Von Patrik Etschmayer - Oh, wie sie einen ankotzen. Die starken Männer und Frauen, die alles versprechen. Jene, die beschwören mit Gewalt und Hass Probleme zu lösen und Konflikte zu beenden. Immer wenn diese Hochkonjunktur haben, ist es höchste Zeit in Deckung zu gehen oder sich zu erheben. Denn es ist immer genau dasselbe in den Zeiten der Angst, in den Zeiten der Bedrohung, in den Zeiten des Schreckens, der uns von jenen gebracht wird, die uns die Rettung verheissen.
Es ist erstaunlich. Sie wissen die Lösung für alles. Sie versprechen Arbeitsplätze, das Ende des Terrorismus, die Ankunft einer Zeit ohne Probleme, wenn man sie nur machen lässt. Sie beschwören Siege – so viele Siege, dass man gar nicht mehr gewinnen wolle und die Vernichtung, die Ausrottung aller Feinde, die sie auch gleich selbst definieren. Sie sind die Scharlatane unter den Politikern. Und sie siegen derzeit überall oder sind zumindest an Orten, wo man sie seit langem nicht gesehen hat.
Sie sind der brüllende Beweis dafür, dass Menschen aus der Geschichte nichts lernen. Aber auch gar nichts. Denn noch nie haben solche Politiker, wenn Sie einmal an der Macht waren, etwas anderes gefördert als Elend, Korruption, Rechtlosigkeit und Krieg.
Egal ob sie Erdogan, Putin oder Trump, von Storch, Blocher oder Orban, Mussolini, Strache oder Dollfuss, Hitler, Franco oder Stalin, Mao, LePen oder Pol Pot hiessen: Ihre Werkzeuge waren und sind: Hass und Hetze, Gewalt und Diskriminierung, irgendwann Mord, Totschlag und womöglich Krieg. Das Grundthema ist immer Konfrontation und Vernichtung um jeden Preis.
Kooperation, Respekt, Dialog und Kompromissbereitschaft sind Schimpfwörter im Vokabular dieser Politiker. Dies ist kein Zufall. Denn all diese Worte und die Ideen, die hinter diesen Stehen, verheissen keine (angeblichen) strahlende Siege, sondern mühsame Arbeit, langwierige Gespräche, gewisse Zugeständnisse an die ‘Anderen’ und Zweifel an den eigenen Standpunkten.
Und ja, ein mühsames abwägen und Urteilen über einzelne Personen ist sicher mehr Arbeit, als ein fixes Urteil aus dem Handgelenk oder dem Mastdarm heraus anhand des gerade herrschenden Bauchgefühls.
Und es ist sehr wichtig, dass Populisten Feinde haben… oder zumindest jemanden als Feind präsentieren. Denn sie definieren sich vor allem durch diese und nicht durch irgendwelche eigenen Prinzipien. Die wirkliche Existenz der Feinde als solche (d.h. als eine Gruppe die auch die auch die populistische Gruppe als Feind betrachtet), ist rein optional. Wenn es sein muss, wird einfach eine ausgrenzbare Menschengruppe – vorzugsweise eine Minderheit gegen die schon Vorurteile bestehen – mal schnell zur Bedrohung hoch stilisiert.
Dabei ist es egal, ob der Feind wirklich gefährlich ist. Sollte er es nicht sein — wie der jüdische Kaufmann von nebenan und die jüdische Schneiderin im 4. Stock, damals im 3. Reich, übernehmen Dämonisierung, alt hergebrachtes Vorurteil und Massenhysterie die Steigerung zum blindwütigen Hass in einer populistische dominierten Gesellschaft. Ist der Wunschfeind wirklich gefährlich – wie DAESH – dann umso besser. Jeder Bombenanschlag und jeder Amoklauf von hasszerfressenen Versagern, die glauben, sich mit dem Ermorden von Frauen, Kindern und harmlosen Passanten zu Helden zu machen, ist wie Manna vom Himmel von Rechtspopulisten, die mit einer genau gleichen Menschenverachtung gegen Fremde und fremd Aussehende losschlagen wollen.
Wer es nicht glaubt, soll mal die Bilder von Hinrichtungen in Irak und Syrien von heute und im deutsch besetzten Russland des Zweiten Weltkrieges vergleichen. Die Mörder und Henker: lachend und sadistisch mit der absoluten Menschenverachtung jener ausgestattet, sich als Vollstrecker von Gott oder göttlicher Vorsehung betrachtend. Die Opfer: Durch Misshandlung, ihre schiere beliebige Masse und ihre Hilflosigkeit, ihrer Menschenwürde beraubt. Das einzig Gute: Sie sind der Beweis, dass ihre hochmütigen Mörder NOCH weniger von dieser Würde, als sie noch im anonymen Tod besitzen. Selbst wenn diese mit hoch erhobenem Haupt, feixend neben ihren Opfern stehen.
Es ist offenbar kein Zufall, wenn hier die scheinbaren Todfeinde ‘Arischer Nazi’ und ‘Islamist’ fast im gleichen Atemzug genannt werden, denn in ihren proklamierten Zielen ähneln sie sich ja fatal: Beide wollen eine ’natürliche, göttlich gewünschte Ordnung’ etablieren, beide schrecken vor keiner Grausamkeit zurück, wenn es darum geht, die Ungläubigen und Unreinen zu vernichten, für deren Existenz auf der Welt kein Platz oder nur einer als Sklave ist. Beides sind Todes- und Fruchtbarkeitskulte, welche Frauen zu Kinderproduzierenden Anhängseln des viril-gewalttätigen Vollstreckers machen wollen, die Soldaten für den Endkampf zu gebären haben, bis die Gebärmutter explodiert.
