Von Eva Pfirter — Als Kind war die Zeit nach Weihnachten immer auch ein bisschen eine traurige Zeit: Die schönsten Tage im Jahr gehörten der Vergangenheit an, die Geschenke waren ausgepackt, die Lieder gesungen und der Weihnachtsbaum stand traurig in einer Ecke, die Äste voller kalter Kerzenwachstropfen. Alle weihnachtliche Magie war der typischen Januarleere gewichen und man hatte als Kind Lust, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und die Zeit wie ein Tonband zurückzuspulen.
Mit fortschreitendem Alter und exponentiell zunehmenden Dezember-Verpflichtungen finde ich inzwischen jedes Jahr mehr Gefallen an der Januar-Leere. Nach viel zu vollen Festtagen strahlt das Januarloch am Horizont der Silvesternacht eine geradezu wohlige Ruhe aus. Endlich ist es vorbei mit der grossen Weihnachtshektik in der Zürcher Innenstadt, als man befürchten musste, die Menschenmassen könnten das Tram zum Umkippen bringen, oder man werde von den zahlreichen herumgeschwungenen Edelboutique-Taschen auf dem Weg Richtung Bahnhof erschlagen. Manchmal tickt Zürich schon etwas anders – oder ist es die ganze (urbane) Schweiz? In Europa herrscht Krise und in der grössten Schweizer Stadt wird geshoppt, was das Zeug hält. Dunkel gekleidete Menschen hetzen einem entgegen, ernste Gesichter blicken einen an, herausgeputzte Geschäftsmänner schieben ihre piekfeinen Mappen durch die Menschenmasse. Wären wir Zugvögel und könnten die Innenstadt von weit oben betrachten, würden wir sehen, dass die Menschen schwarzen Ameisen gleich umherrennen, unkoordiniert Häuser betreten und wieder verlassen, und immer mehr kleine und grosse bunte Tütchen mit sich herumtragen. Das hat auch etwas Lächerliches, nicht wahr? Als wäre die Schweiz wahrhaftig eine Insel, glauben wir weiterhin fest daran, dass uns kaum je etwas passieren kann, dass unsere Konti immer voll sein werden…
Nach der grossen Weihnachtshektik kommt wohl kaum das langersehnte, wohlig-ruhige Januarloch, sondern der Ausverkauf, in dem es zu horten gilt, was man horten kann. Dabei würde gerade der Schweiz ein Januarloch unglaublich guttun.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2013