Von Natalia Huser – Die Performancekunst erlebt im Ausstellungsbetrieb gegenwärtig eine Blütezeit, was nicht zuletzt eindrücklich an der Art Basel mit dem Projekt «14 Rooms» demonstriert wurde. Doch mit ihrer Einbettung im institutionellen Rahmen wird gleichzeitig auch Kritik laut gegenüber einer verstärkten Instrumentalisierung durch eben jene Institutionen, die wiederum für ihre Transparenz besorgt sind, wie Bojana Cvejic (Performancekünstlerin und ‑theoretikerin) in ihrem Beitrag am Symposium «Sculptures on the Move» vom 4. und 5. Juli in Biel betonte. Diese und weitere Themen bildeten den theoretischen Überbau und Auftakt zur 12. Ausgabe der Schweizerischen Plastikausstellung in Biel. Während zwei Tagen reflektierten namhafte Theoretiker wie Jan Verwoert oder André Lepecki und Performancekünstler, unter ihnen Ariana Reines, Alex Cecchetti und Marko Lulic, über eine im Ausstellungswesen eher marginal behandelte Disziplin. Es wurde über den politischen Kontext, die Definition und das ambivalente Verhältnis von öffentlichem und privatem Raum, die Beziehung des Individuums zur Gemeinschaft im 21. Jahrhundert wie über das Wechselspiel von Architektur und Tanz diskutiert. Mit virtuosen Lecture Performances der Kunstschaffenden erhielt das Publikum Einblick in deren Werk.
Es ist ein Novum in der Geschichte der traditionsreichen Plastikausstellung und gleichzeitig eine gelungene Idee, dass in der diesjährigen Ausgabe gänzlich auf Skulpturen im öffentlichen Raum verzichtet wird. Stattdessen richtet sich der Fokus auf Performance im urbanen Raum und ihre Kraft, Bewegtes darzustellen. Wenn Objekte dennoch auftauchen, dann stets in Komplizenschaft mit den Performern. Die werkimmanenten Merkmale der situationsbezogenen, handlungsbetonten und vergänglichen künstlerischen Darbietungen sind Segen und Fluch gleichermassen. Was sie so faszinierend und einmalig macht, stellt in der Vermittlung wiederum eine Herausforderung dar, nicht zuletzt wegen der manipulativen Kräfte. Und trotzdem: Die Performancekunst wirkt ehrlich, entschleunigend, beruhigend, konzentriert – ja geradezu stimulierend im Zeitalter der konstanten Reizüberflutung und Objekthaftigkeit.
Für die Ausführung der 12. Schweizerischen Plastikausstellung zeichnen die beiden Kuratoren Gianni Jetzer und Chris Sharp verantwortlich. Sie steht ganz im Zeichen der Bewegung oder eben «Le Mouvement», wie der pointierte Titel lautet. In drei Teilen wird das Publikum bis Anfang November 2014 verführt und in Atem gehalten. Behutsam und konzeptionell überzeugend wird der Betrachter an die Thematik herangeführt. Formal orientieren sich die Kuratoren am Paradigma der 3‑Akte-Struktur und bauen einen Spannungsbogen auf, indem jeder Teil sich einer spezifischen Fragestellung widmet und somit jeweils einen programmatischen Wendepunkt initiiert. Und obschon die drei Kapitel unabhängig voneinander funktionieren, durchdringen sie sich dennoch gegenseitig. «Sculptures on the Move», «Performing the City», «The City Performed», so die Überschriften der drei Kapitel, thematisieren die komplexen Beziehungen zwischen Raum, Zeit und dem Ich.
Die mannigfachen Möglichkeiten, den Körper in Bewegung darzustellen, hat Ariana Reines eindringlich in ihrer hintersinnigen Performance «Mortal Kombat» (2014), als Auftakt von «Sculptures on the Move» im Foyer des Kunsthauses CentrePasquArt, gezeigt. In Auseinandersetzung mit Carl Burckhardts «Der Tänzer» und Max Bills «Rhythmus im Raum» – beides Arbeiten, die an der ersten Plastikausstellung 1954 in Biel zu sehen waren und sich ebenfalls mit dem Phänomen der Bewegung beschäftigen – schafft sie inhaltliche Bezugspunkte: vom Gegenständlichen zum Abstrakten bis hin zur real erfahrbaren Bewegung. Ariana Reines führte mit Jim Fletcher eine Choreografie auf, die bis an die Grenze des physisch Erträglichen ging. Zerbrechlichkeit, Ausharren, Berührung, Schmerz, Kraft, Konflikt, Spannung, Nähe, Distanz und Rhythmus waren Assoziationen, die beim Beobachten der Darbietung aufkamen. Neben der ausdrucksstarken Präsenz der Körper war es die Sprache, die da und dort von den Performern in den Raum platziert wurde. Die Worte durchbrachen die Intensität der künstlerischen Aktion und verliehen ihr eine Poesie der Leichtigkeit.
Man darf auf die Trouvaillen gespannt sein, die das Kuratorenteam für die kommenden zwei Teile ausgewählt hat. Die beachtliche Liste von Ikonen, aufstrebenden Jungkünstlern, nationalen wie internationalen Positionen der Performancekunst verspricht zumindest eine spannungsvolle Weiterführung der Ausstellung. Zuerst in «Performing the City», wo der öffentliche Raum und dessen Regulierung unter anderem mit Interventionen von Nina Beier, Trisha Brown, Willi Dorner, Douglas Dunn, San Keller oder Jérôme Leuba unmittelbar im Stadtraum reflektiert wird. Im prozesshaften, direkt erfahrbaren Akt der physischen Bewegung des dritten Teils spielt insbesondere die Thematisierung der politischen Tragweite der Bewegung im öffentlichen Raum anfangs des 21. Jahrhunderts im Kontext von elektronischen Medien und neuen demokratischen Bewegungen wie Occupy, die zu einem weltweiten Phänomen avancierten, eine wichtige Rolle. So werden im Kunsthaus CentrePasquArt unter dem Titel «The City Performed» Beiträge von Vito Acconci, Pablo Bronstein, Dara Friedman, Rachel Mason, Dieter Meier, Ai Weiwei und anderen zu sehen sein.
«Le Mouvement» zeigt, der Doppeldeutigkeit des Begriffs entsprechend, einerseits die ästhetisch-künstlerische Perspektive und beleuchtet andererseits gleichzeitig auch die politische Bedeutung von Bewegung. Mit wachem Spürsinn greift die Ausstellung aktuelle, gesellschaftliche Tendenzen auf, analysiert diese und ist darüberhinaus eine Augenweide für alle Liebhaber der Performancekunst, aber auch für solche, die es spätestens mit dieser unkonventionell-erfrischenden und «nahrhaften Ausstellung» werden.
Le Mouvement
Diverse Orte in Biel, 2502 Biel/Bienne
www.lemouvement.ch
Sculptures on the Move: bis 31.8.2014
Performing the City: 26.8. – 31.8.2014
The City Performed: 30.8. – 2.11.2014
Bild: Willi Dorner, Bodies in Urban Spaces, 2010, Performance still, Marseille,
Courtesy: Willi Dorner, Credits: Lisa Rastl
Publiziert: ensuite Nr. 140, August 2014