(Von Lukas Vogelsang) — Klingt fürchterlich, oder? Aber das ist in der Tat die letzte Ausgabe von ensuite – bevor wir das 10jährige Jubiläum feiern. Ab der nächsten Nummer sind wir erwachsen – zumindest fühlt sich das so an – und wir werden ein Stück Geschichte geschrieben haben. Bis hierher war es eine Reise ohne Landkarte, ohne genaues Ziel. Wir haben einfach eines Tages die Segel gesetzt und sind losgezogen und mussten unendlich viele Fehler machen und ausbaden – gelernt haben wir aber viel. Seit 10 Jahren schreibe ich Editorials und bin das «Frontmännchen» für rund 60 MitarbeiterInnen, welche das eigentliche Magazin Monat für Monat erschreiben. Meine Beiträge sind marginal dagegen. Und entgegen allen KritikerInnen: Es hat funktioniert, wenn auch nicht wirklich auf der finanziellen Seite.
Ohne Hoffnung und Vision wäre ein solches Magazin nie machbar. Wer zuerst an Geld denkt, hört auf, bevor der erste Artikel geschrieben ist. Für mich bedeutete dies, meine Schweizer-Sicherheitskultur abzulegen, um mich gedanklich frei bewegen zu können. Das Schlüsselerlebnis dazu entdeckte ich auf einer längeren Reise durch Mexiko, und durch den Mathematiker Kopernikus, der um die Wende zur Neuzeit behauptete, es gäbe fünf logische Systeme auf diesem Planeten. Mit diesen erlebten Irritationen verliert man irgendwie die Angst vor dem Leben.
Grotesk ist jetzt aber, wenn ich die vor ein paar Tagen vom Altpapier gerettete «Extrablatt»-Attacke der SVP zur Hand nehme, und sehe wie, vor Angst und Schrecken geplagt, nur noch nach Sicherheit geschrien wird. Ich kann dieses Sicherheitsgebrüll nicht unterstreichen, im Gegenteil: es blockiert, macht krank und vor allem verhindert es den Erfindergeist, die Kreativität, die Visionen – allem voran die Hoffnung. Und dies sind doch alles ziemlich schöne Eigenschaften des Lebens, oder? Ist die SVP denn wirklich so hoffnungslos – oder haben die einfach schreckliche Angst? Der zweite Fall ist demnach kritisch, denn wer will schon, dass ein Land, ein Kanton oder eine Stadt, eine Gemeinde, von Angsthasen regiert wird? Auch denke ich, dass Hoffnungslosigkeit keine Führungsqualität ist. Interessanterweise aber ist das «Extrablatt» der SVP wiederum ein fast kreativer, mutiger Schritt. Ich weiss was es heisst, eine Zeitung zu machen. Und deswegen wird das SVP-Extrablatt zum Absurdum: Aus der Hoffnung, eine bessere Schweiz gestalten zu können, macht die SVP eine Zeitung, die mit Angst und Schrecken gerade diese Hoffnung zunichte macht. Das ist etwa so, wie wenn ich mein Spiegelbild im Spiegel betrachte – eine Endlosschlaufe und ziemlich sinnlos. Hier ist also zu hoffen, dass das Extrablatt die letzte Ausgabe war.
Ist das ensuite — kulturmagazin auch ein «Extrablatt»? Eine Endlosschlaufe eines Angsthasen? – Nein. Der inhaltliche Trägerverein dieses Magazins heisst WE ARE, «wir sind». Das war ursprünglich eine Weltmusik-Radiosendung auf Radio Rabe, dem Berner Lokalradio. Im Anschluss war der Plan, Weltmusikkonzerte zu veranstalten. Doch persönliche Umstände verhinderten dies. Trotzdem wollte ich an diesem «WE ARE» festhalten und wenigstens das Magazin realisieren. «WE ARE» ist für mich das Symbol für Gesellschaft, Zusammenleben, das Miteinander Leben. Dass wir nach Zürich und mit artensuite sogar national expandieren würden, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erdacht. ensuite entwickelte sich durch die Nachfrage der KulturveranstalterInnen, den LeserInnen, und natürlich durch den wahnsinnigen Einsatz von all den Menschen, die verstanden hatten, dass «WE ARE» eine kleine Definition von «uns» darstellt. «… denn sie wissen nicht, was sie tun» (Rebel Without A Cause) — dieser Filmtitel hat mich immer sehr inspiriert. In meinem Kopf habe ich ihn erweitert: «…ausser man tut es.»
