A Weng

Nein, der Titel ist nicht chi­ne­sisch. Er kommt aus dem Land wo «Hosen Hosen haassen, und Hasen Hosen». Aller klar? Hof­fentlich nicht. A weng Unklarheit ist näm­lich das Geheim­rezept der Kabaret­tistin Mia Pit­troff. Sie ist zwar eine Sprechkün­st­lerin und artikuliert klar wie eine aus­ge­bildete Schaus­pielerin, spielt vir­tu­os mit der Stimme, fügt wirkungsvoll ihre Sprech­pausen ein; unklar bleibt bei ihr jedoch immer, wo der Ernst aufhört und der Witz begin­nt. Oder umgekehrt. Nur schon ihre Klei­dung, genauer ihr Jupe… kommt er aus dem Schickim­ic­ki-Sec­ond-Hand, hat ihn eine dieser besten Fre­undin­nen genäht, oder ist es Mia Ernst mit dem Teil? Sie stellt sich vor das Pub­likum und wirkt wie eine beflis­sene Jun­glehrerin, erk­lärt geduldig, bewegt sich leicht spastisch dazu. Ihre Mut­ter habe die Chore­o­gra­phie ent­wor­fen, sagt sie entschuldigend.

Katzen­hafter Humor

Mia Pit­troff ist eine wohler­zo­gene junge Dame. Man getraut sich gar nicht so zu lachen. Man fühlt sich gedrängt, die Lach­er zu unter­drück­en, als wären es…., so dass sie zwis­chen­durch umso lauter und pein­lich­er aus den Kehlen her­aus wiehern. Schw­er zu erk­lären warum. Mia wird nie vul­gär, aber a weng schon. Sie ist sel­ten boshaft, aber a weng schon. Sie ist nicht pietät­los, aber a weng schon. Ele­gant schleift sie über Messers Schnei­de zwis­chen bil­lig und bieder, zwis­chen dreck­ig und ster­il. Sie hat Samtp­foten mit Krallen. Dies ver­lei­ht ihrem Auftritt eine durchge­hende Span­nung. Dabei behält Mia stets ihre Konzen­tra­tion und Kraft, und wirkt, als sei ein solch­es Büh­nen­pro­gramm so leicht zu durch­laufen wie ein Plaud­er­stünd­chen.

Erst mit der Zeit wird klar, was Mia Pit­troff von vie­len ihrer Beruf­skol­le­gen unter­schei­det. Sie erheit­ert, ohne irgendwelche notorisch bekan­nte Pin­sel zu par­o­dieren, ohne Fax­en zu schnei­den, ohne Witze vom Led­er zu reis­sen. Sie plaud­ert mit dem Pub­likum, erzählt, ver­wen­det kleine Run­ning Gags (die Mut­ter!), über­rascht mit ihrer Mimik und singt wun­der­schön: Lieder mit komis­chem Text, Lieder, die den Schlager auf die Schippe nehmen, Lieder zum mitsin­gen. Ja, man glaubt es nicht, das Pub­likum steigt voll darauf ein! Sie singt auch in Anlehnung an Mar­lene Diet­rich «I brauch a richti­ga Maa!», doch mit der Tren­nung, die ihr bevorste­ht, ist nur die Entsorgung des Lam­i­nats in ihrer Woh­nung gemeint.

Pointen mit Zeitzün­der

Um die Katze doch aus dem Sack zu lassen: Mia (hochdeutsch Wir) spricht Fränkisch. Das ist nicht Herz erbrechend scheus­slich Säch­sisch, auch nicht bäuerisch Bayrisch, klingt aber in vie­len Ohren ganz, ganz hin­ter­wäld­lerisch. Dabei lebt Mia, wie sie sagt, längst schon in Berlin. Auch dieser Kon­trast wird spür­bar im Pro­gramm, und die Vorstel­lung, dass sie mit ihrem Zun­gen­schlag in einem Berlin­er Trend­café ihren «Lat­te» bestellt, löst einen dieser Lach­er aus, die unkon­trol­liert aus einem her­aus­brechen. Dabei has­st Mia ja den besagten Milchkaf­fee, oder wenig­stens Män­ner, die Milchkaf­fee trinken, und über­haupt alle diese eben noch ange­sagten Dinge. Ganz trendig auf Antitrend machend, schnödet sie über face­book, i‑phone, eingedeutscht­es Glob­al Eng­lish, junge Leute mit Son­nen­brillen und damit über den lieben Zeit­geist.

Dies alles geschieht mit Pointen, die sich leise ein­schle­ichen. So merkt man eigentlich erst nach der Vorstel­lung zu Hause, dass man sich sel­ten so amüsiert hat wie bei Mia Pit­troffs Pro­gramm «Mein Lam­i­nat, die Sabine und ich». Der Kabaret­tistin gelingt etwas Seltenes und Wun­der­bares. Während man sich bei den meis­ten Kabarett-Stück­en immer a weng der plumpen Witze schämt, über die man eben noch gelacht hat, erlaubt es Mia dem Zuschauer, sein Gesicht zu wahren.

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Artikel online veröffentlicht: 25. Mai 2013 – aktualisiert am 17. März 2019