Von Lukas Vogelsang - In unserer Welt läuft vieles absurd, kontrovers: Der Mensch erschafft alles Mögliche, um weniger zu denken. Wir kennen alle das Beispiel «Taschenrechner » aus unserer Schulzeit. Im Kopf ein paar Zahlen zusammenzuzählen ist heute für viele wesentlich schwieriger, als einen ganzen Computer zu installieren, der dann für uns die paar Zahlen rechnet.
Mit Google hat der Mensch ein Werkzeug erschaffen, um zu Vergessen. Wir können zwar viele Fragen stellen und erhalten irgendwelche Antworten, doch geht es dabei nur um die Befriedigung einer Neugierde, oder die Erledigung einer Sache, aber die Qualität der Information müsste überprüft werden, und oftmals haben wir gleich wieder vergessen, was Sache war. Entsprechend dient Google nicht der menschlichen Entwicklung, dem Fortschritt. Im Gegenteil.
Die Erinnerung ist heute nichts mehr wert. Darüber müsste man ja nachdenken. Natürlich ist diese Idee falsch, aber das «zeitgenössische» Denken deklariert alles von gestern als «von gestern». Das «Immerneu» hat sich in unseren Köpfen als gut und älteres als schlecht definiert. Genau gleich werden Menschen eingestuft, und damit auch das Wissen und die Erfahrung. «Alt» ist uncool, ist nicht mehr gefragt. Warum das so sein soll, erklären wir aber nicht. Es ist eine komplett dumme gesellschaftliche Programmierung ohne Logik und Sinn – oder dann nur mit dem einen einzigen Ziel: Etwas Neues zu verkaufen. Der «Neu-Wahn» hat also mehr mit Kapitalismus zu tun – nicht mit Intelligenz, Fortschritt, Entwicklung und Verbesserung von Zuständen. Das macht die Position des Denkens schwierig.
Man kann unsere Abneigung dem Denken gegenüber auch so betrachten: Oftmals sind Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit gefällt haben, fehlerhaft gewesen, deswegen funktionierten sie nicht. Das wäre soweit ein natürlicher Lernprozess und ganz normal – doch die Gesellschaft meint, dass Fehler schlecht sind. Man will nicht fehlerhaft sein. Und so liegt alle Hoffnung auf dem Neuen, dem was kommen wird. Allerdings ist das Grundproblem, erst nachzudenken, nicht einfach mit etwas Neuem gelöst. Und durch das Missachten eines natürlichen Lernprozesses, der aus Fehlern lernt, experimentiert und Erfahrungen sammelt, vernachlässigen wir unsere Entwicklung.
Weiter hat das auch ganz einfach damit zu tun, dass wir keine Verantwortung übernehmen wollen. Wer einmal ein Anschlussproblem mit Cablecom hatte, der weiss was ich meine. Wir sind im Zeitalter von synchronisierten Clouds, doch selbst nach zwei Tagen telefonieren, «denkt» bei dieser Firma noch keiner selber und schiebt das Problem auf den nächsten «Techniker ». Und ich meine damit nicht den verständnisvollen Callcenter-Mitarbeiter aus Norddeutschland, der noch nie in der Schweiz war und mein Problem lösen sollte. Wie denn? Es ist Realität: Wir bauen heute unintelligente und anonym-dumme Firmen auf, die sogar noch gesellschaftliche Verantwortung tragen. Ich lästere bei Cablecom immer: «Wenn die NICHT arbeiten, dann funktioniert die Dienstleistung.» Sagt das die Erde über uns Menschen auch?
Man munkelt, dass vor allem «Linke» denken können. Aber das ist ein Gerücht und nicht durchdacht. Denken hat nichts mit Rechts oder Links zu tun – obwohl es wesentlich ist, welche Hirnhälfte wir beanspruchen –, und paradoxerweise läuft gerade dort die Welt verkehrt: Das Kreative wird rechts und das Rationale links gedacht. Ein interessanter Unterschied. Doch ist es egal, welche Erkenntnisse wir daraus ziehen, obwohl oft erwähnt, wird das mehrfach ignoriert.
Und wenn wir schon dabei sind: Humor hat auch viel mit Denken zu tun. Oftmals wird eine Satire nicht als solche erkannt, weil dazu schlicht das Hirn fehlt. Damit meine ich nicht nur fanatische IS-AnhängerInnen oder Pegida-Verblendete, sondern auch JournalistInnen, Kultur- und Kunstschaffende. Die nötige Distanz zu einem
Thema nehmen zu können, um es humorvoll darzustellen, braucht Hirn.
Fazit: Wenn nur dieses Hirn nicht wäre! Ohne Denken wäre die Welt so viel einfacher. Man bräuchte nur wieder eine Keule – die reicht für einen Dialog. Doch, wer sich mit Dingen wirklich auseinandersetzt, reift daran. Darum: Was haben wir in diesem Jahr gelernt? Was können wir an Erkenntnissen mitnehmen und vielleicht im nächsten Jahr besser machen? Was für ein Jahr war das überhaupt? Sind wir bessere, gescheitere, respektvollere Menschen geworden? Und bitte, denkt fünf Minuten länger darüber nach…
Einen fröhlich-besinnlichen Jahresabschluss wünschen wir von der ensuite-Redaktion. Und als Geschenk für alle: Das nächste Jahr wird besser. Wie immer.