Kunst im Buch: Sammeln nach dem Sammeln

Von Dominik Imhof – Es ist ruhig gewor­den um den Fall Gurlitt. Das Kun­st­mu­se­um Bern als poten­zieller Erbe hat sich die etwa sechs monatige Frist aus­bedun­gen, um die vie­len Fra­gen rund um die Samm­lung vor einem Entscheid zur Annahme des Erbes zu klären. Der Fall ist ein gutes Beispiel dafür, wie nicht mit Samm­lungsgut umge­gan­gen wer­den sollte. Zu viele Fra­gen zum Inven­tar und zum Wert des Inven­tars der Samm­lung sind offen und müssen nun unter Zeit­druck gek­lärt wer­den. Wer ver­hin­dern möchte, dass es sein­er eige­nen Samm­lung oder der­jeni­gen eines Fam­i­lien­mit­glieds ähn­lich erge­ht, dem sei die Pub­lika­tion von Franz-Josef Sladeczek und San­dra Syko­ra, «After Col­lect­ing», ans Herz gelegt. Hier erfahren Sie alles darüber, wie man mit der eige­nen Kun­st­samm­lung umge­ht oder wie man mit einem geerbten Kun­st­nach­lass ver­fährt. Eines ist klar: Es ist kein ein­fach­es Unter­fan­gen und mit einigem Aufwand ver­bun­den! Mar­cel Duchamp meinte dazu: «Die eine Hälfte eines Kunst­werks macht der Kün­stler, die andere Hälfte vol­len­det der Samm­ler.»

Die Pub­lika­tion ist in drei Teile plus aus­führlichem Anhang struk­turi­ert. Zuerst führt uns Franz-Josef Sladeczek ins Wesen des Samm­lers ein, wobei einige Mythisierun­gen noch ste­hen bleiben, sind doch die meis­ten Samm­ler – vielle­icht die ganz grossen und ver­mö­gend­sten aus­geschlossen – rel­a­tiv nor­male Mit­bürg­er. Doch etwas Enig­ma­tis­ches haben sie wohl tat­säch­lich: Wie kann man sich bloss mit solch­er Lei­den­schaft und teils unter finanziellen Schwierigkeit­en eine Samm­lung aneignen? Samm­ler scheinen Aben­teur­er zu sein, eine Art Jäger des ver­lore­nen Schatzes und nicht ein­fach nur Kun­st­ge­niess­er. Zu Worte kom­men beispiel­sweise Jean Paul Bar­bi­er, Chris­t­ian Boros, Har­ald Fal­ck­en­berg, Ingvild Goetz, Thomas Olbricht, Rik Reink­ing, Angela Rosen­gart, Uli Sigg, Julia Stoschek und andere. Angela Rosen­gart grün­dete Anfang der 1990er Jahre eine Stiftung, in der sie ihre Samm­lung unter­brachte. 2003 eröffnete die Samm­lung Rosen­gart in einem ehe­ma­li­gen Bankge­bäude in Luzern. Damit sorgte sie dafür, dass auch nach ihrem Ableben für die Samm­lung gesorgt ist. Der wohl wichtig­ste Samm­ler chi­ne­sis­ch­er Kun­st der Gegen­wart, Uli Sigg, über­gab einen Teil – über 1000 Werke – sein­er Samm­lung an das Muse­um M+ in Hongkong. Mit viel Ken­nt­nis und ein­er Vielzahl an Beispie­len bringt uns Sladeczek Samm­ler und das Sam­meln näher.

Das näch­ste Kapi­tel ist dem «Entsam­meln» gewid­met, all dem, wie man mit der Samm­lung umge­ht, sei es zuerst als Samm­ler und schliesslich als Erbe. Den Samm­ler sieht Sladeczek als Kura­tor. Er ist nicht ein­fach jemand, der Schätze ansam­melt, son­dern jemand, der diese Schätze betreut, das heisst er archiviert, ver­lei­ht und stiftet. Für die Erben gel­ten die soge­nan­nten fünf Säulen: Sich­ern, Sicht­en, Erfassen, Bew­erten und schliesslich Ver­w­erten. Tipps für diejeni­gen, die nicht wis­sen, an wen man sich etwa zur Bew­er­tung ein­er Samm­lung oder eines Werkes wen­det, sind miteingeschlossen.

Ein juris­tis­ch­er Teil fol­gt als Abschluss und ist nicht etwa eine Aufrei­hung von Para­graphen, son­dern hier bietet San­dra Syko­ra gut ver­ständlich eine Ein­führung in die wichtig­sten juris­tis­chen Fra­gen zum The­ma. Ange­fan­gen bei eini­gen Begrif­f­en über Erläuterun­gen zum prak­tis­chen Umgang mit rechtlichen Fra­gen bei Vererbung, Schenkung oder Verkauf von Samm­lungsgut bis zu Fra­gen, die nach dem Erb­fall auftreten, oder Steuer­fra­gen.

Die Autoren bieten einen gelun­genen Leit­faden zu allen Belan­gen des Sam­melns. Ob die Spezies Samm­ler jedoch zu einem Buch greift, um die Samm­lung zu ver­wal­ten, sei angezweifelt. Vielle­icht sind es eher die Klein­samm­ler, die einige Fra­gen beant­wortet haben wollen. Ein gross­es Plus sind die vielfälti­gen prak­tis­chen Beispiele und Zitate von «Betrof­fe­nen», die das The­ma weniger abstrakt erscheinen lassen und mit Leben füllen.


 

Franz-Josef Sladeczek, San­dra Syko­ra: After Col­lect­ing. Leit­faden für den Kun­st­nach­lass.
2013, Rüfer & Rub, 389 Seit­en, ca. CHF 44.00.

 

Pub­liziert: ensuite Nr. 140,  August 2014

Artikel online veröffentlicht: 1. August 2014 – aktualisiert am 12. März 2024