Menschen & Medien: Hoffnung auf eine Ende

Von Lukas Vogel­sang - Der Medi­en­mogul Rupert Mur­doch hat die Nase voll von Gratis­in­hal­ten oder, wie er meint, von «kosten­freiem Qual­ität­sjour­nal­is­mus». Er zielt damit gegen die Gratis-News­portale, auch gegen seine eige­nen, die im Netz über­all ihren jour­nal­is­tis­chen Müll deponieren. Mur­doch hat mit dem «Wall Street Jour­nal» oder über­haupt mit dem Dow-Jones-Konz­ern ein empfind­lich­es Schnäp­pchen gemacht. Das war vor cir­ca zwei Jahren. Da war er ein Held und prophezeite, dass Medi­en­seit­en kosten­los und nur über Wer­bung finanziert wer­den soll­ten. Anders jet­zt: «Qual­ität­sjour­nal­is­mus ist nicht bil­lig», meint er und will noch in diesem Jahr die Kostenpflicht auf seinen Medi­en­seit­en ein­führen.

Das ist zum einen ein ehrlich­es State­ment, dass der Inter­net-Markt über­be­w­ertet wurde und jet­zt die wirk­lichen Zahlen eine Real­ität zeigen, die nicht befriedigt. Ander­er­seits wird damit ein Grund­stein geset­zt, welch­er «qual­i­ta­tiv­en» und «quan­ti­ta­tiv­en» Inhalt tren­nen wird – ein Trend, der sich ja im Print bere­its übel zeigt. Print und Inter­net sind sich da gle­ich. Im Klar­text heisst das: Die fast über­all rück­läu­fi­gen Abon­nen­ten sollen Zugang zu Online-Inhal­ten erhal­ten (die meis­tens nur par­al­lel zum Print­pro­dukt geführt wer­den), und diese Ver­dop­pelung von Inhalt – meist mit zusät­zlichen Abo-Kosten ver­bun­den — als Kun­denser­vice goutieren. Der Nicht-Abon­nent wird abge­spiesen mit noch kürz­eren Kurz­nachricht­en (wahrschein­lich à la Twit­ter), damit das Stammtis­chge­spräch noch unsach­lich­er geführt wer­den kann.

Es kann nicht funk­tion­ieren: «20 Minuten» hat uns vorgelebt, dass, wenn wir Kurz­nachricht­en gratis erhal­ten, diese dem nor­malen Leser genü­gen. Die News sind ein Enter­tain­ment-Pro­dukt gewor­den – durch die Zeitungsver­lage sel­ber gener­iert. Mehr Inhalt oder mehr Unter­hal­tung sind nicht gefragt. Dazu wird im Jet­zt-Zus­tand die Möglichkeit erschw­ert, Geld ver­lan­gen zu kön­nen, da wir bere­its alles gratis erhal­ten. Es wäre etwa so, als wenn wir «20 Minuten» am Kiosk kaufen wür­den. Hinzu kommt: Es wird immer jeman­den geben, der den Fut­ter­napf füllen wird – im Inter­net­zeital­ter ist das ja eben ger­ade das Übel. Inter­net ist unkon­trol­lier­bar, oder bess­er: Keine Macht kann das Netz beherrschen (mit weni­gen Aus­nah­men, zum Beispiel Google oder die Chi­ne­sen…).

Eine Branche, die ihre Inhalte ein­fach weggebe, kan­ni­bal­isiere ihre Fähigkeit zu gutem Jour­nal­is­mus, meinte Mur­doch an ein­er Kon­ferenz. «Der tumul­tar­tige und beispiel­lose Wan­del im gesamten Medi­en­bere­ich und bei den Zeitun­gen und Sendern kann nicht ignori­ert wer­den.» Da gebe ich ihm gerne Recht.

Weltweit brüten die Unternehmer über dieses Prob­lem. Die Zeitungsver­lage meinen, dass sie mit dem Inter­net mithal­ten müssten und möcht­en sich dynamisch zeigen. Doch statt wenig­stens ein Pro­dukt gut zu machen, verzetteln sich die Print-Jour­nal­is­ten im Inter­netd­schun­gel und die Online-Redak­toren möcht­en eigentlich für den Print schreiben. Zurück bleibt ein Mul­ti­me­di­a­berg, noch mit Video­ma­te­r­i­al von Prov­inzsendern erweit­ert, der noch kräftig geschüt­telt wer­den müsste. Doch der Cock­tail ist bere­its jet­zt nicht wirk­lich süf­fig. Diese Nachricht schmeckt bit­ter.

Bezahlte Inhalte auf dem Inter­net einzuführen, mutet wie das Abrüs­tung­spro­gramm der Kriegsmächte an. Wer begin­nt zuerst? Wenn Mur­doch in diesem Jahr begin­nen will, wird er es teuer bezahlen müssen. Zudem entste­ht in der Tat eine frag­würdi­ge Rolle der Funk­tion eines Jour­nal­is­ten: Informiert er jet­zt die A- oder die B‑Kunden? Erhält der B‑Kunde ein­fach unge­nauere Nachricht­en, weil ja die Qual­ität getren­nt wer­den soll? Und wieder die blöde Frage: Was ist denn Qual­ität im Jour­nal­is­mus? Der Schreib­stil oder der Inhalt, die Recherche? Und sollen ein­fach 80 Prozent der Men­schheit ohne A‑Informationen leben? Was gratis ist, ist nichts Wert – das hat einen grossen Vorteil: Wir sparen in Zukun­ft täglich «20 Minuten»…

 

Car­toon: www​.fauser​.ch
ensuite, Sep­tem­ber 2009

Artikel online veröffentlicht: 8. September 2018