Von Lukas Vogelsang — Politiker, vor allem der Jungfreisinnige Thomas Berger aus Bern, sind oftmals Schafe im Tigerlook. Viel Geblök, viele Krallen, aber so zahm, dass niemand Angst vor ihnen haben muss. Der Jungfreisinnige Thomas Berger wollte also die Berner Kunsthalle an den Eintrittssubventionen messen – ausgerechnet mit der Rechnung, welche die eher kulturaffine Zeitung «Der Bund» publizierte. Diese Zahlenverhältnisse rechtfertigen für Berger den Subventionsbrocken der Stadt Bern nicht. Berger profitierte von einem medialen Aufschrei, die Kunstszene stand unter Schock, und die Kunsthalle verzeichnet tatsächlich pro Jahr nur ca. 9’000 BesucherInnen. Der Direktor der Kunsthalle konterte darauf mit der Forderung nach noch mehr Geld. Das ist gute Inszenierung. Unbeteiligte und Beteiligte greifen sich an die Stirn. Und geschehen ist nichts.
Die Logik, mit welcher politisiert wird, ist oft nicht nachvollziehbar. Beispielsweise: Man möchte in Bern das Zentrum Paul Klee am liebsten einsparen, weil es «zu teuer sei». Es wird argumentiert mit mehr Eigenfinanzierung, etc… Nun, wer sich einmal die Zeit nimmt und die Situation und Zahlen auf dem Platz Bern zusammenstellt, bemerkt, dass das Zentrum Paul Klee vier Mal mehr BesucherInnen verzeichnet als beispielsweise das Stadttheater Bern – welches umgekehrt dafür wiederum 5.7 Mal mehr Subventionsgeld verschlingt. Trotzdem wird im Stadtrat über mehrere Stunden überlegt, ob man das Stadttheater überhaupt sanieren will. Im Anbetracht des Geldes eine scheinheilige Debatte. Das Berner Kunstmuseum wiederum muss jetzt aus genau diesen verworrenen politischen Denkprozessen mit dem Zentrum Paul Klee zusammenarbeiten. Aber niemand erwähnt, dass das Kunstmuseum ca. 3.5 Mal weniger BesucherInnen als das ZPK aufweisen kann. Wer also profitiert von wem?
Ich frage mich, warum nur bei der Kunsthalle diese Eintritts-Rechnung gemacht wird. Die Dampfzentrale ist nicht unweit von einem ähnlichen Subventionsverhältnis entfernt. Oder eben anders rum: Werden jene, die gute Eintrittszahlen verzeichnen, nun besser belohnt? Nein. Bei der Reitschule wird diese Rechnung ja nicht gemacht, obwohl sie im Subventionsverhältnis wohl am meisten BesucherInnen in Bern aufweist. Überhaupt gibt es kaum eine anständige Zahlenzusammenstellung. Keine politische Partei hat sich bisher die Mühe gemacht, Kulturzahlen transparent aufzulisten. Von der Abteilung Kulturelles erwarte ich das schon gar nicht mehr. Lustig ist dabei noch, dass selbst in Abstimmungsunterlagen falsche Zahlen auftauchen. Und niemand wagt zu fragen, wie denn die Zahlen erhoben werden. Ein Chaos also.
Der Verein bekult, der Dachverband Berner KulturveranstalterInnen, kontert dazu: «Die Subventionshöhe pro Kopf ist der falsche Massstab, um den Wert einer Kulturinstitution zu bemessen.» Nun, wir reden ja nicht über den Wert, sondern die Kostenverhältnisse einer Institution – ich persönlich finde, da besteht ein grundlegender Unterschied. Wenn wir über den «Wert» diskutieren würden, wären wir ja bei einer inhaltlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Und genau diese findet nicht statt. Hier zeigt es sich, dass den Begriffen, den Zahlen und dem Verständnis, was Kultur ist, keine einheitliche Basis zugrunde liegt. Und weil die Kulturszenen nicht fähig sind, diese Begriffe zu definieren, zerfleischen sie sich selber unter einander. Die Politik hilft tatkräftig mit.
Das Vertrauen in die Politik gewinnen wir vor allem aus der Erkenntnis, dass sie mit schlechten Argumenten spielt und nichts verändert. Wir, das Volk, amüsieren uns also, wenn die Politik wieder in ihren Arenen die Gladiatorenkämpfe durchführt – oder langweilen uns, weil die Soap immer gleich schlecht daherkommt. Wir wissen: Blut und Sex ist dabei nie zu sehen. Vielleicht müsste man mal das Drehbuch neu schreiben.
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2013