Von Lukas Vogelsang - Alles klar, es ist perfektes Timing, wenn die beiden Abwarte «Hell und Schnell» ihren neuen Job in der Kirche «St. Peter und Paul» antreten. Rund ein Viertel der Katholiken wollen ja allem Anschein nach vielleicht bei ihrer Kirche austreten, aus diesem ins Zwielicht geratenen Klub von lüstern fummelnden Priestern. Und genau da braucht es wieder einen soliden Kirchenbetrieb – und der beginnt, und das wissen wir alle, beim Abwart.
Es geht für einmal nicht um fehlerhafte Priester, sondern um eine grössere Dimension: «Himmel und Hölle». Wachen LeserInnen wird der kleine, feine Unterschied zwischen «Himmel und Hölle» oder «Himmel ODER Hölle» aufgefallen sein. So führen die Abwarte verwirrte Kir-chenbesucher auf einem theatralischen Rundgang nicht zu einem oder anderen Ort – sondern überall hin, in der Hoffnung, dass zum Schluss jeder noch den Ausgang findet.
Hinter «Hell und Schnell» stehen Luciano Andreani und Markus Schrag. Wer von denen hell und wer schnell ist, muss man für sich selber entdecken. Tipp: Die Dinge liegen nicht immer klar auf der Hand. Die beiden haben nicht im Geringsten vor, die Kirche in den Morast zu ziehen. Auch wenn bei Auftritten von «Hell und Schnell» bald mal das Gefühl von einen Terroranschlag naheliegen kann: Die Beiden geniessen das vollste Vertrauen der Kirche selbst, und diese steht hinter diesem höllischen Rundgang. Und für BesucherInnen, die sich trotz dieser mildernden Worte während des Rundgangs unwohl fühlen sollten, denen sei nahegelegt, dass in einer so-liden katholischen Kirche auch solide Beichtkammern stehen – nur für den Fall. Aber wir sprengen wieder mal mit Schwarzpulver die Gesangsbücher. So schlimm wird das ja alles nicht.
Bei «Hell und Schnell» stellt sich die Frage, wer repräsentiert eigentlich «Himmel» und wer die «Hölle»?
H: Ja, diese Frage wird immer wieder gestellt.
S: Aber die Leute beantworten diese auch immer gleich selber, und es ist immer richtig.
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, in einer Kirche einen Rundgang zu machen?
H: Also, vor eineinhalb Jahren redete ja noch niemand von diesen Bubengeschichten. Die Architektur ist sicher als erstes zu nennen, verborgene Orte, das Labyrinthartige, das Auftauchen aus etwas, das hat uns fasziniert. Es könnte auch in einer alten Fabrik geschehen. Da hätte man einfach das Thema angepasst.
S: Wir hatten auch andere Ideen für Orte für Rundgänge: Bundeshaus, der Gymer im Kirchenfeld, Historisches Museum – aber da hatten wir noch keine konkrete Geschichte. Wir suchten einfach Orte die irgendwie gefürchtet sind und ein Eigenleben haben.
H: Ich bin mal zufällig in diese Kirche, und zufällig war auch gleich der Pfarrer da und ich habe ihn auf die Idee angesprochen – er hatte sofort Hand geboten. Und wir hatten das Gefühl, diese Kirche ist sehr zentral, und trotzdem kennt sie kaum jemand wirklich. Sie ist irgendwie unverbraucht und entsprechend «keusch». Und das hat uns motiviert …
Zudem ist diese Kirche nicht beheizbar. Im Winter ist man entsprechend unterhalb in einem Raum und kommt, wenn’s wärmer wird, nach oben in den Kirchenraum. Das ist natürlich eine einmalige Situation. Deswegen kann man diesen Rundgang auch nur hier machen.
S: Ja, das macht diesen Ort auch ganz speziell. Eine Kirche kennt man, aber da unten, dieser Raum ist was ganz Spezielles.
Ihr habt gesagt, die Kirche sei noch unverbraucht. Ist sie nach Eurem Rundgang versaut?
H: Also unter Umständen schon, theologisch vielleicht. Das muss dann die Kirche entscheiden. Aber die wissen, was auf sie zukommt, und sie hatten noch so Freude daran. Also der Pfarrer hat schon gesagt: «Es ist dann immer noch eine Kirche …»
Seid Ihr selber Kirchengänger?
H: Also ich selber bin sehr oft in Kirchen. Im Münster oder in der Französischen Kirche zum Beispiel sitze ich öfters an einem Nachmittag einfach ein paar Stunden. Ich mag diesen Groove dort und fühle mich immer sehr erholt danach. In fremden Städten gehe ich immer in Kirchen, allein wegen des Handwerks. Die Architektur fasziniert mich.
Aber zusammen sind wir noch nie wirklich die religiöse Schiene gefahren. Und diese Proben in der Kirche haben uns jetzt schon ein wenig verändert: Wir sind freundlicher geworden zu-
einander und machen einander kleine Geschenke. Irgendwie sind ein paar Tropfen von diesem heiligen Geistöl doch auch zu uns gekommen.
Und was ist «Himmel und Hölle» für Euch?
H: Also, es gibt das Gute und das Böse. Das haben wir alle in uns. Also, das Böse ist ja nichts anderes als die Abwesenheit des Guten. Umgekehrt geht das ja nicht, denn das Gute ist ja immer da. Wir haben uns mit der Bibel jetzt schon auseinandersetzen müssen.
S: Das ist ja eine Symbolik, die man von Kleinauf kennt: der Himmel gleich gut. Und man will ja auf diesem rechten, auf dem richtigen Weg sein.
Und wir haben in dieser Probezeit und in diesem Arbeitsprozess auch viel über uns gelernt. Und das ist manchmal auch ein Auf und Ab, eine Art Himmel und Hölle. Dabei nimmt man viel mit. Und davon sind Teile auch in das Stück eingeflossen. Wir hoffen natürlich, dass wir nach dem dritten Mai wieder etwas mehr Himmel haben. Momentan sind wir noch ziemlich unter Druck, und man hat Zweifel. Das wird sich mit der Première auflösen.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010