Und so schließt sich ein erster Zyklus mit dem Jubiläum und ein neuer Zyklus wird ab Januar beginnen. Ich weiss noch nicht, was als nächstes kommen wird, erwarten sie, liebe LeserInnen, keine Veränderungen. Aber sie wissen jetzt, dass was da gewesen ist. Und diese Erfahrung der letzten 10 Jahre kann uns niemand mehr nehmen oder schlechtreden. ensuite ist ein Teil meiner und unserer Geschichte geworden.
Mit einem herzlichen Danke an alle
Lukas Vogelsang
Weihnachtsgrüsse nehmen wir gerne entgegen:
Verein WE ARE
ensuite — kulturmagazin
Sandrainstrasse 3
3007 Bern
PC 30–651204‑6
Die AutorInnen und MitarbeiterInnen der letzten 10 Jahre (nicht vollständig!)
Michael Zwicker, Micha Zollinger, Ueli Zingg, Denis Zerulla, Katja Zellweger, Thomas Zaugg, Peter Zankl, Luca Zacchei, Gabriela Wild, Sandro Wiedmer, Ralf Wetzel, Sonja Wenger, Simone Weber, Konrad Weber, Simone Wahli, Marianne Wagner, Willy Vogelsang, Anna Vogelsang, Lucia Vasella, Jana Vanecek, Sara Trauffer, Miriam Suter, Antonio Suárez Valera, Tabea Steiner, Sarah Stähli, Philipp Spillmann, Ana-Laura Spehar, Kristina Soldati, Christoph Simon, Sarah Elena Schwerzmann, Karl Schüpbach, Erika Schumacher, Nicola Schröder Plock, Anne-Sophie Scholl, Heidi Schlumpf, Monika Schäfer, Benedikt Sartorius, Sylvia Rüttimann, Tatjana Rüegsegger, Walter Rohrbach, Barbara Roelli, Caroline Ritz, Nicolas Richard, Manuela Reissmann, Stephanie Rebonati, Lukas Ramseyer, Jarom Radzik, Alexandra Portmann, Salvatore Pinto, Eva Pfirter, Rebecca Panian, Roja Nikzad, Barbara Neugel, Marta Nawrocka, Fabienne Naegeli, Magdalena Nadolska, Sylvia Mutti, Pascal Mülchi, Monique Meyer, Sarah Merten, Belinda Meier, Andreas Meier, Kaspar Manz, Vesna Mlakar, Irina Mahlstein, Antje Luz, Ursula Lüthi, Isabelle Lüthi, Melania Loforti , Andy Limacher, Hannes Liechti, Maya Leutwiler, Albert le Vice, Michael Lack, Christoph Kummer, Hanspeter Kuenzler, Kerstin Krowas, Anna-Daria Kräuchi, Sonja Koller, Thomas Kohler, Ruth Kofmel, Nina Knecht, Claudia Keller, Mira Kandathil, Sinikka Jenni, Barbara Ineichen, Dominik Imhof, Florian Imbach, Natalia Huser, Sonja Hugentobler, Bettina Hübscher Ritler, Corina Hofer, Till Hillbrecht, Stefanie Herzberg, Bettina Hersberger, Sabine Gysi, Tobias Graden, Petra Giezendanner, Morgane Aeysha Ghilardi, Sonja Gasser, Tamara Fullin, Stephan Fuchs, Anna Francke, Gabriel Flückiger, Bruno Fauser, Georg Eberle, Hans Durrer, Frank Dievernich, Kapuly Dietrich, Noémie Delfgou, Luca D’Alessandro, Simon Chen, Sandra Bradvic, Willi Blaser, Patricia Bianchi, Maja Beutler, Peter J. Betts, David Berger, Thomas Baumgartner, Luise Baumgartner, Claudia Badertscher, Jasmin Amsler, Roger Ambühl, Heinrich Aerni
Und viele GastautorInnen, die uns in jeder Ausgabe begleiten…