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Wiedersehen am Swimmingpool

Von Helen Lag­ger - Als Alain Delon, der franzö­sis­che Bürg­er­schreck, Romy Schnei­der nach Paris mit­nahm emp­fan­den die Deutschen es wie einen Raub. Man hat­te Ihnen «Sis­si» gestohlen. Für Romy Schnei­der begann jedoch endlich das wirk­liche Leben. So muss es ihr jeden­falls vorgekom­men sein.

«Liebelei» hiess der Film für den die bei­den Jungschaus­piel­er den Ver­trag unter­schrieben hat­ten, ohne sich je gese­hen zu haben. Wie eine Liebelei sollte ihre Beziehung allerd­ings nicht anfan­gen und schon gar nicht enden. 1958 flog Romy nach Paris und sollte Alain erst­mals auf dem Flughafen tre­f­fen. Ein von der Film­pro­duk­tion für die Presse arrang­ierte Begeg­nung. Ex-Sis­si war zu dieser Zeit bere­its ein Star, Alain Delon ein noch unbekan­nter Schaus­piel­er.

Zwei Wel­ten trafen aufeinan­der. Alain Delon aus einem Paris­er Vorort stam­mend, war nach sein­er Met­zger­lehre aus­geris­sen um zur franzö­sis­chen Marine zu gehen und kam als Dschun­gelkämpfer in die Kolonie Indochi­na. Er wurde allerd­ings «unehren­haft» ent­lassen. Ganz anders Romys Prä­gung. Sie kam 1938 in dem gross­deutschen Reich angeschlosse­nen Wien zur Welt. Die Eltern Mag­da und Wolf, bei­de Schaus­piel­er, waren dem Führer eng ver­bun­den.

Romy wurde haupt­säch­lich von den Grossel­tern und einem Kinder­fräulein betreut. Später schick­te man sie auf ein katholis­ches Inter­nat. Alain Delon in seinem Buch: «Sie stammt aus der Gesellschaftss­chicht, die ich auf der ganzen Welt am meis­ten has­se. Sie kann nichts dafür, aber sie ist unglück­licher­weise von ihr geprägt. Ich kon­nte nicht in fünf Jahren das aus­löschen, was ihr zwanzig Jahre lang einget­richtert wor­den war.»

Die erste Begeg­nung ver­lief chao­tisch, denn schon sprach­lich kon­nten sie sich kaum ver­ständi­gen. Zwis­chen dem ver­rück­ten, schnell sprechen­den Wilden und der anständi­gen Romy herrschte erst­mals Kriegszu­s­tand. Im Zug von Paris nach Brüs­sel, als sie gemein­sam an einen Film­ball fuhren, ver­liebten sie sich schliesslich. Romy Schnei­der: «Ich war 19 Jahre alt, ich set­zte zum ersten Mal meinen Fuss auf das Paris­er Pflaster und ich wollte eine grosse Liebe zu jeman­dem erleben, den ich anbetete. Für mich war Paris zuerst Alain Delon.»

