Von Lukas Vogelsang - Als das Zeitungspapier in der Produktion eine Verbesserung erfuhr, wurde die Zeitung ganz wichtig, alle wollten Zeitung lesen. Als aus dem Holzkasten nicht nur Rauschen, sondern Stimmen und Musik hörbar wurden, war das Medium Radio eine Sensation und alle hörten mit. Als das Fernsehen erfunden wurde und im benachbarten Dorf im Schaufenster das einzige Gerät die Flimmerbilder der Öffentlichkeit vorführte, waren die Menschen fasziniert und standen davor und wollten ein Teil sein von diesem Ereignis. Das Medium der Nachrichten hat stets mehr Echo ausgelöst, als die Nachrichten selber.
Seit nun rund 30 Jahren stehen wir im Dauerstress: Die Medienunternehmen haben sich «Innovation» auf die Unternehmensfahne geschrieben, und die JournalistInnen produzieren
für Geräte und schreiben keine Nachrichten mehr für die Bevölkerung. Eine Innovation jagt die Nächste – allerdings sind Medienunternehmen keine technischen Entwicklerwerkstätten. Sie betreiben keine Forschung oder Studien, investieren nicht in Neuentwicklungen – sondern sie übernehmen Erfundenes, und versuchen die neuen Gadgets in ihren Betrieb zu integrieren. Und die Entscheidungen fällen die VerlegerInnen, nicht die JournalistInnen. Diese wiederum werden in diesen Prozessen vor Tatsachen gestellt, denen sie sich anpassen müssen – allerdings als letztes Glied in der gesamten Kette. Der Inhalt, das Redaktionelle spielt also eine zweitrangige Rolle. Und so kommt es auch, dass JournalistInnen mehrheitlich von der physischen Medienproduktion (also Druck, Kosten, Programmierung, Vertrieb, Werbeverkauf …) keine Ahnung haben. Entsprechend viel Geld wird so in sogenannte Neuentwicklungen gesteckt, die nach zwei Jahren wieder verschwinden.
Medienproduktion, also Zeitungen oder generell Nachrichtenkanäle, bedeuten heute Investition in Innovation. Damit erhält man Kredite von den Banken. Mit diesen Krediten kann man sich inszenieren und Pressemitteilungen verbreiten, die von den «Erfolgen» berichten. Die Inhalte werden auf das Medium zugeschnitten. Kurze oder lange Texte, lustig oder ganz ernst und «seriös». Man versucht ein «Produkt» zu schaffen, welches für Märkte «relevant» ist. Erst zum Schluss wird der Inhalt, die Nachrichten und die Sichtweise definiert – wenn überhaupt. Und nach zwei Jahren – wenn alles gut geht – stellt man den Betrieb ein. Es ist nicht rentabel gewesen. Eine neue Innovation muss her. In der Schweiz haben wir gerade ein gutes Beispiel dafür: watson.ch.
Also, vielleicht etwas verständlicher: Das iPad als Gerät interessiert uns mehr, als die Nachrichten, die wir darauf lesen können. Wer ein Smartphone besitzt kennt das sehr gut: Eine neue App muss man besitzen, aber «verwenden» tun wir die wenigsten. Leider zieht sich das durch alle Bereiche unseres Lebens. Ob Lebensmittel, Kulturförderung, Medien – alle erliegen dem zeitgenössischen Wahn. Und dieser hat ein ungesundes Tempo angenommen: Wir können nicht so schnell Neues erfinden. Uns sind die Ideen ausgegangen. Doch statt, dass wir uns jetzt mit den Inhalten beschäftigen würden, machen wir jetzt «Selfies» und unterhalten uns mit anderen Gadgets, die den Anspruch auf Haltbarkeit gar nicht erst versprechen.
Wir fallen immer auf Innovationen rein. Das scheint im naturell des Menschen verankert zu sein. Die Neugierde beinhaltet ja das Wort «Gier» und das zeigt schon mal eine Grundtendenz der Funktionslogik von Innovation. Das wirklich traurige aber ist, dass die effektive «Nachricht» dabei zu kurz kommt.