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Just married — Die NZZ am Sonntag zeigt Wege ins Glück

Von Chris­tine Wan­ner - Der Wirtschaft­sjour­nal­ist Lud­wig Burg­er hat’s getan, die Schuhverkäuferin Loren­za Lopresti hat’s getan, Mil­i­tary-Rei­t­erin Michèle Schwarzen­bach und Kloster­schu­la­b­sol­vent Flavio Per­ot­to auch: Sie alle haben eben geheiratet, wie wir dem Gesellschafts­bund der NZZ am Son­ntag ent­nehmen. Die neue Rubrik «Just mar­ried» irri­tiert. Auf den ersten Blick passt sie nicht ins Jahr 2006. Doch «Just mar­ried» ver­strömt Glück. Und: «Just mar­ried» wird ein Erfolg wer­den — Schei­dungsrat­en hin oder her.

Sie, Michèle Schwarzen­bach, aufgewach­sen in Bock­en ob Hor­gen, Mil­i­tary-Rei­t­erin der Weltk­lasse, lernte ihn, Pepo Puch, Rauch­fangkehrmeis­ter und Mil­i­taryRe­it­er ken­nen, als sie sein Pferd kaufen wollte. Heirat­santrag auf dem CSI, Hochzeits­feier im Kau­fleuten. Sie, Loren­za Lopresti, Verkäuferin in einem Schuh­café, traf ihn, Mauri­cio Cas­tro, Prod­uct-Man­ag­er ein­er Ver­sicherung, auf der Wöch­ner­in­nen­abteilung eines Zürcher Spi­tals. Die kirch­liche Trau­ung ist für 2007 geplant, ver­liebt lachen sie vom Foto auf Seite 83. Oder da war er, der am Hochzeit­stag sein­er Eltern um ihre Hand anhielt und sie, die Ja sagte am Hochzeit­stag ihrer Eltern. In einem anderen Glücks­fall nahm sie seinen Ring in strö­men­dem Regen auf einem Berggipfel an, seinen Namen aber wolle sie nicht.

Schöne Geschicht­en. Uner­wartet in der Welt, wo schlechte Neuigkeit­en gute Nachricht­en sind. Der «guten Nachricht zu Ehren» hält die Jour­nal­istin Zuza Speck­ert fest, wer sich wann, wie und wo ken­nen­gel­ernt und jüngst einen Ehev­er­trag unterze­ich­net hat. Sie tut es stets nach dem sel­ben Schema, in einem irri­tierend nüchter­nen Stil, in «Amts­deutsch», wie sie sagt. Bis zu ein­er Stunde unter­hält sie sich mit den Paaren und lässt sich ansteck­en vom Glück in diesem 40-Prozent-Job: «So glück­liche Men­schen zu inter­viewen ist wun­der­schön», sagt Zuza Speck­ert, die selb­st seit 17 Jahren ver­heiratet ist. Doch bis die ersten Inter­views zu Stande kamen, leis­tete sie Überzeu­gungsar­beit. «Mit Fly­ern woll­ten wir in den Standesämtern auf die neue Rubrik hin­weisen. Ein Flop, denn die Leute sind zu schüchtern.» Deshalb habe sie sich selb­st aufs Standesamt begeben. Sie habe sich auf die Bank geset­zt, beobachtet und Paare ange­sprochen. Darunter auch zwei Män­ner, der eine in weis­sem Cape. Doch dieses Paar wollte nicht zur guten Nachricht im Gesellschafts­bund wer­den.

Die schlechte Nachricht: Fast jede zweite Ehe in der Schweiz geht in die Brüche. In den ver­gan­genen 30 Jahren ist die Schei­dungsrate mit einem kleinen Ein­bruch Mitte der 1980er stets gestiegen. Wer sich jung das Ja-Wort gibt, der tren­nt sich mit grösser­er Wahrschein­lichkeit als die Spä­tentschlosse­nen. Mit diesen Zahlen vor Augen erscheint «Just mar­ried» achro­nis­tisch. Christoph Zürcher wider­spricht. Für den Leit­er des Gesellschaft­sres­sorts der NZZ am Son­ntag ist die Hochzeit­srate mass­gebend. Die hätte nicht abgenom­men. Ein Kon­troll­blick in die Sta­tis­tik zeigt: Sog­ar die Geschiede­nen sagen ein zweites Mal Ja zu ein­er neuen Ehe. «Allen Rel­a­tivierun­gen der Ehe zum Trotz: Heirat­en ist ein gesellschaftlich­es The­ma und die Indus­trie dahin­ter flo­ri­ert,» sagt Christoph Zürcher. Tat­säch­lich: Jan­u­ar / Feb­ru­ar 2006 laden in der Schweiz sechs Hochzeitmessen ein. Deren grösste zwei verze­ich­nen je über 10.000 BesucherIn­nen, die sich über die modis­chen Trends der Hochzeit oder die organ­isatorischen Kniffe ins Bild set­zen lassen. Neben dem Hochzeits-Knigge, der pein­liche Sit­u­a­tio­nen in der Fam­i­lie ver­hin­dern soll, laden die Ver­anstal­ter auch zu Vorträ­gen über das Eherecht oder zur Arbeit­steilung in Haushalt und Beruf.

Auch «Just mar­ried» besucht diese Messen. Damit set­zt der Nieder­gang ein von Hochzeits-Zeitungs-Ver­legerin­nen und ‑Reportern. Braut­leute wollen ihre Geschichte in ein­er richti­gen, richtig gelay­outeten Zeitung lesen, wom­öglich mit Bild. Die Rubrik ist Liebe auf den zweit­en Blick. Auf den zweit­en Blick wirkt die nüchterne Sprache nuanciert. «Just mar­ried» wird nicht nur die Jour­nal­istin Speck­ert, Ressortleit­er Zürcher und das Team der NZZ am Son­ntag in den Gän­gen der Redak­tion beglück­en, son­dern auch sie und ihn. Und Sie, dich, mich, und alle, die nicht ein­fach das Liebe­feld besuchen kön­nen. Oder die, die nicht daran glauben, dass einen irgen­dein­mal das Glück find­et. Und, hey: am 14. Feb­ru­ar ist Valentin­stag.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, Feb­ru­ar 2006

Artikel online veröffentlicht: 9. August 2017