Von Andrea Baumann - Zuhinterst im Binntal auf 1398 Metern thront seit 1883 das Hotel Ofenhorn, umringt von Bergen und urtümlichen Walliser Holzhäusern. Das südliche Seitental der Rhone im Goms ist, trotz seiner vermeintlichen Abgeschiedenheit, schon zu Römerzeiten bereist worden und der Albrunpass war damals ein wichtiger Übergang nach Italien. Insgesamt fünf Passübergänge führen in den Naturpark Veglia-Devero im benachbarten Piemont. Nebst 150 Kilometer unterhaltenen Spazier- und Wanderwegen hat das Binntal noch etwas Besonderes zu bieten: Es ist weitum bekannt für seinen Reichtum an Mineralien. Die Fundstelle Lengenbach ist eine der zehn berühmtesten Mineralfundstellen der Welt.
Im Hotelprospekt ist zu lesen: «Kommen Sie mit uns auf eine Zeitreise, ins traditionsreiche Hotel Ofenhorn im wildromantischen Binntal. Zimmer, Gänge und Speisesaal atmen noch immer den Geist der Belle Epoque, der Pionierzeit der Hotellerie. Die knarrenden Böden flüstern manch vergessenes Geheimnis».
Das traditionsreiche Berghotel im Stil der Belle Epoque empfing anfänglich vor allem Engländer als Gäste — darunter auch Winston Churchill. Es gehörte zur guten Ausbildung eines jungen Engländers adeligen Geschlechts, gutbürgerlichen oder akademischen Familien, mit einem Lehrer den Kontinent zu erkunden. Schnell lernten die Reisenden die Schweizer Alpen und Bergseen kennen und lieben und der Reisetipp machte die Runde, so dass immer mehr Touristen im Sommer in die Schweiz reisten. Vor allem die Berggipfel wurden zu beliebten Trophäen und ein Wettkampf um die Erstbesteigungen entflammte.
Das Zeitalter des «Fin de Siècle» bedeutete die Booming-Jahre der Schweizer Hotellerie. Hotelpaläste in Städten und Bergregionen schossen wie Pilze aus dem Boden. Und als die Eisenbahn, das Schienen- sowie Strassennetz weiterentwickelt wurden, strömten erlebnishungrige Touristen in Scharen in die Schweiz. Dank der industriell gefertigten Stahlseile bezwangen bald Standseilbahnen und Zahnradbahnen steile Hänge. In den abgeschiedensten Tälern, auf exponiertesten Felsvorsprüngen und Hügeln wurden Hotelpaläste erbaut.
Binn blieb während dieser ganzen Bau-Euphorie bescheiden und das Hotel Ofenhorn erhielt keine Konkurrenz. Bedingt durch die geografische Lage war Binn lange Zeit nur ein Sommerort. Erst durch den Tunnelbau in den Jahren 1963/64 wurde die 1936–38 erbaute Strasse wintersicher. Überhaupt hat das Goms eine besondere Tourismusentwicklung im Vergleich zu anderen Walliser Regionen erlebt, da es erst seit der Erschliessung durch die Bahn und den Lötschbergtunnel ganzjährlich zugänglich wurde. Deshalb verfielen einige Gebiete des Goms während mehreren Jahren in einen Dornröschenschlaf, können sich aber heute rühmen, keine Bausünden begangen zu haben. Obschon Binn seit Mitte der 60er Jahre im Winter nicht mehr vom Rest des Tals abgeschnitten ist, konnte sich der Wintertourismus noch nicht manifestieren. Das Hotel Ofenhorn schliesst jeweils die Türen mit Ende der Wanderzeit so Mitte Oktober. Auch die übrigen Übernachtungsmöglichkeiten im Dorf stellen ihre Betriebe über die Winterzeit ein.
Ein paar gewiefte Walliser Köpfe waren überzeugt, dass mit einem guten Nischenprojekt auch im Winter Gäste den Weg ins entlegene Binn unternehmen werden. Über Weihnacht/Neujahr 05/06 haben Rita Huwiler, Patricia Meyer und Andreas Weissen den Versuch gewagt, das Hotel Ofenhorn an vierzehn Wintertagen zu öffnen. Der Erfolg war derart gross, dass es rund um den Jahreswechsel 06/07 zu einer Neuauflage kommt. Das Erfolgsrezept lautet «geniessen Sie tagsüber den Winterzauber der verschneiten Landschaft, abends ein piemontesisches Viergang-Menue und zum Abschluss den kulturellen Höhepunkt». Auch dieses Jahr vom 23. Dezember 2006 bis 5. Januar 2007 verspricht der Verein «BinnKultur» mit den «Binner Kulturabenden» eine vielfältige Palette an kulturellen Leckerbissen. Musikalisch wird von Klassik, Jazz, Blues, Rock bis hin zu Folk die gesamte Bandbreite angeboten. Für das Kammermusikkonzert steht das international bekannte Musikdorf Ernen Pate. Es wird aber nicht nur musiziert über die Feiertage; ergänzt wird das Kulturprogramm durch Lesungen, Vorträge, Filme, Bilderausstellungen, Rundgänge und Weinverkostungen. Einblicke in Themen wie das Strahlen (Kristallsuchen), die Geheimnisse der Pflanzen oder Sagenerzählungen versprechen, Raritäten des Binntals entdecken zu können.
Aus Baceno im angrenzenden Piemont stammt der Störkoch Achille Lavazza (nein, nicht der vom Kaffee). Er wird während den zwei Wochen aus heimischen Walliser Bioprodukten piemontesische Rezepte zaubern. Ein Viergang-Menü könnte folgendermassen zusammengestellt sein: Als Antipastio eine Frittata albese, als Primo eine Zuppa di ceci, als Secondo Spezzatino di manzo al Bruschet und als Dolce eine Crostata pere e cioccolato. Nach einem aktiven Wintertag in der verschneiten Landschaft erübrigt sich bestimmt die Frage nach dem gesunden Appetit und so kann jedes Abendessen zu einem lukullischen Festschmaus werden. Tags darauf kann alles wieder kalorienmässig abtrainiert werden, wenn es denn Dionysos ermöglicht. So lassen sich während den vierzehn Tagen im ursprünglichen Walliserdorf Binn Körper und Geist verwöhnen und in Einklang bringen.
Anreise:
Mit dem öffentlichen Verkehr ist Binn ab Brig in einer Stunde erreichbar. Ab Fiesch fährt mehrmals täglich ein Postauto.
Sportliche Aktivitäten:
Schneeschuhwanderung, Winterwandern, Ski, Langlauf, Schlitteln
Detailliertes Kulturprogramm:
www.ofenhorn.ch
www.andreas-weissen.ch
Wohlfühl-Massagen:
Verschiedene Entspannungs- und Heilmassagen
Kontakte / Infos:
Hotel Ofenhorn, 3996 Binn
hotelofenhorn@binn.ch oder info@andreas-weissen.ch
Preise:
Sehr moderat
Bild: zVg.
ensuite, Dezember 2006