen ist? Nie­mand. Zum Schluss gab es ein paar Stim­men aus dem Pub­likum und kon­nten das Stadtthe­ater Bern endlich loben für all die Dinge, die sehr gut sind. Und es ist eine Tat­sache, dass dieses The­ater NUR mit per­sön­lichen Befind­lichkeit­en ein Prob­lem hat – nicht mit dem The­ater­be­trieb als solch­es. Denn: Nie­mand argu­men­tiert hier konkret. Oder sagen wir es mal so: Wenn eine Diskus­sion nur noch um per­sön­liche Befind­lichkeit­en dreht, wenn man die Beteiligten denun­zieren muss, um noch ein Argu­ment vor­brin­gen zu kön­nen, dann ist die Absicht klar: Man will das Steuer zu seinen Gun­sten umdrehen, egal was es kostet. Wenn aber offen­sichtliche Fehler vor­liegen, dann kann man genau diese auch kor­rigieren – da käme wenig Wider­stand.

Mile­na Daphi­noff meis­terte als Poli­tik­erin der Stadt ihre Auf­gabe super. Immer­hin müssen unsere Poli­tik­erIn­nen Konz­ert The­ater Bern den SteuerzahlerIn­nen «verkaufen», den umliegen­den Gemein­den vom Kan­ton Bern über die Regionale Kul­turkon­ferenz Geld abknöpfen und irgend­wie sind sich auch noch für die gute Laune dem The­ater gegenüber zuständig – die The­ater­leitung tut dies­bezüglich wenig. Daphi­noff hat Kom­pe­tenz und Ver­ant­wor­tung aus­ges­trahlt an diesem Abend. Und das sage ich nicht, weil sie beim ensuite mitar­beit­et, son­dern weil es so war. Wäre schön, wenn andere Poli­tik­erIn­nen bezüglich Kul­tur eben­so engagiert wären. Denn, eines ist mal wieder deut­lich gewor­den: Kul­tur inter­essiert die Poli­tik son­st kaum, disku­tieren darüber will kaum nie­mand – allerd­ings sind sich alle der Brisanz bewusst und reagieren aller­gisch, wenn es mal bren­nt. Über Kul­tur wird nur hin­ter ver­schlossen­er Türe ver­han­delt – so die Mei­n­ung in Bern. Diese dürfte ruhig mal rev­i­diert wer­den.

Res Bosshart war für mich das grosse Rät­sel. Nicht, dass er nur aus der Sicht der Schaus­pielerIn­nen argu­men­tierte, was die gerne hät­ten und wür­den und täten. Er hat sich auch über­mäs­sig der Sache kundig getan – obschon er – so sagte er es selb­st – die Infor­ma­tio­nen nur aus Zeitungsar­tikel zusam­menge­tra­gen hat­te. Er faselte, statt zu argu­men­tieren und war für die Diskus­sion die grosse Bremse, aber sich­er nicht in irgen­dein­er Form erhel­lend. Seine Posi­tion hät­ten betrof­fene Schaus­piel­er aus dem Haus von jet­zt übernehmen sollen. Da wäre es möglich gewe­sen, diesem The­ater um das The­ater endlich etwas näher zu kom­men. Denn, das Einzige war einem als Aussenstehende/r bleibt ist: «Äh, worum geht’s eigentlich?»

Patrick Feuz und Daniel Di Fal­co haben als Mod­er­a­tionsteam kein gutes Bild ab. Feuz über­nahm zwar rasch die Führung und ret­tete an eini­gen Stellen die Gespräche – aber es fehlte an Schwung. Di Fal­co wiederum spielte den Sta­tis­ten und wirk­te eher unin­ter­essiert und nuschlig.

Faz­it: So disku­tiert man nicht über Kul­tur. Wenn es um Unternehmensführung geht, so soll­ten jene, die sich ein­mis­chen, auch eine Ahnung haben davon. Wir reden hier von einem Viersparten­haus, nicht von einem The­ater, wir reden hier von einem Stadtthe­ater, das heute im Auftritt, nach den Ren­o­va­tio­nen und Umstruk­turierun­gen bess­er wirkt, als eine Ham­burg­er Staat­sop­er. Wir haben zwar noch nicht die grossen, welt­be­we­gen­den Namen, aber das kann noch wer­den. Aber mal ganz ehrlich: Jene Schaus­piellei­t­erIn­nen, die jet­zt gin­gen, hat­ten dieses Welt­for­mat nicht. Insofern hat Bern nichts viel ver­loren.

Und was braucht Bern für ein Stadtthe­ater? Die Frage ist falsch gestellt: Wann wird Bern endlich stolz sein auf sein Stadtthe­ater? Wann erken­nt Bern endlich, was es hier hat und wann unter­stützen wir diese Insti­tu­tion, statt mit per­sön­lichen und inter­nen Knatschs nur auf die jew­eili­gen AnklägerIn­nen aufmerk­sam zu machen? …

 

Foto: Lukas Vogel­sang