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Wo bitte geht’s hier nach Hawaii?

Von Simone Wahli - Die Por­tugiesen sind nicht umson­st berühmt für ihren fan­tastis­chen Kaf­fee und das aus­geze­ich­nete Gebäck, dies kön­nen wir nach einem Besuch der durch Por­tu­gal kolo­nial­isierten Hal­binsel Macau nur bestäti­gen.

Nicht nur kuli­nar­isch lässt die Insel das Herz des der Heimat ent­fremde­ten Europäers höher schla­gen, son­dern auch architek­tonisch, bis hin zu Strassen­schildern aus Mosaik glaubt man sich hier irgend­wo im Mit­telmeer­raum

Anders als der grosse Brud­er Hongkong ver­mochte Macau jedoch nicht an dem wirtschaftlichen Erfolg des 20. Jahrhun­derts teilzuhaben, auf­grund­dessen wurde in den 50er Jahren in das Kasino­geschäft investiert und bis heute ist die Hal­binsel in den Augen viel­er nichts anderes als ein gross­es Spielka­si­no. Sehenswert sind neben den anheimel­nden Strassen und Plätzen auch die bei­den Museen Museu de Macau sowie Museu Mar­iti­mo.

Vom betriebi­gen Guangzhou aus, das wir lediglich auf der Tax­i­fahrt zum Flughafen zu Gesicht bekom­men haben, ging es weit­er nach Viet­nam, bzw. Hanoi, dessen Tem­per­atur mit 18 Grad Cel­sius nur die erste Ent­täuschung darstellte. Sowohl unser Reise­führer als auch andere Reisende hat­ten die Stadt wieder­holt als roman­tis­ches Pen­dant zur hek­tis­chen Boom­town Ho-Chi-Minh City umschrieben, insofern waren wir auf die Arma­da Motor­räder, die die schmalen, staubi­gen Strassen der Kap­i­tale ver­stopfen, und zumin­d­est die erste Strassenüber­querung ger­adezu als Selb­st­mord­ver­such erscheinen lassen, nicht gefasst. Selt­sam mutet, neben den chao­tis­chen Verkehrsver­hält­nis­sen, der Umstand an, dass der Touris­mus offen­bar der wichtig­ste Pfeil­er der städtis­chen Wirtschaft zu sein scheint.

Mit der Zeit ent­deck­ten wir aber auch andere Seit­en der zur Nacht schlafend­en Stadt, denn mit dem Nachtleben ist es in ganz Viet­nam nicht weit her: die Bia Hois beispiel­sweise, Strassenkneipen, die vor allem von ein­heimis­chen Män­nern besucht wer­den und an denen bil­liges Bier aus­geschenkt sowie ein aus­geze­ich­neter Blick auf das betriebige Leben auf den Strassen geboten wird. Auch das wun­der­bare Restau­rant Hoa Sua, situ­iert in ein­er Kolo­nialvil­la, welch­es Strassenkindern eine fundierte Aus­bil­dung im Hotelser­vice ermöglicht, lohnt einen Besuch.

Der Möglichkeit, die sterblichen Über­reste Onkel Hos zu sehen wur­den wir, auf­grund dessen Restau­rierung, die immer in den Win­ter­monat­en stat­tfind­et, lei­der beraubt, und dies, nach­dem wir es schon ver­säumt hat­ten, uns Lenin oder Mao anzuse­hen.

Eine gute Möglichkeit, der Stadt für ein paar Tage zu ent­fliehen, ist ein Aus­flug in die Halong Bay, wobei wir hier die Dre­itages­tour empfehlen. Nach ein­er dreistündi­gen Bus­fahrt erre­icht man die Stadt Haiphong, von wo aus eine halbtägige Fahrt mit dem Schiff, auf welchem auch genächtigt wird, am fol­gen­den Mor­gen zur Insel Cat Ba führt. Die Bay mit ihren tausenden kleineren und grösseren Kalkin­seln ist auch im Bewusst­sein, dass es noch an die zwanzig ähn­lich­er Touris­ten­schiffe auss­er Sichtweite hat, atem­ber­aubend und bei Son­nenun­ter­gang lässt sich diese Tat­sache sog­ar weit­ge­hend vergessen.

Ver­führt von den unschlag­baren 20 US Dol­lar, die ein Open Tour Bus-Tick­et von Hanoi bis Ho-Chi-Minh City kostet, brachen wir nach unser­er Rück­kehr nach Hanoi zur ein­sti­gen Kaiser­res­i­denz Hue auf, die sich jedoch als lang­weilige Prov­inzs­tadt ent­pup­pte, wobei zu diesem Ein­druck der ewig ver­hangene Him­mel sowie die Rück­stände ein­er Über­schwem­mung in der Woche zuvor dazu beige­tra­gen haben mögen.

