Von Lukas Vogelsang – Kulturförderung ist ein heisses Eisen. Ich bin nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen wird – gegen Kulturförderung oder die Mitmischung der öffentlichen Hand in kulturellen Angelegenheiten. Aber durch meine Arbeit werde ich mit Situationen konfrontiert, die zum Denken anregen. Oftmals sind es Relationsfragen, die ich nicht klären kann, also Verhältnisse, die mir suspekt vorkommen. Als Aussenstehender und Beobachter erhält man da ganz andere Blickwinkel. Ich will aber keine Beispiele nennen.
Natürlich ist es immer schwierig, wenn die Politik zu sehr in die Förderungsstrukturen eingreift, weil politische Tendenzen selten etwas mit kulturellem Verständnis oder Interesse zu tun haben. Dumm nur, dass Kulturförderung immer Politik ist. Erfreulich hingegen ist festzustellen, dass jene Politik, die verstanden hat, dass Kulturförderung ein Verwaltungsauftrag ist und kein «Machauftrag», effektiv funktioniert und eben zum «Macht Kultur!» motiviert, die wiederum ihren Teil in die Politik, in die Gesellschaft zurückspielen kann. In den letzten zwei Jahren hat sich in dieser Hinsicht gesamtschweizerisch viel bewegt. Zwar wurden alte Strukturen auseinandergerissen, wie zum Beispiel beim Film oder bei der Pro Helvetia, und viele KünstlerInnen und Institutionen bangen deswegen um ihre Existenz oder müssen sich in einem neuen und schwierigen Umfeld definieren und behaupten. Aber tendenziell ist der eingeschlagene Kurs positiv zu werten. Eben, die öffentliche Hand nimmt mehr und mehr die Verwaltungsfunktion in einer anderen Form war. Man bedenke, Kulturförderung ist selber in einem schwierigen Umfeld einer sich dauernd wechselnden Struktur. Die politischen und wirtschaftlichen Winde, personeller Wechsel in Ämtern, verändern die Kursmöglichkeiten andauernd. Umso wichtiger also, dass die Gesetzbebungen, die Konzepte und die Verwaltungsapparate so transparent, neutral und personenunabhängig gebaut werden wie nur möglich. Diese Prozesse sind für aussenstehende manchmal schwer nachzuvollziehen – entsprechend können die Reaktionen sein.
Einen solch positiven Wandel hat die Stadt Bern hinter sich. Die neu veröffentlichte Liste der gesprochenen Beiträge 2009 vom Amt für Kulturelles der Stadt Bern (im Internet auf www.bern.ch unter Kulturförderung zu finden) ist ein spannendes Kulturaktions-Dokument aus der Hauptstadt geworden. Zwar könnte die Liste noch mehr Inhalt liefern und dabei auch gleich als Tätigkeitsbericht oder eine Art «Lexikon der städtischen Kulturprojekte» dienen, doch wir sind schon froh, überhaupt eine solche Transparenz zu haben. Darin liest sich der eingeschlagene Weg der überarbeiteten Abteilung Kulturelles, welcher jetzt nach zwei Jahren sichtbar wird und die Umsetzung oder Interpretation des Kulturkonzeptes dieser Stadt. Die Abteilung selber ist kaum mehr in den Schlagzeilen, generell in den Medien nicht präsent, jedoch beginnt das kulturelle Schaffen spürbar wieder zu «blubbern» – wie vor zehn Jahren. Dabei waren die Voraussetzungen vor zwei Jahren alles andere als einfach.
Sobald die öffentliche Hand zu sehr in den kulturellen Raum eingreift, stirbt der Geist der kulturellen Selbstfindung. Das heisst zum einen, nicht zuviel Geld zu verteilen und andererseits, vorsichtig zu sein mit dem öffentlichen Einfluss. Ich bin deswegen über Zürich erstaunt, eine so grosse bedeutende Stadt, die im Vergleich zu früher (60er- und 70er-Jahre) kaum mehr eine solche kulturelle Eigendynamik präsentieren kann. Im Vergleich: In Bern zählen wir pro Woche 200 bis 250 kulturelle Happenings. In Zürich sind es ebenso viele – doch die Stadt ist mindestens dreimal grösser als Bern.
Kultur stirbt nicht aus, sie verändert sich nur. Und das Kulturverhalten einer Gesellschaft kann gesteuert werden – es braucht dafür Raum. Und diese Räume werden durch das politische Bewusstsein definiert. Deswegen: Zürich war auch mal an einem anderen Punkt – und es kann auch durchaus wieder dahin zurück. Bern hat dies ja auch bewiesen.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 87, März 2010