Mit Alains kleinem, grü­nen Sport­wa­gen brausten sie durch die Umge­bung von Paris, genossen die Restau­rants von Saint-Ger­main-de-Prés und besucht­en The­ater und intellek­tuelle Filme. Er nan­nte sie Pup­pele (Püp­pchen) sie nan­nte ihn Pépé. Die freie Jugend, die das Geld ver­achtete und zu der Alain gehörte, zog Romy magisch an und flösste ihr gle­ichzeit­ig Angst ein. Ihre Mut­ter Mag­da und der Stief­vater reagierten zuerst ein­mal mit Ablehnung, als sie von der Beziehung ver­nah­men. Da sie ein­se­hen mussten, dass sie nichts mehr daran ändern kon­nten, beschlossen sie eine Ver­lobung zu arrang­ieren, damit das Ganze wenig­stens eine Form bekäme. Unter Ein­beru­fung der Presse wurde Ver­lobung gefeiert. Romy emp­fand das ganze als Farce und befürchtete bis zulet­zt, dass Alain gar nicht erscheinen kön­nte. Er erschien. Aus dieser Zeit stam­men Fotos, die den antibürg­er­lichen Alain beim Ausstechen von Wei­h­nacht­splätzchen, beim Schäk­ern mit Mag­da und beim Küssen mit Romy vor dem Tan­nen­baum zeigen. Zurück in Paris begann Romy ihr Leben als Französin. «Meine Heimat ist Frankre­ich. Ich will ganz franzö­sisch sein in der Art wie ich lebe, liebe, schlafe und mich anziehe», pos­tulierte die in der eige­nen Heimat mit Häme über­gossene Schaus­pielerin. Schwierig war es allerd­ings, in Deutsch­land nicht mehr und in Frankre­ich noch nicht gefragt zu sein. Das Blatt hat­te sich gewen­det. Alain Delon war jet­zt viel berühmter als sie und Romy gab zu, eifer­süchtig auf seinen Erfolg zu sein. Durch Alain lernte sie aber auch Schlüs­selfig­uren wie Vis­con­ti und Chabrol ken­nen. Doch die Entwick­lung zur Charak­ter­darstel­lerin ver­lief alles andere als rei­bungs­los. Romy Schnei­der wurde immer wieder von Zweifeln geplagt und fühlte sich oft wie in ein­er Sack­gasse. Sie schwank­te zwis­chen den Rollen der Kar­riere ori­en­tierten Schaus­pielerin und dem Wun­sch sich ganz dem Mann zu wid­men, den sie liebte. Dieser hat­te allerd­ings sowieso andere Pläne. Alain heiratete 1964, vier Jahre und acht Monate nach der Ver­lobung mit Romy eine andere.

Romy Schnei­der: «Er hat mich unen­twegt bet­ro­gen. Ich war zu Drehar­beit­en in Ameri­ka. Ich kam zurück, die Woh­nung in der Avenue de Mes­sine war leer, nie­mand mehr da. Da stand ein Rosen­strauss, daneben lag ein Zettel, da stand drauf: Ich bin mit Natal­ie nach Mexiko, alles Gute, Alain». Wenig später schenk­te Natal­ie Alain einen Sohn.

Romy ges­tand, dass die Liebe zu Alain oft eine Quälerei gewe­sen war. Sie selb­st hätte ihn jedoch nie aufgegeben. Sie hat­te einen Geliebten ver­loren, den sie als Fre­und wiedergewin­nen sollte. 1968 sahen sie sich erst­mals nach der Tren­nung wieder. Die Begrüs­sung erfol­gte wie beim ersten Tre­f­fen auf einem Flug­platz. Romy war jet­zt mit Har­ry Meyen ver­heiratet und hat­te einen Sohn. Alain hat­te ihr am Tele­fon vorgeschla­gen mit ihm als seine Part­ner­in im Kri­mi «Der Swim­ming­pool» mitzuwirken. Sie sagte zu. Ein glaub­würdi­geres Liebe­spaar kon­nte sich kaum find­en. «Ich küsse ihn, wie ich jeden anderen Schaus­piel­er auch küssen würde», notierte Romy in ihr Tage­buch. Trotz­dem liess sie sich in einem Brief an eine Fre­undin lange über Alain Delon aus und berichtet von den Drehar­beit­en wie ein ver­liebter Teenag­er. Die prick­el­nden Szenen im azur­blauen Wass­er eines Pools in Saint-Tropez gin­gen jeden­falls in die Filmgeschichte ein. Der Film endet in einem Mord. Romy und Alain tren­nten sich als Fre­unde. Und einen Fre­und kon­nte Romy Schnei­der in den kom­menden Jahren gebrauchen. Die Ehe mit Har­ry Meyen erwies sich als Irrtum, die kom­menden Män­ner als Nieten und schliesslich sollte der tragis­che Tod ihres innig geliebten Sohnes David ihr das Herz brechen. Mit nur 43 Jahren schied Romy aus dem Leben.

In einem im Paris Match veröf­fentlichen Brief nahm Alain Delon Abschied von sein­er ein­sti­gen Geliebten. «Mein Püp­pchen, ich schau Dich immer wieder an, immer wieder. Ich will Dich mit meinen Blick­en ver­schlin­gen und Dir immer wieder sagen, dass Du nie so schön und ruhig warst. Ruhe dich aus. Ich bin da. Ich habe von Dir ein wenig Deutsch gel­ernt. Die Worte: Ich liebe Dich. Je t’aime. Je t’aime, mein Püp­pchen. Alain.»

Bild: zVg.
ensuite, August 2005