Verlogene Medien, stinkendes Gold

Von Lukas Vogel­sang - Die let­zte Aus­gabe von Men­schen und Medi­en hat ein paar Blog­ger zum Kochen gebracht und ein paar beken­nende Schul­terk­lopfer aus dem Ver­steck geholt. Deswe­gen wer­den sie, liebe LeserIn­nen, aber jet­zt kein Bild von mir in der Zeitung find­en. Nicht so wie von Michèle Rothen, welche urplöt­zlich als Hype in der Presse emporge­hoben wird und mit zur Zeitung über­pro­por­tionalen Bildern auf uns run­ter­lächelt, nur weil sie jet­zt mit ihrem Buch auf Tournee ist. Ihre Texte sind deswe­gen nicht bess­er gewor­den, die Leere bleibt — aber davon ver­ste­he ich wahrschein­lich eben nichts, ich schreibe ja nicht bei Tame­dia.

Es ist mir öfters aufge­fall­en, wie Jour­nal­istIn­nen ihre «Lieblinge» hypen. Damit meine ich nicht nur den Roger Köp­pel mit seinem SVP-Parteiblatt «Welt­woche» — das ist mir jet­zt auch zu bil­lig. Doch kommt es viel vor, dass Jour­nal­istIn­nen ihre Beruf­skol­legIn­nen, sobald diese sich kul­turellen Tätigkeit­en wid­men oder Büch­er schreiben, mit grossen Artikeln unter­stützen. Das will jet­zt nur heis­sen, dass ich den Jour­nal­istIn­nen unter­stellen will, keine ser­iöse Selek­tion ihrer Berichter­stat­tung zu machen und dass es ohne Vit­a­min B viel schwieriger ist, berühmt zu wer­den. Alte Weisheit.

Dafür müssen wir aus den Gew­erkschaft­szeitun­gen vernehmen, dass Ringi­er 51%, Tame­dia 45%, die NZZ 8% und Edi­presse 7% Gewinnsteigerung im let­zten Jahr verze­ich­nen kön­nen. Über die let­zten drei Jahre sehen die Zahlen noch viel schlim­mer aus: Ringi­er verze­ich­net jährlich Reko­rdgewinne, die Tame­dia hat sich um 79% im Reingewinn gesteigert, die «NZZ» ver­dop­pelte diesen in drei Jahren — nur die Edi­presse stand schon bess­er da, ist aber wieder im gewin­nen­den Aufwind. Das sind Nachricht­en, die im Ver­hält­nis zum Gejam­mere erstaunen. Wir erin­nern uns auch an die Sit­u­a­tion in Bern, wo die «Bern­er Zeitung» und «Der Bund» mehr Stellen abbauen, statt intel­li­gen­ten Recherchejour­nal­is­mus anzu­bi­eten. Haupt­sache bil­lig mit fet­tem Gewinn.

Trotz­dem sind diese Gewinn­zahlen der Ver­lage beachtlich — mal egal, auf welche Kosten sie gehen. Und im Kon­text zu den oben­ge­nan­nten jour­nal­is­tis­chen Qual­itäten erhal­ten wir unge­fähr ein Ver­ständ­nis dafür, was zum Beispiel die Wirtschaftjour­nal­istIn­nen von Zahlen ver­ste­hen. Ich meine, die wären ja die ersten, welche das jäm­mer­liche Wehlei­den der Ver­lage in den let­zten Jahren richtig inter­pretieren oder uns mit sat­ten Kom­mentaren und richti­gen Fak­ten hät­ten belehren müssen. Doch der jüng­ste Fall hat mich fast umge­hauen: Da berichteten die Zeitun­gen am 21. Mai 2008 über den Befreiungsver­such der UBS, 15 Mil­liar­den aus ihrer Bilanz her­auszuoperieren. Der Trick ist gigan­tisch: Die UBS zieht sich, wie einst der Baron von Münch­hausen, an den eige­nen Haaren aus dem Sumpf. Sie verkauft «Prob­lem­po­si­tio­nen» im Wert von 15 Mil­liar­den Dol­lar (denken sie kurz über diese Zahl nach), an die Wirtschaftsin­ten­sivs­ta­tion «Black Rock», welche wiederum von der­sel­ben UBS einen Kred­it von 11,25 Mil­liar­den Dol­lar erhält. Es sind keine Rück­zahlungsmodal­itäten auszu­machen, aber schon am näch­sten Tag kommt die fro­he Botschaft, dass jet­zt für die zweite Kap­i­ta­lauf­s­tock­ung wieder UBS-Aktien gekauft wer­den kön­nen: 760 Mil­lio­nen Aktien zu 21 Franken je Titel mit einem erhofften Brut­to­er­lös von 15,97 Mil­liar­den Franken… Warum wird hier eigentlich nie­mand ver­haftet? Keine Zeitung ging auf dieses The­ma ein. Das ist eigentlich schon nicht mehr krim­inell, das ist Welt­be­trug.

Und in der Presse lesen wir nichts weit­er als nichtssagende Geschicht­en von Michèle Rothen, welche sich vor dem neu­ro­tis­chen Hotelkoloss Dold­er mit ein­er Ves­pa ablicht­en lässt und so tut, als wäre sie wichtiger. Mir stinkt’s.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, Juni 2008

Artikel online veröffentlicht: 24. Oktober 2017 – aktualisiert am 13. Januar 2019