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EDITORIAL Nr. 35

Von Lukas Vogel­sang – ensuite — kul­tur­magazin hat nach 35 Num­mern zum ersten Mal 72 Seit­en enthal­ten, ein halbes Kul­tur­buch, und wir haben schon wieder Seiten­not­stand. Die Inhalts­menge ste­ht im krassen Gegen­satz zu unserem finanziellen Dilem­ma, doch sollte uns das Geld nicht an der Vision hin­dern und die kul­turelle Vielfalt von Bern macht uns mächtig Dampf. Mit Ver­laub: Wenn ein Stadtthe­ater und andere Insti­tu­tio­nen 50‘000 Franken-Beiträge an die Konkur­renz bezahlen kön­nen, so soll­ten wir eben­falls mit gle­ichen Rud­ern im Boot sitzen dür­fen. Soll­ten. Aber es scheint, dass die Poli­tik über den Ver­stand siegen will. Jet­zt erst recht.

Eben­falls scheint es in Bern Mode zu sein, dass Kul­tur erst ab 100‘000er Sum­men stat­tfind­en kann. Die Forderun­gen der Kul­turin­sti­tu­tio­nen über­steigen sich in den let­zten Monat­en und hin­ter­lassen den Ein­druck, dass man mit wenig Geld keine Kul­tur oder gar, dass Kul­tur über­haupt nur aus Geld beste­hen kann. Das ist übel. Es ist ein gutes Zeichen, dass mehr und mehr Ver­anstal­terIn­nen Farbe beken­nen und sich aktiv an unser­er unab­hängi­gen und gün­sti­gen Medi­enin­sti­tu­tion beteili­gen. Wir haben inter­es­sante Zuwach­srat­en zu verze­ich­nen und die Gespräche laufen in ganz neue Rich­tun­gen.

Aber den Höhep­unkt vom Okto­ber haben wir noch nicht geschluckt: Das Schaus­piel des Stadtthe­aters soll aus der Stadt in die urbane Ein­samkeit obwohl der Sinn dieser Übung noch nicht ein­stim­mig ist. Im VID­MAR-Are­al in Köniz gibt‘s kein Bern-Bil­lett und auch kein Restau­rant, welch­es 300 Per­so­n­en zum Schlum­mertrunk hal­ten kön­nte. Und von wegen urban: Das Indus­triehaus der Lista AG kon­nte nur schlecht aus­gemietet wer­den. Auf jeden Fall kann die Abendgar­darobe in Zukun­ft im Schrank hän­gen bleiben. Auf dem Velo ins The­ater notabene den Berg hoch! wird wohl nicht zum neuen Bern­er Volkss­port mutieren. Eine solche Prov­inzbühne wird uns auch kein nationales Inter­esse ein­brin­gen und damit eine verbesserte Finanzierung ermöglichen im Gegen­teil. Und über die zusät­zlichen Trans­portkosten hat noch nie­mand ein Wort ver­loren. Wir sehen auch nicht darüber hin­weg, dass das Ensem­ble die Nachricht­en aus der Zeitung vernehmen musste und man eil­ligst für den näch­sten Tag eine eine Pressekon­ferenz arrang­ierte. Warum? Warum ist Bern nicht fähig, andere Lösun­gen zu find­en. Lösun­gen die uns länger­fristig dem The­ater näher brin­gen und das Pub­likum gewin­nend engagieren lässt. Die Ideen wären da, die Men­schen, welche sie umset­zen kön­nten auch. Doch die Macht bleibt unange­tastet. Das ken­nen wir schon, es ist eine alte Geschichte und diese ist unwürdig asozial.


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 35, Novem­ber 2005

Artikel online veröffentlicht: 1. November 2005 – aktualisiert am 13. März 2024