Von Patrik Etschmayer - Donald Trump badet jeden Abend im Blut von chinesischen Babies, die von zentralafrikanischen Diktatoren in von Reptiloiden gecharteten Hohlerderaumschiffen direkt durch das Erdinnere in den Keller des weissen Hauses geschmuggelt werden. Aus den sterblichen Überresten wird Futter für die Wachhunde von ICE, der Grenzschutztruppe der USA hergestellt.
Ich hoffe, diese Fake-Meldung hat bei Ihnen genug Aufmerksamkeit erregt, so dass sie nun auch den Rest lesen. Um zu erreichen, dass Leser dran bleiben, sind heutzutage scheinbar Fake-Meldungen das beste Mittel, aggregieren diese doch ein Mehrfaches der Re-Tweets und Likes von Tatsachenberichten.
Chips, die durch 5‑G-Antennen auf Viren reitend in Menschen eindringen und diese Versklaven, sind offenbar wesentlich interessanter als Meldungen darüber, wie die Entwicklung von Impfstoffen abläuft. Die Verblüffung darüber, dass Schwachsinn williger als die Realität von breiten Bevölkerungsschichten empfangen wird, erstaunt und entsetzt WissenschaftlerInnen und WirtschaftsführerInnen gleichermassen.
Dabei sollte das völlig logisch sein. Denn Leute sind von GESCHICHTEN fasziniert. Und die Verschwörungsidiotien sind nun mal wesentlich interessanter. Denn in jeder VT gibt es ein grosses Geheimnis, Bösewichte, gute Kämpfer, Untaten und einfach alles, was man von einem Märchen erwarten würde. Die Tatsache, dass es eigentlich unmöglicher Quatsch ist, ist kein Argument. Leute lieben seit je her irrationalen Blödsinn. Ein Verweis auf beliebige religiöse Mythen, die je nach geographischer Verortung sogar mit der Androhung von Tod und Folter vor rationaler Hinterfragung beschützt werden, sollte eigentlich ausreichen.
So sind den die aktuellen VT’s (inklusive dem wirklich abgrundtief blöden QAnon-QUarck) vor allem mit der Sehnsucht nach einer einfachen Erzählung und Erklärung der chaotischen Realität geschuldet.
Im Marketing gibt es schon seit Langem einen Namen für dieses Phänomen: Storytelling. Ein Produkt, dass mit einer emotional geladenen Geschichte (logisch: Geschichte ohne Emotion ist Bericht) verbunden wird, verhakt sich leichter und schneller im Konsumentengehirn. Ja sogar im Gedächtnistraining werden mit Hilfe von erdachten «Räumen» und mit diesen verbundenen Geschichten abstrakte Informationen merk- und abrufbarer. Wenn es einen Beweis dafür gibt, dass unsere Hirne nach Stories gieren, dann ist es wohl dieser.
Kurioserweise foutieren sich WissenschaftlerInnen und KommunikatorInnen einen Dreck um Storytelling. Sogar Politiker, die sonst aus jedem Mist einen Epos zu stricken vermögen, bleiben trocken wie die Sahara, wenn es um ‹das grosse Bild› geht. Dabei ist die Geschichte des neuen Coronavirus durchaus spannend. Da wir Menschen wegen des globalen wirtschaftlichen Drucks immer weiter in die Natur eindringen, treffen Menschen den Rändern der Zivilisation auf immer mehr bisher unbekannte Viren. Mitunter zieht eines dieser Viren das grosse Los: Es hat durch Evolution und Mutationen nicht nur seinen natürlichen Wirt (im Falle von SARS-CoV2 eine Fledermaus befallen) sondern sich durch leicht veränderte Andockstellen eine neue Welt erschlossen: Jene der Menschen! Haben diese doch nicht nur manche Proteinrezeptoren auf ihren Zellen mit den Fledermäusen gemein, sondern ebenso die Gewohnheit, in grossen Gruppen zusammen zu kommen.