Und ja, beides sind Endzeitkulte, die nach dem endgültigen Sieg über die Ungläubigen/Untermenschen ein Paradies bzw. ein tausendjähriges Reich verheissen. Die Details variieren natürlich etwas, aber es geht um das unhaltbare Versprechen, ein Paradies zu erreichen, wenn nur die Irren gewinnen.
Doch auf dem Weg dorthin haben es, zumindest im weitgehend rechtlich und gesellschaftlich zusammen gebrochenen nahen Osten, die Islamisten etwas einfacher: Es reicht, einfach zu morden und zu vergewaltigen und zu hoffen, nicht von einem Bombenangriff platt gemacht zu werden. Dort wo es noch Rechtsordnungen gibt, haben es die totalitären Potentaten und Möchtegern-Diktatoren und ihre geifernden Horden noch etwas schwerer. Sie müssen sich nämlich als Verteidiger all der Werte darstellen, die sie zutiefst verachten. Leuchtende Beispiele dafür sind Erdogan und Putin, die — während sie die Demokratie Stück für Stück demontieren — sich als Verteidiger derselben aufspielen. Sie seien die Garanten für Recht und Ordnung, wobei sowohl Recht als auch Ordnung nur für jene gelten, die sich nicht gegen das Regime positionieren. Alle anderen können schnell mal feststellen, wie angenehm es mit 12 Leuten in einer 2er-Gefängniszelle zu und hergeht.
Bei uns ist es weniger krass, aber gleichfalls absurd. So gebären sich jene, die von Emanzipation gleich viel wie von Durchfall halten, als Verteidiger der Frauenrechte, wenn Frauen von Immigranten belästigt oder gar vergewaltigt werden. Doch es geht diesen Idioten nicht um die Frauen.
Es geht ihnen darum, dass die hiesigen Frauen, wennschon, von hiesigen Männern vergewaltigt werden. Denn Sprüche wie: “die hat es so gewollt”, “vergewohltätigt”, “heimlich wollen die es ja”, “die sollen sich nicht so anstellen”, “die beste Position einer Frau ist auf den Knien”, und so weiter und so fort, wurden nicht importiert, sondern gehören seit Urzeiten zum hiesigen Macho-Repertoire.
Es sind nämlich diese Kreise, die sich lang und heftig gegen strengere Sexualstrafnormen gewehrt haben. Es sind diese Kreise, die sich mit Händen und Füssen dagegen wehrten, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar wird.
Es sind diese Kreise, die ständig nach ‘traditionellen Familien’ schrien und schreien und damit meinen, dass Frauen gefälligst zu Hause mit den Kindern bleiben sollen. Es sind diese Kreise, die Menschenrechte — verhasst bei allen Islamisten — reduzieren wollen. Es waren einst diese Kreise, die im Verband mit klerikalen Kriegsgurgeln durch das 20. Jahrhundert hindurch gegen Demokratie, gegen Arbeiterrechte, gegen Frauenrechte, für faschistische Regime und Unterdrückung und gegen die Gewaltentrennung gekämpft haben.
Und genau die wollen nun die Demokratie verteidigen? Die wollen für die freiheitlichen Werte einstehen und die Bürger verteidigen?
Es ist an den freiheitlichen und linken Menschen, diese Werte zu verteidigen. Sowohl gegen Euro- wie gegen Islamofaschisten. Eine fremde Herkunft ist ebenso wenig ein Freibrief für lausiges Verhalten wie ein Inzuchtstammbaum, der 350 Jahre in ein Alpental zurückreicht. Das Recht hat blind zu sein und konsequent. Das reicht schon — auch wenn es nicht immer dem Bauch- und Darmgefühl entspricht und sich an Beweisen und Fakten statt an Facebookposts aus anonymer Quelle zu orientieren hat. Und nur um es klar zu machen: wegschauen wie in Frankreich und Belgien, lange Zeit aus Bequemlichkeit, gilt nicht.
Wer in den 80er Jahren die Filme ‘Le Thé au Harem d’Archimède’ oder ‘My Beautiful Laundrette’ gesehen hat, bekam schon damals eine Präsentation der Probleme, die aus dem gleichgültigen Umgang mit den Immigrantenkulturen entstehen würden. Doch das waren natürlich nur Filme — warum denn auf kulturelle Ergüsse achten, wenn man es ja so viel besser weiss? 30 verlorene Jahre später haben wir nun den Schrott und die Kulturszene, die sich mit Immigranten befasst, wird immer noch mit Ver- und Nichtachtung gestraft. Zustände zu erkennen, vor Problemen zu warnen und Lösungen, die gesellschaftliches Engagement Fordern vorzuschlagen, reicht eben nicht mehr, heute… oder ist eindeutig zu viel… Stattdessen erleben jene fröhlich Urständ, die ‘Probleme benennen’ (ein anderer Ausdruck für: Schuld verteilen) und ‘Abhilfe versprechen’ (anderer Ausdruck für Beschuldigte bestrafen). Und der Jubel ist diesen scheinbar sicher.
Wer darauf hinweist, dass heute die Probleme, die vor 10, 20, 30, ja 50 Jahren verursacht wurden, nicht in einem Jahr und mit lautem Gebrüll lösen lassen, wird beschimpft und verächtlich gemacht. Wer es wagt zu sagen, dass wir nicht wieder die gleichen Fehler machen sollten wie damals, als die letzte Welle der Diktatoren die Welt in den Wahnsinn stürzte, bekommt zu hören, dass dies andere Zeiten seien, besondere Zeiten, und dass Wahnsinn darum gerechtfertigt sei.
Doch das ist er nie. Doch dies zu vergessen ist einfach in den Zeiten der Angst. In den Zeiten der Bedrohung, in den Zeiten des Schreckens, der uns von jenen gebracht wird, die uns die Rettung verheissen.