Von Sonja Wenger – In seinem neuesten Film macht sich der britische Schauspieler und Drehbuchautor Simon Pegg auf die Suche nach dem Glück. Im Interview mit «ensuite» erzählt er, weshalb man ab und an auf sein inneres Kind hören sollte, und weshalb Glück und Angst meist Hand in Hand gehen.
Simon Pegg, in ihrem neuen Film «Hector and the Search for Happiness» suchen Sie in ihrer Rolle als Psychiater Hector nach dem Glück und finden viele Wege, die dorthin führen. Welches ist für Sie die Quintessenz aus dem Film?
Ich denke, die Schlüsselsequenz ist, als Hector herausfindet, dass der Weg zum Glück nichts damit zu tun hat, dem Unglück auszuweichen. Wer echtes Gluck empfinden will, muss alle Empfindungen kennen, also nicht nur Freude, sondern auch Angst oder Trauer. Dafür gibt es eine sehr schone Szene im Film, als Hector einer sterbenden Frau beisteht, aber auch andere ernste Tone. Dass dies alles im Film Platz gefunden hat, macht ihn so stark und bringt die Leute zum Nachdenken darüber, was ihnen denn wichtig ist im Leben.
Hector fragt auf seiner Reise alle Menschen, denen er begegnet, was sie glücklich macht. Haben Sie dasselbe getan, um sich auf Ihre Rolle vorzubereiten?
Nein, ich habe ganz bewusst nicht einmal das Buch von Francois Lelord gelesen, auf dem der Film basiert, denn ich wollte völlig frei an die Geschichte herangehen. Allerdings habe ich im Vorfeld mit einem Psychiater gesprochen um herauszufinden, wie deren Selbstverständnis aussieht und was sie über ihren Berufsstand denken.
Ein Dialog im Film dreht sich darum, dass in dieser Welt alles nur schlechter wird. Denken Sie, unsere Welt braucht mehr Glück?
Allerdings, wir alle brauchen mehr Glücksgefühle im Leben. Viele Menschen haben vergessen, dass Gluck nicht von den vielen materiellen Dingen herkommt, mit denen wir uns heute umgeben, und die uns gemäss der Werbung glücklich machen sollen. Echtes Gluck ist eine Lebenshaltung, und die kann nur aus uns selbst kommen. Ich habe auf den Reisen für den Film beispielsweise in Sudafrika viele Leute gesehen, denen es wirtschaftlich sehr schlecht geht und die unter sehr harten Bedingungen leben müssen. Aber dort habe ich auch sehr viel Glück und lachende Gesichter gesehen. Sicherlich mehr als in den abgeschotteten Wohnvierteln der Reichen. Es ist, wie es der buddhistische Mönch im Film sagt: Man kann nicht einfach glücklich sein, man muss auch wissen, wie es ist, traurig zu sein.
Immer wieder gibt es Studien, die herausfinden, dass Menschen, die in armen oder konfliktreichen Ländern leben, mit zu den Glücklichsten weltweit gehören. Das würde diese These unterstützen.
Absolut. Ich wurde sogar sagen, dass diese Menschen auch zu den kreativsten gehören, denn Komfort ist der grösste Feind der Kreativität – und dadurch auch der grösste Feind von Gluck. Ein bisschen Herzschmerz kann durchaus ein tolles Musikalbum zur Folge haben, ein brillantes Buch oder einen fantastischen Film inspirieren.
Viele Ihrer Rollen und Filme heben sich angenehm vom Mainstream ab, auch weil Sie beispielsweise in der «Cornetto-Trilogie» bewusst das Mainstream- Kino der Action- oder Zombie- Filme ausreizen und jeden und alles auf die Schippe nehmen. Lassen Ihnen die Filmstudios dabei völlig freie Hand?
Heute schon, aber ich denke, das ist historisch so gewachsen, weil ich zusammen mit meinen Freunden, den Filmemachern Edgar Wright, Nick Frost oder Jessica Hynes am Anfang vor allem für kleine Studios gearbeitet habe, die uns keine Vorgaben machten, oder machen mussten, weil die Budgets nicht so gross waren. Wir haben schon immer einfach die Filme gemacht, die wir machen wollten. Und heute sind wir durch unseren Erfolg wiederum in der luxuriösen Situation, dass wir uns das auch leisten können.
