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Fantoche

Von Walther Rohrbach — Das «bewe­gende» Inter­na­tionale Fes­ti­val für Ani­ma­tions­film in sein­er 9. Aus­gabe – eine Erfol­gs­geschichte.

Das Fes­ti­val mit den bewegten Bildern bewegt, und dies kann dur­chaus dop­peldeutig ver­standen wer­den. Denn nicht nur Ken­ner und Profis, son­dern auch zahlre­iche Laien und Film­begeis­terte bewe­gen sich jährlich wiederkehrend zum Inter­na­tionalen Fes­ti­val für Ani­ma­tions­film in die Kinos nach Baden. Dies nicht ohne Grund: Der Anlass, der inter­na­tionale, wie auch nationale Ani­ma­tions­filme zeigt – viele davon Pre­mieren – hat einiges zu bieten. Neben ein­er Vielzahl von Lang- und Kurz­fil­men präsen­tiert das Fes­ti­val zudem Refer­ate, Gespräche mit Experten und Ausstel­lun­gen, und ges­tat­tet damit die Möglichkeit in die viel­seit­ige Welt des Ani­ma­tions­films einzu­tauchen. Der «Inter­na­tionale Wet­tbe­werb» und der «Schweiz­er Wet­tbe­werb» präsen­tieren und prämieren zudem die besten Neuheit­en in der jew­eili­gen Sparte, und run­den das viel­seit­ige Pro­gramm ab. Fre­unde, Ken­ner und Inter­essierte des Ani­ma­tions­films dür­fen sich auf sechs span­nende Tage mit einem bre­it­ge­fächerten und inter­es­san­ten Fes­ti­val­pro­gramm freuen. Kreativ­er Kopf des Fes­ti­vals ist Duscha Kistler, welche als kün­st­lerische Lei­t­erin das gesamte Fes­ti­val­pro­gramm koor­diniert und gestal­tet. Unter ihrer Leitung hat sich das Fan­toche zu einem erfol­gre­ichen und inter­na­tion­al viel beachteten Film­fes­ti­val entwick­elt, und kon­nte beispiel­sweise im let­zten Jahr mehr als 30’000 Ein­tritte verze­ich­nen. Das ensuite-Kul­tur­magazin traf die sym­pa­this­che Wahlberner­in zu einem Gespräch.

Duscha, was ist für dich ein guter Ani­ma­tions­film?

Eine generelle Aus­sage zu machen über einen guten oder schlecht­en Ani­ma­tions­film ist schwierig, denn jed­er hat seine per­sön­lichen Vor­lieben. Ich als kün­st­lerische Lei­t­erin finde es wichtig, dass nicht nur mein per­sön­lich­er Geschmack beim Fes­ti­val vertreten ist. Ger­ade für den Inter­na­tionalen Wet­tbe­werb ist es wichtig, auch andere Blick­winkel ein­fliessen zu lassen. Deshalb arbeite ich bei der Selek­tion für den «Inter­na­tion­al» mit weit­eren Selek­tion­spart­nern zusam­men, die teil­weise aus ganz anderen Gebi­eten kom­men. Allerd­ings darf auch ein Ani­ma­tions­film­fes­ti­val einen eige­nen Charak­ter mit eige­nen Vor­lieben haben. Bei der Beurteilung von Ani­ma­tions­fil­men gibt es den­noch einige Grun­dregeln die beachtet wer­den müssen. Beispiel­sweise ist es wichtig, dass das Handw­erk beherrscht wird: Bewe­gen sich die Ani­ma­tio­nen gut? Sind die Bewe­gun­gen ruckar­tig, oder ist es handw­erk­lich exakt gemacht? Nimmt man dem kün­stlich gener­ierten trotz­dem eine gewisse Real­ität ab? Weit­er wird darauf geachtet, dass eine Geschichte strin­gent erzählt wird, und wie das Sound­de­sign daherkommt. Ein wichtiger Fak­tor ist der Umgang mit der Zeit. Es gibt viele Filme, die sind ein­fach zu lange. Es ver­langt viel Kön­nen, um einen Film auf ein Min­i­mum an Zeit herun­terzubrechen und zu ein­er Essenz zu brin­gen. Zudem muss ein Film nicht zwin­gend eine Botschaft haben, son­dern darf dur­chaus auch «nur» lustig und unter­halt­sam sein. Meine per­sön­lichen Favoriten sind Filme, die etwas erzählen und ästhetisch etwas aussergewöh­lich­es haben. Filme, die ver­suchen mit den Mit­teln der Ani­ma­tion etwas herzustellen, was man noch nicht gese­hen hat und exper­i­men­tieren, finde ich sehr span­nend. Gle­ichzeit­ig hat ein kon­ven­tioneller Film, der sehr unter­halt­sam und witzig gemacht ist und dem Pub­likum Spass macht, genau­so einen hohen Stel­len­wert.

