Von Regula Staempfli - Pünktlich zum 100jährigen Bauhaus-Jubiläum präsentiert Theresia Enzensberger einen Roman, der in Weimar und Dachau spielt und von der Emanzipation einer talentierten Frau handelt. Die historisch verbürgte Brutstätte der Moderne in der Weimarer Republik der 1920er Jahre muss in diesem Roman hinhalten für die Selbstsuche einer jungen Autorin, die zwar einiges weiss, aber die Fallstricke einer Historisierung der Gegenwart überhaupt nicht kennt. Enzensberger (ja, sie ist es, falls sie beim Namen aufhorchen) erfindet eine Frauenfigur in einer Zeit, die durch demokratischen und experimentellen Aufbruch gekennzeichnet war. Im Rückblick wohl die einzigen paar Jahre, in denen Deutschland sich nicht an Autoritäten, sondern am Leben versuchte. Diese wenigen Jahre, die durch den Abgrund der darauffolgenden Diktaturen, Altnazi-Neudemokraten-Jahrzehnte durch Verklärung, Projektion und viel Falschheit glänzen. Die 1920er Jahre sind eh hip: So versucht sich in diesen Tagen Tom Tykwer an “Babylon Berlin”, dessen Vorfilme punkto Frauenfiguren eher an “Game of Thrones” denn an die freien Künstlerinnen, die Mann, Rock, Kinder und Haare wegwarfen, um, ganz kurz nur, frei zu sein. Nicht nur einfach jung, sondern wahrhaftig Menschmann, Fraumensch, Mannfrau auszuprobieren.
Die Hauptfigur Luise ist beruflich top, emotional ein Flop. Luise ist derart konventionell, dass es einem graust. Ihre selbstbewussten Vorstellungen eines Liebeslebens scheitern an ihrem völlig bünzlig-kleinbürgerlich-literarischenBlick. Das ästhetische Wagnis, das vor allem durch die Frauen im Bauhaus mitgeprägt war, verkommt in einer Kleinmädchenstudie über mächtige Männer und in einem Schüleraufsatz zu Architekturbeschreibung. Es ist grossartig, dass Therese Enzensberger sich dem Thema Frau und Bauhaus annimmt, es ist betörend, dass sie dies literarisch versucht, es ist verstörend, wie banal das Ergebnis ist.
“Blaupause” ist ein Backfisch-Roman für die heutige bürgerliche junge Frau. Eine solche Figur ins Bauhaus der 1920er Jahre zu versetzen ist eine Frechheit. Unerträglicher Emanzipations-Kitsch noch und noch. Diese empörungsgenerierende Diskurs-Muffins der sich selber völlig überschätzenden jugendlichen Weiblichkeit nervt gewaltig. Vor allem weil sie ausgerechnet in die Aufbruchstimmung der 1920er Jahre zurückprojiziert wird.
Verstörend ist es auch, die Autorin auf dem blauen Sofa reden zu hören und nach einigen Minuten zu realisieren: Da ist nichts. Nichts. Ausser ein völlig unbegründetes Selbstbewusstsein. Es gibt keine Reflektion, keine Brüche, keine Nachdenklichkeit. Einfach nichts. Gähnende Leere. Der Moderator Daniel Fiedler kapituliert deshalb auch bald. Er versucht es mit einem Gespräch über ein Magazin der Autorin, er versucht es ein bisschen mit ihrem Vater, er versucht es mit anderen Tricks und das Resultat ist wieder und wieder: Nichts. Zum Schluss lässt er die Autorin, da die Zeit ja gefüllt werden muss, die ersten Seiten ihres Buches vorlesen. Womit dann wirklich auch alles gesagt ist.
Blaupause, Hanser Verlag, München 2017