Von Lukas Vogelsang — Ich könnte hier über die Konvergenz-Strategie der Tamedia herziehen, oder die Schlacht der WEMF-Statistiken (Leserstatistik der Tageszeitungen) zum Thema machen. Es wäre auch an der Zeit, die Verbannung der Gratiszeitungen aus den fög-Hörsälen (Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft) der UNI Zürich gross zu loben, oder aber den tragischen Verkauf von «Le Temps» an den Pranger zu stellen. Immer ärgern kann man sich über grunddumme Werbeblöcke im Fernsehen, und die idiotische Behauptung, dass Fernsehen «von Natur aus ein soziales Medium» sei (Daniel Haef, Digitalchef BBC Worldwide). Ich könnte auch diese doofe Geschichte der Solothurner Filmtage bringen, die auf unsere Anfrage, in ensuite zu inserieren, behaupteten: «…dass wir seit letztem Jahr kein Budget mehr für Inserateschaltungen haben und nur noch mit Austauschinseraten u.a. in den Publikationen anderer Festivals arbeiten.» (Stefanie Schüpbach, Marketingverantwortliche der Solothurner Filmtage). Im Jahresbericht 2013 wurde eine Werbe‑, Marketing- und Kommunikationsrechnung von 581’000 Franken ausgewiesen, wobei 311’167 Franken der «Distribution» zugeordnet wurden. Ich könnte auch andere eigenartig teure und nicht sichtbare neue Werbeideen von einigen Veranstaltern aufzeigen, welche kaum noch einen Hauch von Erfolg aufweisen und sich entsprechend mit den Besucherzahlen in Luft auflösen.
Aber schliessen wir mit diesen Themen das Jubiläumsjahr von ensuite – kulturmagazin ab? Nein. Weg mit der Kampfansage. Ich möchte im Gegenteil mal zu einer ganz grossen Dankes-hymne an unsere LeserInnen und Werbekundinnen, UnterstützerInnen, PartnerInnen, MitarbeiterInnen und MitdenkerInnen ansetzen.
ensuite – kulturmagazin hat es wahrlich nicht leicht. Im Frühling habe ich mir noch die Frage stellen müssen, ob ich weiterhin den Kopf hinhalten will für dieses Unternehmen. Das ist eine Frage, die man sich nach 10 Jahren unbedingt mal stellen sollte. Fazit: Ich stellte fest, dass ich eine tolle Arbeit habe, mir die Spannungsfelder und Tätigkeiten gefallen, und ich mir beruflich eigentlich nichts anderes wünsche, ausser vielleicht etwas mehr Zeit für mich selber. Das brachte mich zur zweiten Aufgabe, mir zu überlegen, was mit ensuite – kulturmagazin und artensuite werden soll. Mit einem Schuldenberg von 100’000 Franken, der mehrheitlich durch die öffentliche Hand verursacht wurde – die notabene das Kulturmagazin nicht als «kulturvermittelnd» anerkennen will und irgendwas von «staatlicher Presseförderung» schwafelt, selber aber jedes beliebige Kulturblatt und Publikationen, welche ihr in den Kram passen, fördert und lobhudelt –, war die Frage nicht ganz einfach zu klären. Wollen wir Aussenseiter bleiben? Braucht es ensuite heute noch? Fazit hier: Ich bin zur Überzeugung gekommen: Ja! Mehr denn je.
Und diese Entscheidung hat mein Leben verändert (Das sagt man doch an dieser Stelle in jedem Unternehmerhandbuch, oder?…).
Und da stehen wir heute: Kurz vor dem neuen Jahr bin ich motivierter als je zuvor, habe in den letzten Monaten eine so tolle Unterstützung erfahren können, dass ich jetzt selber weiss, dass ensuite — kulturmagazin mehr ist, als wir denken. Den Schuldenberg konnte ich grösstenteils sogar abarbeiten – das soll mal jemand in dieser kurzen Zeit nachmachen. Die grösste Erkenntnis, die ich aus diesem Jahr nehme ist, dass dieses komische Verdikt: «das Verlegermodell sei längerfristig nicht zukunftsfähig», nicht wahr ist. Nein: Verlage braucht es mehr denn je. Aber nicht solche, die sich durch Renditerechnungen blenden lassen und die Monopolisten der Massen sein wollen, sondern solche, die einen Auftrag, eine Vision in die Gesellschaft tragen. Durch die Monopolisierung der Tagesmedien ist die Diskussion über «Verlage» ziemlich in der Inhaltsleere versunken, und die JournalistInnen glauben
weder an sich noch an ihre Funktion. Daran müssen wir im 2014 arbeiten. Ich freu mich riesig – hoffentlich mit Ihnen, liebe LeserInnen.
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Dezember 2013