Von Luca D’Alessandro — Die Organisatoren des BeJazz Winterfestivals blicken auf eine runde Erfolgsgeschichte zurück: Vom 20. bis 23. Januar begiessen sie in den Vidmarhallen in Bern-Liebefeld die Durchführung der zehnten Ausgabe einer Veranstaltung, die seit ihrer Gründung den Fokus bewusst auf die einheimische Jazzszene richtet. Auf dem Programm stehen aber nicht nur Jazzer, sondern auch Künstler aus den Sparten Elektronik und Tanz. Programmleiter Fabio Baechtold erklärt warum:
Fabio Baechtold, das BeJazz Winterfestival bietet weitaus mehr als nur Jazz. Ist der Name nicht verfehlt?
Überhaupt nicht. Ich stelle die Frage zurück: Was kann als Jazz bezeichnet werden und was nicht? Es gibt so viele Stile, die sich gegenseitig beeinflussen und befruchten. Zahlreiche Schweizer Musiker sind in ausserordentlich spannenden Projekten involviert, so dass eine Eingrenzung fahrlässig wäre und aus meiner Sicht auch keinen Sinn machen würde.
Das Konzept des Winterfestivals wurde in den zehn Jahren des Bestehens bewusst offen gehalten.
Ja, seit der Gründung des Winterfestivals ist es uns ein Anliegen, auch Leute anzusprechen, die sonst nicht zu uns in den BeJazz Club in die Vidmarhallen kommen. Damit das auch klappt, müssen wir über die «klassische» Grenze des Jazz hinausgehen. Unser Programm besteht also einerseits aus zeitgenössischem Jazz, andererseits beinhaltet es Exkurse in Gebiete, die man an einem typischen Jazzfestival nicht erwarten würde. Ein Beispiel: Am zweiten Festivalabend, am 21. Januar, spielt bei der Performance «Shanghai Patterns» von Ania Losinger & Mats Eser neben der Musik auch der Tanz eine grosse Rolle. Das Visuelle erhält neu einen hohen Stellenwert.
Leute, die Jazz im klassischen Stil erwarten, könnten enttäuscht werden.
Ich denke nicht, dass die Besucherinnen und Besucher des Festivals ausschliesslich Jazzstandards oder Bebop erwarten. Sie verfügen über eine gewisse Offenheit gegenüber jenen Strömungen, die den gegenwärtigen Jazz ausmachen. So kann unser Programm auch Leute ansprechen, die für gewöhnlich mit Jazz nicht viel am Hut haben.
Wie sprecht ihr diese Leute an?
Mittels Medienpartnerschaften und Inseraten in der Fach- und Tagespresse. Darüber hinaus vergeben wir Schülern und Lehrkräften an Gymnasien und Jazzschulen verbilligte Eintritte, damit sie unser Angebot ausprobieren können. Das Festival hat sich aber vor allem auch über die Bands und Gruppen einen Namen gemacht: Man darf nicht vergessen, dass jede Band eine eigene Fangemeinde im Schlepptau hat, die ans Festival kommt, einen Eindruck gewinnt und diesen wieder nach aussen trägt. Diese Mund-zu-Mund-Propaganda hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg einer Veranstaltung.
Der Erfolg des Winterfestivals hängt also nicht von einem gut betuchten Publikum ab, wie es an anderen Veranstaltungen oft angetroffen wird.
Nach Schaffhausen sind wir das zweitwichtigste Festival für den Schweizer Jazz. Wir vermögen keine Sternenamen wie Herbie Hancock oder Al Di Meola auf die Bühne zu stellen, die ein Publikum anziehen, das auf Glamour ausgerichtet ist… Wir wollen das auch nicht.