Und obwohl das Virus nicht mal clever genug ist, um dumm zu sein, übertölpelt es eine Spezies, die sich einbildet, die klügste auf dem Planeten zu sein. Und wie? Ganz einfach: Es macht die Menschen nur langsam krank und kann sich so super weiter vermehren, da die Angesteckten nicht sofort als solche erkannt werden. Doch als die ersten Patienten schwer erkrankten und das neue Virus identifiziert wird, bekommt dieses Hilfe von hoher und höchster Stelle. Erst in China, danach in den USA, in Grossbritannien, in Brasilien. Jedes Mal geht es darum, das Virus zu verharmlosen, damit diese nicht das tägliche politische Geschäft stören. Vermutlich wäre die Erfolgsgeschichte von SARS-CoV2 mit entschlossenen, mutigen Gesundheitsbeamten in China, die sich nicht vor den Konsequenzen, Überbringer schlechter Nachrichten an die Vorgesetzten zu sein, hätten fürchten müssen, schon im letzten Januar vorbei gewesen. Denn in diesem Moment hätten eine regionale, nationale und globale Antwort stattfinden müssen, eine grenzüberschreitende, unpolitisch, rein wissenschaftlich basierte Reaktion. Was stattdessen passierte, ist bekannt. So schaffte es eine winzige RNA-basierte Bio-Maschine Millionen Menschen zu infizieren und Hunderttausende zu töten.
Das dumme für eine Storyfizierung eines Virus ist einfach, dass dieses weder böse noch gut, weder listig noch gemein ist. Es ist eher ein Stoff, dass fremde Körper für die eigene Vermehrung benutzt, eine Art kluges Material, aber kein Lebewesen, kein Bösewicht. Aus dieser an sich banal-bedrohlichen Realität eine gute Story zu machen ist derzeit weder PolitikerInnen noch WissenschaftlerInnen gelungen.
Und hier zeigt sich, warum Kulturschaffende so wichtig in der heutigen Zeit wären, um die immer schwierigere Realität in Narrative, in fassbare Geschichten zu packen. Die Trennung von Kultur und Wissenschaft ist keine Banalität sondern ein Drama, dass sich immer mehr im Alltag auswirkt, wo sich scheinbar vernünftige Menschen von der rationalen, prüfbaren Realität ab und einem Wahnsinn zuwenden, der droht sowohl das eigene unmittelbare Leben wie die globalen Lebensgrundlagen zu gefährden, weil dieser in eine Groschenheft-Dramaturgie verpackt ist.
Es wäre darum interessant, wenn Autoren Gegen-Narrative schaffen würden, welche unsere Probleme basierend auf unserem Wissen und nicht auf unseren Ängsten und Vorurteilen aufbereiten würden und so ein echtes, durchdringendes Problembewusstsein schaffen könnten. Leider muss man sich ernsthaft fragen, ob viele jener Politiker, die sich derzeit im Zusammenhang mit SARS-CoV2 eine ‹vernünftige, Eigenverantwortung wahrnehmende Bevölkerung› wünschen, diese Geschichten goutieren würden. Denn in solchen würde nicht nur der Kampf der Zivilisation gegen das Virus vorkommen. Ebenso würde die Tatsache, wie das Virus durch wirtschaftliche Zwänge und die Gier nach Rohstoffen überhaupt zu den Menschen kam, zum Thema werden, ebenso wie Klimawandel und Raubbau an der Natur noch viele weitere solche Pandemien fördern könnte.
Doch vielleicht würden diese Stories so einleuchtend sein, dass Politiker auch abseits der Tagesaktualität den Wert von durch kritisches Denken und ernsthafter Überprüfung gewonnener Erkenntnisse unabhängig ihrer ideologischen Scheuklappen akzeptieren würden. Man darf ja träumen…
Bild: Ein Aluhut-Träger / Wikipedia