Von Lukas Vogelsang — Ein «Hub» ist ein sternförmiger Knotenpunkt in einem Computer-Netzwerk. Dabei geht es darum, verschiedene Computer, und vor allem deren Funktionen und Stärken miteinander zu verbinden. Am diesjährigen «Forum Kultur & Ökonomie», dem «Familientreffen» der schweizerischen Kulturförderung, welches am 17. und 18. März in Bern stattfand, wurden diese «Hubs» und deren Einfluss in der Kultur und Wirtschaft sichtbar. Das eigentliche Thema war allerdings «Liaisons dangereuses, oder: gegenseitige Inspiration? Modell Wirtschaft – Modell Kultur: Von Unterschieden und Gemeinsamkeiten». Vorweggenommen: Die Tagung konnte mir die Grundfrage nicht beantworten. Aber es gab viel Material, um darüber nachzudenken – wenn das denn noch jemand tut.
Zu Beginn der Tagung hat mich erst einmal Christoph Birkholz mit seinem Referat genervt. Der 31-jährige Mitbegründer des «Impact Hub Zürich», Teil eines weltweiten Netzwerkes von Innovations- und Startup-Labors, gab sich allzu überheblich als Unternehmer aus, obwohl er noch kaum aus der geschützten Uni-Werkstatt oder diversen Praktika herausgekrochen und bei der Firma Impact Hub Zürich AG nicht einmal zeichnungsberechtigt ist, sondern nur im Verein «Hub Fellowship Association». Und so steckt das «Start-up»-Unternehmen (seit 5 Jahren am Werkeln, bereits zusammengeschlossen mit einem anderen Hub-Unternehmen, im Handelsregister aber erst seit Januar 2015 eingetragen) selber noch in einer Investitionsschlaufe, und muss sein eigenes Bestehen erst beweisen. Es scheint schon vergessen, dass die ehemalige BrainStore AG aus Biel mit einem ganz ähnlichen Konzept 2011 in Konkurs ging. Zwar operiert Brain- Store wieder, Gründer Markus Mettler hat 2013 die Konkursmasse zurückgekauft, und von New York aus das Geschäft wieder aufgebaut. Das Problem von BrainStore und diesen kreativen Hub-Firmen ist: Klemmt aufgrund einer Wirtschaftskrise der Geldhahn, ist Schluss mit Investitionen in impulsfindende Kreativideen. Und nur als Workshop-Lernzentrum zu enden ist nicht unbedingt der Bubentraum von kreativen Köpfen. Ein heikles Businessmodell also.
Doch der «Hub-Gedanke» war jetzt in der Tagung angekommen, und die diversen englischen Begriffe geklärt. Bundesrat Alain Berset setzte sich dann intensiver mit der Innovation, welche aus der Kreativität entstehe, auseinander. Die Schweiz war ja schon mehrmals Innovations-Weltmeister. Wir investieren in Innovationsstandorte, und, logisch, das will Zürich sein. Ich persönlich würde die Region um den Genfersee bevorzugen. Nur: Was genau bringt uns die Innovation, wenn die Produktion ins Ausland verlagert wird? Das ist etwa so intelligent, wie als Firma aus der Schweiz eine Schuhfabrik in Italien zu betreiben und dort nur Chinesen anzustellen. Die beste Rede der Tagung hielt Chris Dercon, noch Direktor der Tate Gallery of Modern Art in London, er wechselt im Jahr 2017 als Intendant an die Volksbühne Berlin.Er zerschlug die meisten gutgemeinten Ideen seiner Vor-Referenten: Kreativität? Welche meinen wir denn? Jene der Banker, die neue, kreative Portfolios zusammenstellen, um deren individuellen Gewinnprofit zu maximieren? Trimmen wir uns jetzt auf Kreativität und machen diese zu einem neuen Leistungssport? Profitkreativität? Und recht hat er mit seinen Fragen: An einer innovativen Idee profitieren schlussendlich nur wenige, wenn die Idee an Google oder einen anderen amerikanischen Grosskonzern verkauft wird – oder die Chinesen eine billige Kopie herstellen.
Verschiedene weitere Redner (in den eineinhalb Tagen gab es nur ein einziges Referat von einer Frau!) erläuterten ihre Erfahrungen mit Crowdfunding-Projekten, und mir dämmerte, dass Crowdfunding eigentlich eine «Hub-Bildung» ist. Der Niederländer Roy Cremers (*1983), der 2010 die Crowdfunding-Plattform «Voordekunst» gebaut und mit rund 92’000 Gönnern 10 Millionen Franken für 1’625 Kunstprojekte generiert hat, meinte lakonisch: Crowdfunding macht man nicht, um Geld zu verdienen oder zu gewinnen, sondern um eine Gemeinschaft zu bilden und an sich zu binden. Eine sehr starke und interessante Erkenntnis. Denn damit hätten wir hier wieder den «Hub» – diesmal wären die Kulturbetriebe die Akteure dieser Plattformen – was sie allerdings schon immer waren –, und so endet die innovative Hub-Idee in einem überdimensionierten Social- Media-Business. Übrigens: Der klassische Kulturverein meint das gleiche – wir müssen ihn einfach neu benennen. Neu ist also eigentlich nichts – ausser den Begriffen und dem blinden Enthusiasmus dafür.
«Liaisons dangereuses»! Das ist mein Fazit aus der Tagung bezüglich dem Verhältnis Wirtschaft und Kultur: Sicher müssen wir den Kulturbetrieb professionalisieren – doch nicht durch Kreativität, sondern durch pragmatische Produktivität. Wir brauchen HandwerkerInnen, keine TheoretikerInnen. Wir sollten das Know-how selber umsetzen lernen, Arbeitstechniken entwickeln. Ideen haben wir genug. Die Kunst muss Innovativ bleiben – aber nicht wirtschaftlich. Innovationen sollten in unserem Land umgesetzt und produziert werden, damit wir einen wirtschaftlichen Vorteil erschaffen. Das hat mit unserer Kultur, weniger mit Kunst zu tun. Kultur ist ein Zustand, ein Abbild, keine Erziehungsplattform. Und wer immer noch glaubt, dass durch eine Bildbetrachtung eine kluge, logische Software geschrieben wird, soll es versuchen. Solange werden die Inder, Bulgaren und Tschechen die Software für uns im Auftrag schreiben. Und wir werden zahlen.