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Wie ein ALDI-Sortiment:  Robert Frank in der C/O Foundation, Amerika Haus, Berlin

Berlin ist voller Kun­stk­lerikalen, die mil­lio­nen­schwere Stiftungs- und Öffentlichkeits­gelder usurpieren. Die Kuratieren­den sehen sich qua­si als Uber-Pro­mo­toren in dieser Hip­ster-Stadt des Nich­t­en­den­wol­lens. Ich ver­bi­ete es mir eigentlich immer und tue es dann doch: Einen Besuch in der C/O Berlin Foun­da­tion. Auch dies­mal ver­mochte sie die Ent­täuschung, ja die heilige Wut auf die ich mich vor­bere­it­et hat­te, zu übertr­e­f­fen. Unfass­bar.

Aus­gerech­net bei Robert Frank.

Der Schweiz­er gehört zu den grössten Fotografen des 20. Jahrhun­derts. Er ist gegen unzäh­lige Wider­stände (wahrschein­lich ähn­liche Typen, die gegen­wär­tig grossen Tal­en­ten im Weg ste­hen) zur Leg­ende gewor­den. Robert Frank musste sich gegen Bürokrat­en wehren, deren Masker­aden, Gewinnsucht, Schacher, Unken­nt­nis und Geschmack­losigkeit die Hand reicht­en. Doch der Fotograf Frank set­zte sich durch und feierte grosse Erfolge mit seinen genialen Foto-Inter­ven­tio­nen. Und nun dies: Frank wird im C/O regel­recht verun­stal­tet. Seine grandiosen Bilder sind aufge­hängt, erhängt, korset­tiert und regel­recht durch banal­ste Ikea-Fotorah­men filetiert.

Franks Bilder sind im C/O eingezur­rt, ohne Witz und nach The­men „Karosserie, Gruppe mit Men­schen, die guck­en, Mama und Kind-Impres­sio­nen, Pfer­dekutschen und Men­schen auf Bänken“ sortiert. Meine Tante Ruth hat dies ganz ähn­lich gemacht als sie in ihrer 1970 er Woh­nung Fotografien auf die Wald- und Blu­men­tapete plac­i­erte. Wie unendlich trau­rig, dass Robert Frank am 9. Sep­tem­ber dieses Jahres gestor­ben ist. Er hätte die C/O Ausstel­lung in ein­er Art und Weise doku­men­tieren kön­nen, dass sich die Kura­toren schä­men wür­den. C/O präsen­tiert eine Bilder­schau für Gecks statt für die Welt, so wie sie Robert Frank auch fotografiert hat. Frank inter­essierte sich nicht für das Self­ie, doch sehr wohl dafür, was dem Selb­st in der Welt, in der er lebte, alles ange­tan wurde.

Berlin 2019 ist eine Frank-Katas­tro­phe. Welch riesiger Unter­schied zu München von 2014 an der Akademie für Bildende Kün­ste. Die Süd­deutsche Zeitung hat­te mit dem Erfind­er der Street- and Every­day-Pho­tog­ra­phy Frank die ein­drück­lich­sten Bilder so aus­gestellt, wo sie auch hinge­hören: Auf Zeitungspa­pi­er. Es war grossar­tig. Authen­tisch. Robert Frank und ein Ausstel­lungser­leb­nis der beson­deren Art: „Die Ein­gang­shalle der Münch­n­er Akademie der Bilden­den Kün­ste. Sieben Tage die Woche geöffnet. Keine Türkon­trollen, kein Wach­per­son­al, keine Alar­man­lage. Dafür viel Licht, hohe Räume und viele Stu­den­ten. Der ide­ale Ort, um die teuer­sten Fotos der Welt zu zeigen! Jeden­falls, wenn man es so macht wie in dieser Ausstel­lung: Das Gesamtwerk von Robert Frank wird per AcrylInkjet­druck auf Zeitungspa­pier­bah­nen gedruckt und dann direkt an die Wände gek­lebt. Klauen kann man die Werke so nicht. Höch­stens zer­stören. Aber dann wird eben nachge­druckt.“ (Alex Rüh­le für die SZ).

C/O Berlin hat sich im Todes­jahr von Robert Frank die neolib­erale Bosheit erster Klasse aus­gedacht. Frank als Ware unter anderen. Gle­ich­er Rah­men, gle­ich­er Auss­chnitt, insze­niert mit der gefährlich­sten aller Gegen­wart­skrankheit­en, einem hundsmis­er­ablen Ins­ta-Account. Die Foto­s­tiftung Schweiz in Win­terthur wird sich schä­men, bei dieser Ausstel­lung unter Mitar­beit aufge­führt zu sein.

Die Ausstel­lung ist noch bis 30.11. im Ameri­ka Haus Berlin zu sehen.

Artikel online veröffentlicht: 31. Oktober 2019 – aktualisiert am 25. Februar 2020