• zurück

Interview mit Simon Pegg: «Der Weg zum Glück hat nichts damit zu tun, dem Unglück auszuweichen»

120427_SimonPegg_023

Von Son­ja Wenger – In seinem neuesten Film macht sich der britis­che Schaus­piel­er und Drehbuchau­tor Simon Pegg auf die Suche nach dem Glück. Im Inter­view mit «ensuite» erzählt er, weshalb man ab und an auf sein inneres Kind hören sollte, und weshalb Glück und Angst meist Hand in Hand gehen.

Simon Pegg, in ihrem neuen Film «Hector and the Search for Happiness» suchen Sie in ihrer Rolle als Psychiater Hector nach dem Glück und finden viele Wege, die dorthin führen. Welches ist für Sie die Quintessenz aus dem Film?

Ich denke, die Schlüs­selse­quenz ist, als Hec­tor her­aus­find­et, dass der Weg zum Glück nichts damit zu tun hat, dem Unglück auszuwe­ichen. Wer echt­es Gluck empfind­en will, muss alle Empfind­un­gen ken­nen, also nicht nur Freude, son­dern auch Angst oder Trauer. Dafür gibt es eine sehr schone Szene im Film, als Hec­tor ein­er ster­ben­den Frau beis­te­ht, aber auch andere ern­ste Tone. Dass dies alles im Film Platz gefun­den hat, macht ihn so stark und bringt die Leute zum Nach­denken darüber, was ihnen denn wichtig ist im Leben.

Hector fragt auf seiner Reise alle Menschen, denen er begegnet, was sie glücklich macht. Haben Sie dasselbe getan, um sich auf Ihre Rolle vorzubereiten?

Nein, ich habe ganz bewusst nicht ein­mal das Buch von Fran­cois Lelord gele­sen, auf dem der Film basiert, denn ich wollte völ­lig frei an die Geschichte herange­hen. Allerd­ings habe ich im Vor­feld mit einem Psy­chi­ater gesprochen um her­auszufind­en, wie deren Selb­stver­ständ­nis aussieht und was sie über ihren Beruf­s­stand denken.

Ein Dialog im Film dreht sich darum, dass in dieser Welt alles nur schlechter wird. Denken Sie, unsere Welt braucht mehr Glück?

Allerd­ings, wir alle brauchen mehr Glücks­ge­füh­le im Leben. Viele Men­schen haben vergessen, dass Gluck nicht von den vie­len materiellen Din­gen herkommt, mit denen wir uns heute umgeben, und die uns gemäss der Wer­bung glück­lich machen sollen. Echt­es Gluck ist eine Leben­shal­tung, und die kann nur aus uns selb­st kom­men. Ich habe auf den Reisen für den Film beispiel­sweise in Sudafri­ka viele Leute gese­hen, denen es wirtschaftlich sehr schlecht geht und die unter sehr harten Bedin­gun­gen leben müssen. Aber dort habe ich auch sehr viel Glück und lachende Gesichter gese­hen. Sicher­lich mehr als in den abgeschot­teten Wohn­vierteln der Reichen. Es ist, wie es der bud­dhis­tis­che Mönch im Film sagt: Man kann nicht ein­fach glück­lich sein, man muss auch wis­sen, wie es ist, trau­rig zu sein.

Immer wieder gibt es Studien, die herausfinden, dass Menschen, die in armen oder konfliktreichen Ländern leben, mit zu den Glücklichsten weltweit gehören. Das würde diese These unterstützen.

Abso­lut. Ich wurde sog­ar sagen, dass diese Men­schen auch zu den kreativsten gehören, denn Kom­fort ist der grösste Feind der Kreativ­ität – und dadurch auch der grösste Feind von Gluck. Ein biss­chen Herz­schmerz kann dur­chaus ein tolles Musikalbum zur Folge haben, ein bril­lantes Buch oder einen fan­tastis­chen Film inspiri­eren.

Viele Ihrer Rollen und Filme heben sich angenehm vom Mainstream ab, auch weil Sie beispielsweise in der «Cornetto-Trilogie» bewusst das Mainstream- Kino der Action- oder Zombie- Filme ausreizen und jeden und alles auf die Schippe nehmen. Lassen Ihnen die Filmstudios dabei völlig freie Hand?

Heute schon, aber ich denke, das ist his­torisch so gewach­sen, weil ich zusam­men mit meinen Fre­un­den, den Filmemach­ern Edgar Wright, Nick Frost oder Jes­si­ca Hynes am Anfang vor allem für kleine Stu­dios gear­beit­et habe, die uns keine Vor­gaben macht­en, oder machen mussten, weil die Bud­gets nicht so gross waren. Wir haben schon immer ein­fach die Filme gemacht, die wir machen woll­ten. Und heute sind wir durch unseren Erfolg wiederum in der lux­u­riösen Sit­u­a­tion, dass wir uns das auch leis­ten kön­nen.