Trotz­dem, lässt sich eine Ten­denz erken­nen bei den Fil­men, die jew­eils die ver­schiede­nen Preise gewin­nen?

Beim Inter­na­tionalen Wet­tbe­werb wer­den eher Filme aus­geze­ich­net die eine gewisse Extrav­a­ganz haben. Zudem wer­den in unserem Fes­ti­val ver­schiedene Sparten des Ani­ma­tions­films aus­geze­ich­net. Es gibt beispiel­sweise den «High-Risk Preis», oder den Preis für die «New Tal­ents», die ruhig auch her­vorstechen dür­fen. Der Gewin­ner der Rubrik «Best Film» kann aber auch kon­ven­tionell sein. Zudem ist die Eval­u­a­tion sehr abhängig von der Jury, welche von mir übri­gens auf­grund ihres speziellen und span­nen­den Blick­winkels gewählt wird.

Bei heuti­gen Ani­ma­tions­fil­men denkt man an aufwändi­ge Com­put­eran­i­ma­tio­nen. Gibt es über­haupt noch Handze­ich­nun­gen, oder find­et mit­tler­weile alles auf dem Com­put­er statt?

Klar, das gibt es noch. Sog­ar noch mehr als man erwarten würde. Dies vor allem im Kurz­film­bere­ich. Tat­säch­lich wer­den weniger Com­put­er einge­set­zt, als man vielle­icht ver­muten würde. Es gibt noch sehr viele, die in diesem Bere­ich tätig sind, welche das Handw­erk lieben und ihren eige­nen Stil wollen. Grund­lage eines Kurz­films ist oft­mals eine Zeich­nung, oder die Malerei, Fig­uren oder Pup­pen die später mith­il­fe der Com­put­ertech­nik nach­bear­beit­et wer­den. So gibt es dur­chaus noch Filme, wo die Grun­dan­i­ma­tion mit Fig­uren oder Pup­pen gemacht wird, und erst in der Post­pro­duk­tion mit dem Com­put­er nach­bear­beit­et wird. Das ist das Span­nende bei den Ani­ma­tions­fil­men: man hat eine riesige Band­bre­ite von tech­nisch hochste­hen­den 3D com­put­era­n­imierten Fil­men bis zu den ganz ein­fachen Zeichen­trick­fil­men. Es gibt aber extrem grosse Qual­ität­sun­ter­schiede zwis­chen den einge­sandten Fil­men. Wir wählen aus über 900 Fil­men aus, und schlussendlich wer­den nur ganz wenige am Fes­ti­val gezeigt. Die Selek­tion der Filme ist immer eine inten­sive Zeit, während zehn Tagen wer­den die Filme aus­gewählt.

Was sind das für Leute die Ani­ma­tions­filme her­stellen? Gibt es tat­säch­lich diese Nerds, die tage­lang vor dem Bild­schirm sitzen?

Einige Ani­ma­tions­filmer sind tat­säch­lich Freaks! Ich meine das nur pos­i­tiv. Es sind Leute die abso­lut fasziniert sind von dem Medi­um, und dem Gener­ieren und Schaf­fen von eige­nen Bild­wel­ten. Zudem ist es eine sehr angenehme Szene, unprä­ten­tiös und ohne grosse Stars. Aber auch hier ist die Band­bre­ite der Film­schaf­fend­en sehr gross: So gibt es viele, die im Team arbeit­en, andere wiederum, welche die Filme von A bis Z alleine pro­duzieren. Bei den Lang­fil­men sind oft um die 100 Leute im Team dabei, die das Ganze mit Pro­duk­tion­szeit­en von vier bis fünf Jahren umset­zen. Aus diesem Grund unter­schei­den sich die Filme auch bezo­gen auf die investierte Zeit erhe­blich. So kann man in ein­er Woche einen 15-minuti­gen Ani­ma­tions­film her­stellen oder viel mehr Zeit dafür investieren.

Wie würdest du das Pub­likum beschreiben?

