Von Christine Wanner - Mitternacht. Feuerwerk schiesst in die Luft, erhellt den nächtlichen Himmel. Die Korken knallen und das Feiern zum neuen Jahr darf so richtig ausgelassen werden. Wenn das Jahr 2006 beginnt, endet das Programm auf der Frequenz 97.7 und 98.4 MHz. Schliesslich interessieren sich von Konolfingen bis Schwarzenburg zuwenig HörerInnen für Radio Extra Bern. Zu gering wäre der Marktanteil in den vergangenen Jahren gegenüber der lokalen Konkurrenz Radio BE1 und den DRS-Programmen ausgefallen, meldet Radio Extra Bern.
Allerdings: Wer auf 97.7 und 89.4 MHz nachmitternächtliches, sphärisches Rauschen erwartet, liegt falsch. Musik und Werbung zum Discount-Preis sind angesagt. Weitere Informationen nicht vorgesehen. Zumindest nicht sofort. Die Hörerschaft wird sich wohl gedulden müssen bis zum 23. Januar. Dann nämlich, dann wird alles besser. Vielmehr: Dann klingt alles besser und es heisst Capital FM.
Gleiches unter neuem Label? Ein Etiketten-Schwindel also? Die Menschen hinter dem neuen Medium bleiben dieselben. Beinahe zumindest. Zur Verstärkung hat das Team von Frederik Stucki klingende Namen wie Sacha Gamper und Nicola Bomio angeheuert. Ihre bisherigen Erfolgsprojekte heissen Hitradio Ö3 und Energy Zürich.
Weitere Details will die neue Radioleitung, die auch die alte ist, nicht ausposaunen. Schliesslich will das neue Radio auf dem Platz Bern sein noch zu gewinnendes Publikum überraschen.
Nur soviel sei zur Beruhigung des vieldiskutierten Medienplatzes Bern gesagt: Keinesfalls zielt Capital FM auf die Hörerschaft von Radio BE1 ab, das seinerseits mit einem Relaunch den Marktanteil verdoppelte. Erklärtes Ziel des noch geheimgehaltenen Radio-Konzepts: Den beiden SRG-Programmen DRS 1 und DRS 3 HörerInnen abgewinnen.
Das verlangt ein klares Musikkonzept, das den Rahmen der Hitradios mit den besten Hits aus den 70ern, 80ern und 90ern sprengt. Auch verlangt es qualitativ hochstehende Informationen. Diese, soviel verrät die angehende Capital FM, werden «hauptstadtregional» ausgerichtet sein. Dynamisch, frisch.
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Sollte dies nicht Ihren Ansprüchen entsprechen, so wartet drei Tage später die Schweizer Ausgabe von Radio Monte Carlo auf. Nach «capital» also «cosmopolitain». Denn laut Konzept richtet sich dieser Sender an ein Publikum mit gehobenen Ansprüchen und kosmopolitischem Lebensstil, an «sozial Bessergestellte».
Neben Nachrichten (Was das wohl sein könnte? Steuertipps? Die neuesten Off-Shore-Destinationen?) will das Radio mit dem glamourösen Namen insbesondere gehobenen Pop liefern und die In-Music-Genres wie NuJazz, Nu-Soul, Lounge und Chill out, die stilübergreifend und stilaufweichend jenen easy-listening Sound liefern, der niemanden wirklich stört und welcher Begleitmusik zu allem ist.
Hinter dem wohlklingenden Konzept steht die private Sendegruppe Monte Carlo und für die Schweizer Ausgabe Giuseppe Scaglione, der sich mit Radio 105 einen Namen geschaffen hat.
Nur: diese Wellen empfangen Sie nicht über UKW. Diese regional begrenzte Ausstrahlung würde dem Inhaltsund Musik-Konzept der Glamour-Station widersprechen. Deshalb hört Radio Monte Carlo Swiss, wer über einen komfortablen Breitbandoder zumindest Kabel-Anschluss verfügt.
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Für all jene, die sich als WeltenbürgerInnen verstehen, sich aber 2006 weder mit dem neuen Lokalsender Capital FM noch mit dem trendigen, kosmopoliten Radio Monte Carlo anfreunden möchten, all jenen sei die UKW-Frequenz 95.6 MHz nahegelegt. Von Zollikofen via Worb, Köniz über Bümpliz klingt es hier nach Welt: Jiddisch-Griechisch, El Gato Calculista, wortraum wortreich, Espaço Brasil, Crepesuzette, Piazza Italia, SchneeRadio, und, und.
Na? Erkannt? Soviel sei verraten: Das Konzept hinter diesem Programm richtet sich weder nach Marktanteilen noch nach Werbeetats. Zielpublikum: ausnahmslos alle. Es strahlt werbefrei aus der Bundesstadt und nennt sich Radio RaBe. Klingt auch nicht schlecht, oder?
Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Januar 2006