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Wo Emotionen und akustische Raffinesse zusammentreffen

Von Luca D’A­lessan­dro — Die Fach­presse sieht in ihr die neue Cesaria Evo­ra: Maria de Lur­des Pina Assunção, mit Kün­stler­na­men Lura, hat im April ihr sech­stes Album veröf­fentlicht: «Eclipse» berück­sichtigt die musikalis­chen Tra­di­tio­nen aus dem Land ihrer Eltern, den Kapver­den, und lässt mod­erne Ein­flüsse aus der afrikanis­chen und europäis­chen Musik zu.

In einem kre­olis­chen Quarti­er in Liss­abon aufgewach­sen, sieht sich Lura als Botschaf­terin jen­er Musikkul­tur, die sie von Kindes­beinen an mit­bekom­men hat: Eine Mis­chung aus afrikanis­ch­er Rhyth­mik, por­tugiesis­chem Pop und Jazz. «Ich hätte nie geglaubt, dass in meinem Innern all das ver­bor­gen liegt, was durch meine Musik zum Vorschein kommt», sagt Lura.

Ihr Beruf als Sän­gerin behagt ihr, obwohl sie ursprünglich Tänz­erin wer­den wollte. «Am Ende habe ich mich anders entsch­ieden.» Oder bess­er gesagt: Ihre klangvoll tiefe Stimme hat sie von diesem Weg abge­bracht. Mit 17 traf sie auf Juka, einen Sänger aus São Tome und Principe, mit dem sie ein Duett auf­nahm. «Zuerst dachte ich, Juka wolle mich lediglich als Hin­ter­grund­sän­gerin in seinem Chor haben», erin­nert sich Lura. Juka aber hat­te andere Pläne: «Er wollte ein Duett sin­gen und hat so lange auf mich ein­gere­det, bis ich endlich ein­willigte.» Das Duett wurde ein Hit, der nicht nur Juka zu mehr Ruhm ver­half, son­dern auch die Aufmerk­samkeit ver­schieden­er Liss­abon­er Musik­er auf die junge Sän­gerin zog. Tito Paris, Paulo Florès und Pauli­no Vieira woll­ten sie unbe­d­ingt für ihre Pro­jek­te gewin­nen. Lura machte mit, liess sich aber von ihrem neu eingeschla­ge­nen Weg nicht abbrin­gen. Ihr Ziel war die Solokar­riere.

1996 ent­stand das Début «Nha Vida», das sofort für Aufre­gung in der Branche sorgte. Lura hat­te sich endgültig etabliert, es gab also kein Zurück mehr: Die Tanzkar­riere musste sie auf Eis leg­en. Es fol­gten fünf weit­ere Alben. Das let­zte, «Eclipse», ist vor ein paar Wochen auf den Markt gekom­men. «Es inspiri­ert sich an den musikalis­chen Tra­di­tio­nen der Heimat mein­er Eltern», sagt die Sän­gerin, «es ist die Stimme der bei­den Inseln Sao Tia­go und San­to Antao.» In diesem Album tre­f­fen Emo­tio­nen und akustis­che Raf­fi­nesse zusam­men. Stile wie Mor­na, Funana und Batuku geben die Har­monien und den Rhyth­mus vor, ver­mengt wird das Ganze mit afrikanis­chen Ein­flüssen und mod­er­nen Ele­menten aus Südameri­ka und Wes­teu­ropa. «Eclipse» set­zt sich aus Pop und Jazz zusam­men, zugle­ich find­en sich in ihm die klas­sis­chen Rhyth­men der Inseln wieder, zum Beispiel der Funana, ein typ­is­ch­er Tanz aus San­ti­a­go, gespielt auf der Han­dorgel und dem Fer­rin­ho, einem kapverdis­chen Instru­ment. Ein weit­er­er Rhyth­mus ist der Batuque, welch­er tra­di­tion­s­gemäss in den Wäschereien von San­ti­a­go auf Kissen aus Leinen­tuch, den Tch­a­betas, gespielt wurde.

«Eclipse» ist ein nos­tal­gis­ch­er Exkurs in das Land, das seine Prä­gung von den Dichtern, den Fis­ch­ern und Seeleuten aus aller Welt erhal­ten hat. Die Insel­gruppe stand für lange Zeit unter por­tugiesis­ch­er Kolo­nial­herrschaft. Erst im Geburt­s­jahr der Sän­gerin, 1975, entliess Por­tu­gal die Kapver­den in die Unab­hängigkeit. Geblieben sind die Sprache, die Namen und Bräuche. Es erstaunt deshalb nicht, dass der Bossa Nova in «Eclipse» eine dominierende Rolle spielt, wobei aber auch argen­tinis­che Tra­di­tio­nen ihren Platz haben; zum Beispiel in «Can­ta Um Tan­go», ein post­mod­ern­er Tan­go, ent­standen in Neapel mit der Gruppe Kan­tan­go.

Die Titelmelodie «Eclipse» geht auf ein Lied von B. Leza, dem «König» der Kapver­den und Onkel von Cesaria Evo­ra, zurück. Er hat die Musikkul­tur der Inseln während fünf Jahrzehn­ten geprägt. Noch heute wird er von seinen Nach­fol­gern geschätzt. Kön­nte Lura schon bald die neue Köni­gin wer­den? «Nein», sagt sie, «Cesaria Evo­ra ist nach wie vor die Ikone der Kapver­den.» Lura empfind­et tiefe Verehrung für die Grande Dame der beschwingten Musik. Ein Ver­gle­ich mit ihr wäre nicht möglich, zumal sich die bei­den Divas stilmäs­sig unter­schei­den.

Lura ist gegen­wär­tig eine der berühmteren kapverdis­chen Sän­gerin­nen und Kom­pon­istin­nen. Obwohl sie von Cesaria Evo­ra mass­ge­blich bee­in­flusst wurde, ist Luras Stil eigen­ständig geblieben: Eine Mis­chung aus tra­di­tionellen Melo­di­en und Klän­gen ihrer Heimat und west­lichem Pop.

Die heute 33-jährige Kün­st­lerin hat mit namhaften Musik­ern zusam­mengear­beit­et, unter anderem mit Cae­tano Veloso, Marisa Monte, Dja­van, Bon­ga und Tere­sa Salgueiro. Neb­st ein­er fün­fteili­gen Disko­grafie hat sie sich 1997 am Gemein­schaft­spro­jekt Red Hot + Lis­bon, einge­bun­den in eine Kam­pagne gegen AIDS, beteiligt.
Disko­grafie:
‑Nha Vida, 1996
‑Onda sono­ra — Red Hot + Lis­bon (Sam­pler), 1997
‑In Love, 2002
‑Di Kor­pu Ku Alma, 2005
‑M’bem di fora, 2006
‑Eclipse, 2009

Info: www.luracriola.com

Foto: zVg.
ensuite, Mai 2009

Artikel online veröffentlicht: 12. August 2018