Kulturpresseschau: Die Dramen des Kulturbetriebs

Das deutschsprachige Feuil­leton beschäftige sich nur noch mit den Dra­men des Kul­turbe­triebs, aber nicht mehr mit der Kun­st an sich, moniert Alex Brügge­mann im «Fre­itag». Als Beispiel dient ihm der Fall Suhrkamp und dessen end­los­es Hin und Her, das von den Kul­tur­jour­nal­is­ten gerne aufgenom­men wird. Es stimmt ja: Nicht erst seit den jüng­sten juris­tis­chen und betrieb­swirtschaftlichen Auseinan­der­set­zun­gen um den Ver­lag liest man mehr über interne Quere­len und Nach­folgestre­it­igkeit­en als über die intellek­tuellen und kün­st­lerischen Leis­tun­gen der Autoren. Für die sieht der Jour­nal­ist nur eine Möglichkeit: «Um im Feuil­leton anzukom­men, set­zen Kul­turschaf­fende nicht mehr auf die Kraft der Worte, der Musik oder der Bilder – sie müssen sich selb­st als Dra­ma insze­nieren.»

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Trotz einiger schlechter Erfahrun­gen mit Kri­tik hat Geiger Daniel Hope die Hoff­nung noch nicht ganz ver­loren, dies gemäss seinen Aus­sagen in «Cicero». Er habe immer wieder von guten Kri­tiken prof­i­tiert, obwohl diese lei­der die Aus­nahme gewor­den seien. Doch hat er auch Mitleid mit seinen Rezensen­ten: «Und mit dem Inter­net-Blog­ging scheint der Sofa-Kri­tik­er endgültig etabliert zu sein. Jet­zt muss sich der Rezensent sog­ar vor der ganzen Welt vertei­di­gen: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sel­ber im Netz beurteilt wird. Die Spiel­regeln ändern sich.»

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Mit dem Kun­stkri­tik­er set­zt sich Fritz Bil­leter, ehe­ma­liger Kul­turredak­tor des «Tages-Anzeigers», auseinan­der. In seinem – online lei­der nicht ver­füg­baren – Text in «Das Mag­a­zin» (Aus­gabe 23/2013) meint er, der Kri­tik­er sei zum Diener verkom­men. Die meis­ten wür­den lieber neu­tral bleiben, was fatal sei: «Diese Vor­sicht, kein Risiko eines Urteils auf sich zu nehmen, ver­di­ent nicht, als Kun­stkri­tik beze­ich­net zu wer­den.» Allerd­ings sieht er die Kun­stkri­tik­er momen­tan in ein­er schwieri­gen Lage: Unter dem Ein­fluss von post­mod­ernem «every­thing goes» und den neuen Tech­niken des dig­i­tal­en Zeital­ters sei ein «neues kün­st­lerisches Par­a­dig­ma» – und damit die Möglichkeit zu ein­er grif­fi­gen Beurteilung – erst in Entste­hung begrif­f­en.

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Die Sprache des Kun­st­be­triebes macht es den darüber Berich­t­en­den auch wirk­lich nicht ein­fach, wie die Kri­tik des «Inter­na­tion­al Art Eng­lish» (kurz «IAE») von Alix Rule und David Levine zeigt (auf deutsch in der let­zten Aus­gabe des «Merkur» erschienen, online nicht ver­füg­bar). Sie kon­sta­tieren im «Revi­er der Kura­toren», wie eine Besprechung der Venedi­ger Bien­nale über­schrieben ist, eine immer noch von Lacan, Fou­cault & Co. geprägte Sprache, die eigentlich nie­mand so richtig ver­ste­ht. Ob das nun ein niv­el­lieren­der Duk­tus von Nicht-Mut­ter­sprach­lern ist oder doch eher die Werbe­sprache des glob­al­isierten Kun­st­mark­tes, bleibt unklar, wie auch Peter Richter in der «Süd­deutschen Zeitung» kom­men­tiert. Das renom­mierte Kun­st­magazin «Frieze» will etwas dage­gen tun und sucht mit dem «Frieze Writer’s Prize» neue Tal­ente im Bere­ich der Kun­stkri­tik.

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Die tech­nis­chen Grund­la­gen von Lit­er­atur und Kun­st waren eines der Haupt­the­men des vor zwei Jahren ver­stor­be­nen Friedrich Kit­tler – der Suhrkamp-Ver­lag bringt ger­ade eine neue Samm­lung mit den wichtig­sten Tex­ten des Medi­en­the­o­retik­ers her­aus. Dazu passt dieser Text auf Net­zw­er­tig über Word­Press – das auch Kulturkritik.ch antreibt – aus Anlass des 10. Geburt­stages des Blog-Anbi­eters: «Die Bedeu­tung von Word­Press für die Medi­en­land­schaft ist nicht zu unter­schätzen. Das Sys­tem hat vie­len einzel­nen Blog­gern oder ganzen Unternehmen in den ver­gan­genen zehn Jahren die Möglichkeit gegeben, dynamis­chen Con­tent so ein­fach wie nie zu veröf­fentlichen und ihn zu mon­e­tarisieren. Auch inhaltlich haben Word­Press-Blogs auf den Jounal­is­mus eingewirkt.»

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Haben Sie diesen Text zu Ende gele­sen? Damit gehören Sie  zu ein­er Min­der­heit, denn ziem­lich viele Online-Texte wer­den erwiesen­er­massen nicht bis zum Schluss gele­sen. Warum das so ist, und warum es sich meis­tens lohnt durchzuhal­ten, erk­lärt Farhad Man­joo auf Slate.com.

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Artikel online veröffentlicht: 25. Juni 2013 – aktualisiert am 17. März 2019