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Willkommen, Maestro Silverstri!

Von François Lilien­feld — Beim Wieder­hören mit Musik­ern, die dem fast voll­ständi­gen Vergessen anheimge­fall­en sind, stellt man sich oft die Frage, wovon denn eigentlich der Nachruhm eines Kün­stlers abhängt. Die 15 CDs des rumänis­chen Diri­gen­ten Con­stan­tin Sil­vestri (1913–1969), die vor kurzem von EMI in ein­er sorgfältig präsen­tierten Box veröf­fentlicht wor­den sind, dienen als gutes Beispiel.

Sil­ver­stris Name ist nur noch weni­gen Musik­fre­un­den bekan­nt; man trifft ihn höch­stens als Begleit­er von berühmten Solis­ten ab und zu auf Wiederveröf­fentlichun­gen (Beethoven-Vio­linkonz­ert mit Yehu­di Menuhin, Vio­linkonz­erte von Mendelssohn und Tschaikowsky mit Christi­na Fer­ras u.a.).

Dank der Neupub­lika­tion sein­er reinen Orch­ester­auf­nah­men – Werke aus dem 19. und 20. Jahrhun­dert – kann man einen faszinieren­den Pult­magi­er wieder­ent­deck­en. Wie soll man ihn beschreiben?

Er war zunächst ein­mal ein unglaublich­es Energiebün­del, voll drän­gen­der Ungeduld, kon-nte aber bei ruhi­gen Par­tien ein großes Tal­ent für das Lyrische, ja Zärtliche an den Tag leg­en. Sein dynamis­ches Spek­trum ist dementsprechend groß, ja riesig; die Tonin­ge­nieure wer­den es nicht leicht mit ihm gehabt haben. (Die CD-Über­spielun­gen sind her­vor­ra­gend!) Das Wort «mitreißend» kommt dem Hör­er immer wieder in den Sinn.

Sein Tem­pobe­griff war flex­i­bel, aber nicht willkür­lich: Nie wer­den natür­lich­er Fluss und innere Span­nung unter­brochen. Sil­vestris Inter­pre­ta­tio­nen klin­gen oft spon­tan, ja impro­visatorisch. Das täuscht jedoch: Musik­er bezeu­gen, dass er ein uner­müdlich­er Prober war. Und seine Arbeit mit dem Bournemouth Sym­pho­ny Orches­tra, das er von 1961 bis zu seinem frühem Tod geleit­et hat, zeugt von einem immensen Tal­ent als Orch­ester­erzieher. (Dieses Orch­ester hat­te schon früher ein­mal, näm­lich von 1947–1950, das Glück, einen bedeu­ten­den Chefdiri­gen­ten zu haben: den lei­der auch von der Nach­welt weit­ge­hend vergesse­nen Rudolf Schwarz). Dort, an der südenglis­chen Kün­ste, set­zte sich Con­stan­tin Sil­vestri auch erfol­gre­ich mit Musik von Elgar und Vaugh­an Williams auseinan­der.

Sil­vestri analysiert die Par­ti­turen sehr genau, auch «senkrecht»: Das bedeutet, dass viele Mit­tel- und «Neben»-Stimmen bei ihm deut­lich hör­bar wer­den. Man erhält ein neues Klang­bild in Werken, die man doch als alt­bekan­nt emp­fand. Man höre als typ­is­ches Beispiel Rav­els «Boléro».

Beson­ders wirk­sam sind bei ihm natür­lich Bravourstücke wie «L‘Apprenti Sor­ci­er» von Dukas, «Danse Macabre» von Saint-Saëns, oder die wahrhaft explo­sive Auf­führung der Ersten Rumänis­chen Rhap­sodie von Enes­cu. Doch auch die größeren For­men beherrschte Sil­ver­stri. Beein­druck­end, wie er die 4. Sym­phonie von Tschaikowsky auf sehr emo­tionale Art, mit vie­len kleinen Tem­ponu­an­cen, also recht «roman­tisch» dirigiert, ohne je ins Schlep­pen oder ins zu Pathetis­che zu ver­fall­en. Und wie er die Klang­massen und extremen Kon­traste in der Sym­phonie von César Franck meis­tert, lässt diese Auf­nahme aus dem Jahre 1959 zur Stern­stunde wer­den.

Neben Bournemouth hört man auf diesen CDs die Wiener Phil­har­moniker, das Orchestre de la Société du Con­ser­va­toire und das Phil­har­mo­nia Orches­tra Lon­don – höch­stes Niveau ist also garantiert!

Con­stan­tin Sil­vestri (Serie Icons)
EMI 7 23347 2 (15 CDs)

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2013

Artikel online veröffentlicht: 1. August 2019