Ein liederlicher Leckerbissen: eine erfolgreiche erste Nacht der Lieder im PROGR in Bern. Jacob Stickelberger war als Überraschungsgast mit dabei.
Von Ursula Ammann - Mani Matter hätte seine helle Freude an seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern gehabt. Fünfzig Jahre nach der grossen Berner Troubadurenzeit gaben sich in Bern die Besten der Schweizer Liedermacherszene mit der Nacht der Lieder eine Plattform, die nahtlos an diese grossartige Zeit anknüpft. Dass es dem Veranstalter Reto Zeller gelungen ist, mit Jacob Stickelberger den Weggenossen von Mani Matter zur Veranstaltung einzuladen, war ein besonderes Highlight, das die über 200 Besucherinnen und Besucher in der ausverkauften Aula im Progr zu einer langen Standing Ovation hinriss.
Zehn Liedermacher aus der ganzen Deutschschweiz trafen sich am 14. September zu dieser ersten Nacht der Lieder. Fast zärtlich umschmeicheln die Töne des Eröffnungsliedes die Zuhörenden. Mit „Wer bist Du, der Du da im Dunkeln sitzt“ schlägt Reto Zeller die Brücke zwischen Saal und Bühne. Dann geht es Schlag auf Schlag. Mischa Wyss tritt nicht nur als Berner, sondern auch mit Sprachtiefe und Stimmmelodie die würdige Nachfolge von Mani Matter an. Sein Lied über Medikamente löst beim Publikum durch alle Alterskategorien wahre Heiterkeitsstürme hervor. Esther Hasler zog die Anwesenden mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz und Spielvirtuosität von Beginn weg in Bann. Mit spielerischer Leichtigkeit wechselte sie durch die Schweizer Landessprachen und sinnierte über Amore, Diäten und Blickrichtungen von Babys in Kinderwagen. Res Wepfer stellte die Frage des Sinns des Daseins in den Raum und griff daneben beherzt in die Rock-Ukulele. Dänu Brüggemann’s Lied über den „Voyeur“ lies wohl manch anwesender Frau das Lachen im Hals stecken. Seine Performance hatte unglaubliche Dichte und Eindringlichkeit, die gefangen nahm. Mit Uta Köbernick trat die diesjährige Gewinnerin des Salzburger Stiers auf die Bühne. Ihre hintersinnigen Lieder mit tiefem Sprachwitz betrachtet sie nicht als Protestlieder, durchaus aber als „Wiederständchen“. Die Berlinerin, die Schweizerdeutsch gelernt hat, weil sie hier zu Hause sein will, sinnierte neben Zäunen in Europa auch darüber, wie nett es doch ist, dass „mir üs hei“ – auch wenn das durchaus andere ausschliesst.
Nach der Neuinterpretation von Stickelbergers Lied „Zwe Züg“ durch Reto Zeller kam der Altmeister dann selbst auf die Bühne und bewies den jungen Kollegen, dass er auch mit 76 Jahren noch eine unglaubliche Bühnenpräsenz hat und mit den Liedern „Familienfest“ und dem „Hürdenlauf für Senioren“ seine Sprachvirtuosität nun auf altersgemässe Themen anpasst.
Manuel Stahlberger bot dichte, hintersinnige Texte und verzichtete auf moralinsaure Auflösung derselben. Ein Meister der ungesungenen Worte. Schönholzer & Rüdisüli begeisterten zum Schluss mit feinsinnigen Texten und sehr virtuosem Begleitspiel. Wann hat man schon einmal eine Wagner-Tuba an einem Liedermacherabend gehört? Auch die virtuose „Musette“ als dezente Untermalung des „Franz“-Liedes bewies das perfekte Zusammenspiel von Text und Musik. Ein herrlicher Anlass, der im kommenden Jahr fortgesetzt wird. Liedermacherkunst vom Feinsten!
(Text wurde dem ensuite zur Verfügung gestellt, Foto: Jakob Stickelberger / Pressebild)