Ein Besuch der Zitadelle, die den ein­sti­gen Kaiser­palast, der jedoch während des Viet­namkrieges Opfer von Bomben gewor­den ist, beherbergt, ist lohnenswert.

Auf unser Fahrt zum Küsten­städtchen Hoi An passierten wir durch den Ein­satz von Agent Orange unbe­waldete Hügelzüge – stumme Zeu­gen der Ver­gan­gen­heit.

Das schmucke Städtchen Hoi An brachte die Trendwende bezüglich unseres bish­er eher neg­a­tiv­en Ein­druck­es von Viet­nam. Mit seinen Cafes und Restau­rants ist es sowohl bei Tag wie bei Nacht beza­ubernd. Auch wenn man, wie in unserem Fall, ein­er Som­mer­garder­obe ent­behrt, sollte man sich die Stadt auf­grund ihrer unzäh­liger Schnei­der nicht ent­ge­hen lassen.

Knapp 45 Kilo­me­ter von Hoi An ent­fer­nt liegt der hin­duis­tis­che Tem­pelkom­plex My Son, der zwis­chen dem 6. und 14. Jahrhun­dert errichtet wor­den ist. Hier lohnt sich die Fahrt mit dem Motor­rad anstelle des Touris­ten­busses. Ähn­lich wie die Kaiser­stadt in Hue ist auch der Tem­pelkom­plex im Krieg stark beschädigt wor­den, den­noch lässt sich anhand der noch vorhan­de­nen Gebäude seine ein­stige Pracht zumin­d­est noch erah­nen.

Doch auch Hoi An brachte uns nicht den gewün­scht­en Tem­per­atur­wech­sel, noch immer waren wir auf der Suche nach Hawaii. In Mui Ne, einem ein­sti­gen Fis­cher­dorf, das sich immer stärk­er zu ein­er touris­tis­chen Enklave entwick­elt, wur­den wir endlich fündig. Auch wenn die Hotelkom­plexe teil­weise rel­a­tiv teuer sind, sind bil­lige Alter­na­tiv­en mit am Strand situ­ierten Bun­ga­lows vorhan­den, wie beispiel­sweise das Resort Hiep Hoa. Neben dem Dol­ce­farniente am Strand hat Mui Ne einen beina­he noch unberührten Fis­cher­hafen mit vie­len bun­ten Fis­cher­booten sowie , zumin­d­est auf Fotos, an die Sahara erin­nerende Sand­dü­nen zu bieten.

Danach schienen wir für alles gerüstet, sog­ar für den Fronta­lan­griff, den Ho-Chi-Minh City ange­blich darstellen soll. Obwohl es hier auf­grund der höheren Ein­wohn­erzahl (an die 7 Mil­lio­nen) noch ungle­ich mehr Motor­räder geben muss als in der Kap­i­tale, gibt es wenig­stens so etwas wie Bürg­er­steige — und teil­weise sog­ar Ampeln.

Absolutes Must in Viet­nams grösster Stadt ist der Wiedervere­ini­gungspalast, der in den 60er Jahren auf dem Grund­stück des ehe­ma­li­gen Präsi­den­ten­palates errichtet wurde. Hin­ter der Fas­sade des Gebäudes, welche stark an die Sow­jetar­chitek­tur aus der­sel­ben Zeit erin­nert, ver­barg sich während des Krieges die Kom­man­dozen­trale Süd­viet­nams. Die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht­en Kon­feren­zsäle in Orig­i­nalzu­s­tand sowie der Keller mit Kom­mu­nika­tion­sräu­men, die lediglich ein bis zwei Ses­sel und einen Tisch mit mehreren Tele­fo­nen enthal­ten, wären eine her­vor­ra­gende Kulisse für etwaige neue James Bond Filme. Und auch das Wall­pa­per Mag­a­zin hätte seine wahre Freude daran.

Am War Rem­nants Muse­um führt eben­falls kein Weg vor­bei. Anders als das Mil­itär­mu­se­um in Hanoi sind hier nicht sämtliche Kriege, die Viet­nam im 20. Jahrhun­dert durch­lei­den musste, Gegen­stand des Inter­ess­es, son­dern im Zen­trum ste­ht der «Amerikanis­che Krieg». Neben her­aus­ra­gen­den Presse­fo­tografien des Krieges wer­den auch die erschreck­enden Bilder der Agent Orange‑, Phos­pho­r­bombenopfer etc. gezeigt.

