Von Ruth Kofmel — Eine Nachfolgegeschichte: Der Mann hat zwei der besten Rap-Alben der Schweizer Musikgeschichte mitzuverantworten: «UND JETZ… was hät das mit mir z tue?» von Big Zis und «D› Party isch vrbi» von Baze. Marton di Katz, wie er von Big Zis aus einer Laune heraus getauft wurde, war bei beiden Alben als Produzent mit von der Partie. Es sind für mich eigentlich die zwei einzigen Schweizer Rap-Alben, die ich wirklich ganz und gar gelungen finde, und das kann ja nicht nur an den Texten und Fähigkeiten von Big Zis und Baze liegen. So viel ist also schon einmal klar, und ich treffe mich mit dem Mann aus dem Hintergrund. Márton Dobozi ist dreiunddreißig Jahre alt, und gerade dabei, sich immer mehr mit Musik über die Runden zu bringen, obwohl er es auch gar nicht so schlecht findet, seinen Brotberuf als Webentwickler ab und an auszuüben, und von der hyper-kreativen Musikwelt ins klar definierte Programmieren zu wechseln. Geboren und aufgewachsen ist er in Zürich, seine Eltern sind gebürtige Ungarn. Seine Affinität zur Musik ist ein Erbstück von seiner Mutter – sie ist klassische Konzertpianistin. Er hat sich in Kindertagen quer durch alle möglichen Instrumente gespielt, von Flöte, über Geige und Schlagzeug, ist er schlussendlich bei der klassischen Gitarre gelandet. Als Teenager bekam er erstmals einen E‑Bass zwischen die Finger, und hatte damit sein Instrument gefunden. Wenn er heute bei einem seiner unzähligen Projekte live spielt, tut er das mit dem Bass. Zur Elektronik ist er über seinen Bruder gekommen, der ein paar Jahre älter ist und den kleinen Bruder offenbar unkompliziert an seinen Leidenschaften teilnehmen liess. Die zwei Brüder sind bis heute ein eingespieltes Team, und dass die Zusammenarbeit so gut läuft, führt Marton di Katz darauf zurück, dass sein Bruder Klavier spielt, er hingegen Gitarre und Bass – da komme man sich nicht in die Quere, sonder ergänze sich. Während er erzählt, fallen mir die ersten Parallelen und Verbindungen auf, die vielleicht bedeutungslos sind, vielleicht aber auch nicht, wenn es darum geht, was einem in der Musik nun eigentlich anspricht oder nicht. So unauffällig sie oft sind, höre ich Bässe doch besonders gerne, oder Musik, bei der ein Basslauf elementar ist. Benfay, der zweite Produzent von Bazes Album, der klassischen Bass studiert hat, und Marton di Katz sind also beides Experten für Bässe. Zudem sind die musikalischen Vorbilder von Marton di Katz allesamt auch in meiner Musiksammlung zu finden, und ich freue mich schon beim Gespräch darauf, seinen Kompositionen noch einmal zu lauschen und die Einflüsse herauszuhören. Grundsätzlich sei er schon ein Hip-Hop-Kind sagt er, aber ebenso wichtig sind Soul, Jazz, Elektronische Musik und Klassik. Das Vermischen verschiedenster Genres lässt sich vielleicht im «Schnide mer d’Haar» von Baze gut hören. Da ist zu Beginn diese schöne, fast etwas zu schöne Gitarren-Melodie, die geografisch in heissen Gefilden zu Hause sein könnte, ebenso die Perkussion, die südlich anmutet, aber nur ganz kurz bevor sie ziemlich abstrakt klickt und grrrrrrrrt. Da sind die streicher-ähnlichen Klangflächen, die Pauken aus dem Orchestergraben. Dann der zuerst zurückhaltende Bass, der sich ganz plötzlich zu einem vom Klang her dem Techno zuzuordnenden Alleinunterhalter aufschwingt – und da ist noch viel, viel mehr.
Marton di Katz baut nicht nur grossartige Kulissen für Rap-Alben, er hat auch beste Erinnerungen an die Club-Gigs mit dem Rumpel-orchester, wo er zusammen mit seinem Bruder, der sich als Künstler Valentino Tomasi nennt, und Kalabrese einen virtuosen Live-Techno auf die Bühne stellte. Genauso viel Spass macht ihm das Vertonen von Kurzfilmen, Theaterstücken oder Werbe-Clips. Was ihn meiner Meinung nach von vielen Produzenten abhebt, ist seine Fähigkeit, bei aller Elektronik einen gewissen Live-Aspekt in seinen Stücken beizubehalten. Einen seiner Beats, den Baze für seine Scheibe verwendet hat, habe ich recht früh im Entstehungsprozess gehört, und war etwas irritiert ob der rohen Rumpeligkeit. Man ist sich von der elektronischen Musik gewohnt, dass alles, jeder Ton, auf die Millisekunde mit der Pinzette gesetzt ist. Bei Marton di Katz hört man, dass ein grosser Teil der Instrumente eingespielt wurde, und zwar über lange Strecken. Das wird erst einmal grob zusammengesetzt und als Vorlage verwendet. Im Endeffekt ist wohl diese Herangehensweise der Schlüssel zum Groove von Marton di Katz. Er liefert nicht einfach einen Beat ab und das wars dann. Bei ihm folgt auf die musikalische Skizze ein aufwendiger Prozess, in dem er im Falle eines Rap-Albums auf jede Textzeile eingeht, den Rhythmus und Klang der Stimme hervorhebt und unterstreicht, und das Stück mit kleinen Brüchen und Einwürfen vollendet.
Nun, bei so viel Talent stellt sich doch die Frage, warum er noch keine Soloplatte herausgebracht hat? Wie vielen Soundtüftlern hilft auch ihm, ein konkretes Projekt vor sich zu haben, um die Dinge einzugrenzen und nicht zu viele Richtungen gleichzeitig einzuschlagen. Er sagt, er arbeite zwar immer wieder an eigenem Zeug, aber da fänden sich so viele Stilrichtungen darunter, dass es sehr schwierig wäre, daraus ein Album zusammenzustellen. Auch klingen seine Ansprüche an ein Solo-Album noch einmal eine zünftige Portion grösser: Es müsste ein Instrumental-Album geben, mit Gästen, und ganz wichtig wäre, dass sich die Musik auf der Bühne spielen liesse – und natürlich nicht mit einer primär elektronischen Umsetzung. Jedenfalls läuft hier gerade «Oktober», die Rohskizze eines Songs; schlicht, unaufgeregt, drei Klänge im Basslauf, die mich zum Lächeln bringen, darüber etwas Gitarre und es haut jetzt schon hin. Ich bin jedenfalls gespannt…
Live zu hören sind Marton di Katz und Valentino Tomasi zusammen mit diversen Gästen jeweils am zweiten Montag eines Monats als Monday Residents im Bazillus Club Zürich.
www.bazillusclub.ch
Foto: zVg.
ensuite, November 2010