Auch nicht in Zukunft? Die Festivalreihe ist vor zehn Jahren gut gestartet und erfreut sich seither grosser Beliebtheit…
Es ist nicht zu erwarten, dass wir unser Konzept ändern. Natürlich, wenn es sich anbietet und die Gage in einem vernünftigen Rahmen bleibt, sind wir auch offen für einen grossen Namen. Dieses Jahr etwa ist es uns geglückt, mit Gregoire Maret einen Schweizer Musiker fürs Festival zu verpflichten, der mit vielen ganz Grossen gespielt hat und in den letzten Jahren Mitglied der Bands von Pat Metheny und Herbie Hancock war. Aber die Regel ist, dass wir den Schweizern, insbesondere den Berner Musikern verpflichtet bleiben. Damit haben wir auch überhaupt kein Problem – auf dem heimischen Musikmarkt ist nämlich mehr als genug Potenzial vorhanden.
Das belegt unter anderem das Amygdala-Project: Eine gruppe junger Musiker aus Bern, die bei euch ihre CD taufen wird.
Ja, es war uns immer ein Anliegen, auch jungen Musikerinnen und Musikern die Plattform des Festivals zu bieten, wenn wir von ihrem Schaffen und weiteren Potential überzeugt sind. Nicht selten kommt es vor, dass Jungmusiker nach ihrem Auftritt bei uns in der Musikszene den Durchbruch schaffen und zum Beispiel auch von der Jazzförderung Pro Helvetia unterstützt werden.
Interessant sind auch die grossen Bandformationen: Kaspar Ewalds Exorbitantes Kabinett umfasst fünfzehn Musiker.
Und Kaspar ist nicht der erste. Gleich am ersten Festival 2001 hatten wir eine Bigband mit zwanzig Leuten auf der Bühne, 2008 sogar eine mit 34!
Gewaltig…
Damals spielte das Swiss Jazz Orchestra gemeinsam mit der Camerata Bern und dem Flügelhornisten Markus Stockhausen. Schon nur wegen des finanziellen Aufwands sind solche Aufgebote ausschliesslich an einem Festival möglich, denn in diesem Rahmen haben wir die Mittel, all die Leute auch zu bezahlen.
Ein derartiges Aufgebot stellt eine gewisse Herausforderung an die Logistik.
Durchaus. Als wir in den ersten Jahren das Winterfestival in der Berner Dampfzentrale durchführten, hatten wir kaum Probleme, die dafür notwendigen Instrumente und technischen Hilfsmittel herbeizuschaffen und einzurichten. Später, als wir das Festival ins Uptown auf dem Gurten verlegten, stiessen wir an gewisse Grenzen. Im Winter ist es bei Schnee und Eisglätte sozusagen unmöglich, mit einem Lieferwagen über die Strasse auf den Berg hinauf zu kommen. Wir mussten auf die Standseilbahn ausweichen. An unserem jetzigen Standort in den Vidmarhallen stellen sich solche Probleme glücklicherweise nicht mehr, da der Festivalsaal Vidmar:1 des Stadttheaters grosszügig ausgelegt und gut eingerichtet ist.
Neu ist auch das Konzept: Zwei Konzerte plus Late Night Session. Bisher hattet ihr drei Konzerte pro Festivalabend.
Das stimmt, wir mussten jedoch feststellen, dass es wenig Sinn macht. Auch wenn das Angebot gut ist: Ein grosser Teil des Publikums hat nach zwei Konzerten genug. Damit also keine Band vor leeren Rängen spielen muss, haben wir uns entschlossen, pro Abend nur noch zwei Konzerte anzubieten. Den Abschluss macht an zwei Abenden eine Late Night Session in unserem BeJazz Club.
Gibt es einen Act, auf den du besonders stolz bist?
Ach, diese Frage! Als Veranstalter freue ich mich auf alle Musiker, schliesslich habe ich sie auch ausgesucht (lacht). Im Ernst, ich finde unser Gesamtprogramm einfach toll, vom Opening Act mit Joe Haiders Lebenslinien bis zum Schlusskonzert mit Christy Dorans New Bag.
Apropos Joe Haider: Er feiert im Januar seinen 75. Geburtstag.
Ja, und das gleich bei uns am Festival. Der erste Konzertabend ist sozusagen seine Geburtstagsfeier. Sein Geburtstag und unser Jubiläum gehen Hand in Hand… eine wunderbare Konstellation.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2011