Aus Ihrer vor drei Jahren erschienen Autobiografie «Nerd do well» wird ersichtlich, dass Sie eine grosse Faszination für Zombie-Filme hegen. Woher kommt das?

Das hat wohl etwas damit zu tun, weil Zom­bies mein­er Mei­n­ung nach eine der stärk­sten Meta­phern über­haupt sind, mit der in ein­er Geschichte etwa das The­ma Angst ange­gan­gen wer­den kann. Zom­bies sind eine Man­i­fes­ta­tion der tief­sten und dunkel­sten Angst der Men­schen, näm­lich jene vor dem Tod. Und deshalb sind diese ≪leben­den Toten≫ auch die Verkör­pe­rung all jen­er Dinge, vor denen wir uns am meis­ten fürcht­en. Ich gebe allerd­ings zu, dass in vie­len Fil­men diese Meta­pher ein biss­chen stark stra­paziert wird.

Der Untertitel Ihrer eben erwähnten Autobiografie lautet: «A small kids journey of becoming a big kid», also die Reise eines kleinen Jungen um ein grosses Kind zu werden. Auch im Film «Hector» spielen Rückblicke in die Kindheit des Protagonisten eine wichtige Rolle.

Ja, denn das ist ein anderes wichtiges Ele­ment, wenn es um die Suche nach Gluck geht. Viele Men­schen haben die Ten­denz, ihre kindlichen Impulse und Bedürfnisse von sich zu  weisen, sobald sie alter wer­den. Aber sein soge­nan­ntes inneres Kind kann man nicht ein­fach vergessen oder ignori­eren, denn in der Kind­heit wur­den wir schliesslich alle geformt und zu den Men­schen gemacht, die wir als Erwach­sene dann sind. Alle unsere Mei­n­un­gen und Emo­tio­nen, unsere Hal­tung gegenüber dem Leben wur­den in dieser wichti­gen Zeit geprägt, und deshalb soll­ten wir auch später eine kindliche Sicht auf die Dinge bewahren. Das bedeutet ja nicht, sich kindisch zu ver­hal­ten und sich nicht weit­erzuen­twick­eln. Aber die Art und Weise, wie Kinder gewisse Dinge sehen oder ange­hen, wie sie sich begeis­tern kön­nen und oft ganz ein­fach glück­lich sind, kann uns als Erwach­sene helfen, das­selbe zu empfind­en.

Sie sind ein sehr vielseitiger Künstler, arbeiten als Schauspieler, Drehbuchautor, Filmproduzent oder Sprecher. Bisher fehlt auf der Liste aber Regie. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Nun, ich hoffe, in den näch­sten zwei Jahren auch dies auf die Liste zu bekom­men, denn ich plane mit dem Stu­dio Bad Robot ger­ade einen Film, bei dem ich die Regie übernehmen werde. Aber von allen Tätigkeit­en ist fur mich das Schaus­piel sich­er die wichtig­ste. Schaus­piel ist Spiel, und das macht ein­fach grossen Spass. Beson­ders wenn man etwa bei der ≪Star Trek≫-Serie dabei sein kann, für die wir 2015 den näch­sten Film drehen wer­den. Aber ausser­halb dieser grossen Pro­duk­tio­nen ver­suche ich ein­fach, stets in ein­er Gruppe von Men­schen zu arbeit­en, mit denen ich die kün­st­lerischen Visio­nen teile, mit denen eine frucht­bare Zusam­me­nar­beit möglich ist und die mich stets aufs neue her­aus­fordern. Das ist es, was mich glück­lich macht.

 

Simon Pegg wurde am 14. Feb­ru­ar 1970 in Eng­land geboren und wurde durch seine ≪Drei-Far­ben-Cor­net­to-Trilo­gie≫ mit den Fil­men ≪Shaun of the Dead≫, ≪Hot Fuzz≫ und ≪The World’s End≫ bekan­nt. Der inter­na­tionale Durch­bruch gelang ihm 2009 mit sein­er Rolle als Mont­gomery ≪Scot­ty≫ Scott in ≪Star Trek≫ und dessen Fort­set­zung 2013 ≪Star Trek Into Dark­ness≫. Weit­ere Filme sind Teil drei und vier der ≪Mis­sion: Impossible≫-Serie, ≪Paul≫, ≪The Adven­tures of Tintin≫ und ≪How to Lose Friends and Alien­ate Peo­ple≫. Die meis­ten sein­er Filme ent­standen in Zusam­me­nar­beit mit den Filmemach­ern Edgar Wright, Nick Frost, Jes­si­ca Hynes und Dylan Moran.


Bild: Simon Pegg, zVg.

 

Pub­liziert: ensuite Nr. 140, August 2014

Artikel online veröffentlicht: 1. August 2014 – aktualisiert am 12. März 2024