Aus Ihrer vor drei Jahren erschienen Autobiografie «Nerd do well» wird ersichtlich, dass Sie eine grosse Faszination für Zombie-Filme hegen. Woher kommt das?
Das hat wohl etwas damit zu tun, weil Zombies meiner Meinung nach eine der stärksten Metaphern überhaupt sind, mit der in einer Geschichte etwa das Thema Angst angegangen werden kann. Zombies sind eine Manifestation der tiefsten und dunkelsten Angst der Menschen, nämlich jene vor dem Tod. Und deshalb sind diese ≪lebenden Toten≫ auch die Verkörperung all jener Dinge, vor denen wir uns am meisten fürchten. Ich gebe allerdings zu, dass in vielen Filmen diese Metapher ein bisschen stark strapaziert wird.
Der Untertitel Ihrer eben erwähnten Autobiografie lautet: «A small kids journey of becoming a big kid», also die Reise eines kleinen Jungen um ein grosses Kind zu werden. Auch im Film «Hector» spielen Rückblicke in die Kindheit des Protagonisten eine wichtige Rolle.
Ja, denn das ist ein anderes wichtiges Element, wenn es um die Suche nach Gluck geht. Viele Menschen haben die Tendenz, ihre kindlichen Impulse und Bedürfnisse von sich zu weisen, sobald sie alter werden. Aber sein sogenanntes inneres Kind kann man nicht einfach vergessen oder ignorieren, denn in der Kindheit wurden wir schliesslich alle geformt und zu den Menschen gemacht, die wir als Erwachsene dann sind. Alle unsere Meinungen und Emotionen, unsere Haltung gegenüber dem Leben wurden in dieser wichtigen Zeit geprägt, und deshalb sollten wir auch später eine kindliche Sicht auf die Dinge bewahren. Das bedeutet ja nicht, sich kindisch zu verhalten und sich nicht weiterzuentwickeln. Aber die Art und Weise, wie Kinder gewisse Dinge sehen oder angehen, wie sie sich begeistern können und oft ganz einfach glücklich sind, kann uns als Erwachsene helfen, dasselbe zu empfinden.
Sie sind ein sehr vielseitiger Künstler, arbeiten als Schauspieler, Drehbuchautor, Filmproduzent oder Sprecher. Bisher fehlt auf der Liste aber Regie. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Nun, ich hoffe, in den nächsten zwei Jahren auch dies auf die Liste zu bekommen, denn ich plane mit dem Studio Bad Robot gerade einen Film, bei dem ich die Regie übernehmen werde. Aber von allen Tätigkeiten ist fur mich das Schauspiel sicher die wichtigste. Schauspiel ist Spiel, und das macht einfach grossen Spass. Besonders wenn man etwa bei der ≪Star Trek≫-Serie dabei sein kann, für die wir 2015 den nächsten Film drehen werden. Aber ausserhalb dieser grossen Produktionen versuche ich einfach, stets in einer Gruppe von Menschen zu arbeiten, mit denen ich die künstlerischen Visionen teile, mit denen eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich ist und die mich stets aufs neue herausfordern. Das ist es, was mich glücklich macht.
Simon Pegg wurde am 14. Februar 1970 in England geboren und wurde durch seine ≪Drei-Farben-Cornetto-Trilogie≫ mit den Filmen ≪Shaun of the Dead≫, ≪Hot Fuzz≫ und ≪The World’s End≫ bekannt. Der internationale Durchbruch gelang ihm 2009 mit seiner Rolle als Montgomery ≪Scotty≫ Scott in ≪Star Trek≫ und dessen Fortsetzung 2013 ≪Star Trek Into Darkness≫. Weitere Filme sind Teil drei und vier der ≪Mission: Impossible≫-Serie, ≪Paul≫, ≪The Adventures of Tintin≫ und ≪How to Lose Friends and Alienate People≫. Die meisten seiner Filme entstanden in Zusammenarbeit mit den Filmemachern Edgar Wright, Nick Frost, Jessica Hynes und Dylan Moran.
Bild: Simon Pegg, zVg.
Publiziert: ensuite Nr. 140, August 2014