Wer sich von dem ver­stören­den Ein­druck, den das Muse­um hin­ter­lässt, erholen möchte, sollte sich keines­falls in den nahegele­ge­nen Botanis­chen Garten begeben, da es sich hier­bei um einen verkappten Zoo han­delt, dessen Tier­hal­tung stark an die ein­sti­gen Kriegs­ge­fäng­nisse Süd­viet­nams, deren Nach­bau im Muse­um zu besichti­gen ist, erin­nert.

Eine bil­lige Unterkunt sowie bil­lige Restau­rants sind in der Nähe der Pham Ngu Lao ohne Schwierigkeit­en zu find­en, anson­sten ist die Metro­pole jedoch rel­a­tiv teuer. Einen erfrischen­den und zugle­ich gesun­den Genuss bietet in diesem Dis­trikt die mobile Frucht­saft­bar (immer ab vier Uhr Nach­mit­tags) an der Ecke Bui Ven/ De Tham.

Über das Nachtleben, das hier bess­er sein soll als in anderen Städten Südostasiens, haben wir lei­der nichts zu bericht­en. Auch hier erschien es uns lohnenswert­er, sich in eine Bia Hoi zu set­zen, als mit Massen von Expats und Back­pack­ern «abzufeieren».

Eine kostens­parende Möglichkeit der Gren­züber­querung nach Kam­bod­scha bietet eine Tour durch das Mekong-Delta, während der ver­schiedene Man­u­fak­turen besucht wer­den, wo beispiel­sweise Süs­sigkeit­en aus Kokos­nüssen oder Reiswein pro­duziert wird. Anders als erwartet bewegten wir uns jedoch nur für rel­a­tiv kurze Zeit auf kleineren Kanälen, anson­sten aber auf einem Haup­tarm des Stromes.

Nach vie­len, vie­len Stun­den Boots­fahrt (inklu­sive ein­er Hotel­nacht) erre­icht­en wir Kam­bod­scha, von wo aus es mit dem Bus weit­erg­ing bis Pnom Penh.

Im Gegen­satz zu Viet­nam, dessen Bevölkerung kein grösseres Gefälle zwis­chen arm und reich aufzuweisen scheint, fall­en der­ar­tige Unter­schiede im Kön­i­gre­ich Kam­bod­scha unmit­tel­bar ins Auge. Dies wird nicht nur bezüglich der unter­schiedlichen Bauweise zwis­chen Stadt und Land (auf dem Land wird noch mit Holz gebaut), son­dern auch bezüglich der wesentlich höheren Autodichte deut­lich. Auch aus­ländis­che Geldge­ber, beispiel­sweise die Amerikan­er, sind in Kam­bod­scha wesentlich häu­figer: so wurde die neue Strasse von Phnom Penh nach Sihanoukville, einziger Bade­ort des Lan­des, von den Amerikan­ern bezahlt.

Generell kann wed­er Viet­nam noch Kam­bod­scha ohne nähere Beschaf­ti­gung mit der schick­sal­shaften Geschichte dieser Län­der der let­zten 50 Jahre bereist wer­den. Kopierte Büch­er zu diesen The­men sind allerorten erhältlich, und wenn auch oft etwas Schwarz-weiss in ihrer Darstel­lung, ermöglichen sie doch einen ersten Ein­blick.

Nach ein­er kurzen Nacht in der Haupt­stadt — man trifft immer wieder auf ehe­ma­lige Mitreisende, die einem oft lange und tur­bu­lente Geschicht­en zu erzählen haben — sind wir am fol­gen­den Mor­gen in Rich­tung Sihanoukville, wo einst sog­ar Cather­ine Deneuve geweilt haben soll (aber wenn wir unseren Reise­führern Glauben schenken wollen, war sie schon beina­he über­all), aufge­brochen. Hier nun haben wir einen fan­tastis­chen Bun­ga­low mit Meerblick gefun­den, der sich in einem wun­der­schö­nen tro­pis­chen Garten befind­et. Besitzer des Bun­ga­low Vil­lage ist der Fran­zose Olivi­er, der sich nicht nur aufs Kochen, son­dern augen­schein­lich auch auf Innenar­chitek­tur ver­ste­ht. Bei einem Kokos­nuss Las­si mit Blick aufs Meer lässt sich sog­ar vergessen, dass zu Hause den Fest­ta­gen ent­ge­genge­fiebert wird.

Erschienen unter dem Titel: Objects may be clos­er than they appear — Teil 3. Wo bitte geht’s hier nach Hawaii?  Reiseno­ti­zen auf dem Weg von Rus­s­lands West­en bis nach Südost-Asien. (23. Novem­ber — 22. Dezem­ber 2004.)

Bild: Christof Sulz­er
ensuite, Jan­u­ar 2005

 

Artikel online veröffentlicht: 23. Juli 2017