Wir haben ein gut durch­mis­cht­es Pub­likum, das vor allem eines ist: sehr an der Materie inter­essiert! Vom Kleinkind bis zum Rent­ner sind die ver­schiede­nen Altersstufen gut vertreten. Wir haben zwar einige Sachen, die sehr Branchen­spez­i­fisch sind, und die wir auch speziell für diese Branchen brin­gen, aber schlussendlich sind wir ein Pub­likums­fes­ti­val. Trotz der Tat­sache, dass wir nicht ein wirk­lich­es Main­stream­fes­ti­val sind, ist das Fes­ti­val beim Pub­likum sehr beliebt und wird von den Leuten rege besucht. Einen beson­ders schö­nen Moment während des Fes­ti­vals finde ich, wenn man das Kino betritt und spüren kann, wie sich die Leute für das Darge­botene inter­essieren. Beson­ders bei den Fil­men, die beim Inter­na­tionalen Wet­tbe­werb mit­machen, wo neben leicht­bekömm­lichen auch wirk­lich anspruchsvolle und schw­er ver­daubare Filme gezeigt wer­den, ver­hält sich das Pub­likum inter­essiert. Ich finde wir haben ein sehr gutes, aus­ge­wo­genes, neugieriges Pub­likum.

Kannst du das Fes­ti­val über­haupt geniessen bei dem hohen Druck und der grossen Ver­ant­wor­tung?

Sicher­lich kann man sagen, dass es sechs sehr inten­sive Tage sind, während denen ich in den Kinos unter­wegs bin, Filme ansage und diverse Gäste begrüsse. Das ist nicht unbe­d­ingt nur mit Stress ver­bun­den, son­dern es ist auch die Zeit, in der man die Früchte für die geleis­tete Arbeit ern­ten kann. Im Kino zu sein und mitzubekom­men, ob es funk­tion­iert, finde ich sehr wichtig. Eben­so die Momente durchzuste­hen, wenn man merkt, dass etwas nicht funk­tion­iert, gehören zum Fes­ti­val dazu. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Pro­gramm bei den Kurz­fil­men zu lang wird und die Leute unruhig wer­den, oder wenn ein Red­ner zu lange oder am The­ma vor­bei referiert. Bei einem Fes­ti­val arbeitest du zudem auf einen Höhep­unkt hin, was eine enorme Tea­mar­beit erfordert. Wenn man das Fes­ti­val gemein­sam erlebt, schweisst das extrem zusam­men. Eigentlich ist ein Fes­ti­val immer auch ein Gemein­schaft­ser­leb­nis.

Eignet sich denn der Ani­ma­tions­film auch zur Darstel­lung von ern­sten The­men?

Viele Leute reagieren erstaunt, dass dies mit einem Ani­ma­tions­film möglich sein soll, da diesem häu­fig die Vorstel­lung des Fan­tastis­chen anhängt. Der Ani­ma­tions­film wird oft gle­ichge­set­zt mit etwas Erfun­den­em, Unrealem oder Unern­sthaftem. Tat­säch­lich gibt es das natür­lich oft. Gle­ichzeit­ig gibt es einige ern­sthafte Filme, auch wenn sie voll­ständig der Fan­tasie entsprin­gen. Der Ani­ma­tions­film kann eben­so doku­men­tarisch sein wie ein Real­film. Allerd­ings auf eine andere Art, da er ein reales Bild ergänzen kann durch innere Bilder, oder etwas dargestellt wer­den kann, das mit einem realen Bild nicht hätte aufgeze­ich­net wer­den kön­nen. Beispiel­weise der ani­mierte Doku­men­tarfi­ilm über die grüne Welle im Iran, «The Green Wave», wo der Filmemach­er gewisse Bilder und Sit­u­a­tio­nen erlebt hat, die er selb­st nicht fil­men kon­nte. Mith­il­fe der Ani­ma­tion kon­nte er sie nach­bilden.

Gibt es kul­turelle Unter­schiede im Ani­ma­tions­film und lassen sich nationale Unter­schiede aus­machen?

Ja, die gibt es dur­chaus. Wenn auch immer weniger. Die Unter­schiede wer­den immer klein­er, und die ver­schiede­nen Eigen­heit­en ver­fliessen zunehmend. Beispiel­sweise der «Anime»-Stil aus Japan, welch­er typ­isch für Ani­ma­tions­filme aus Fer­nost ist. Allerd­ings wird das heute zunehmend durch­brochen, und es gibt auch andere japanis­che Filme. Auch Rus­s­land hat einen ganz bes­timmten Stil in der Zeichenan­i­ma­tion. Ken­ner merken sofort, dass gewisse Filme auf­grund ihres eige­nen Stils aus Rus­s­land kom­men. Es gibt Natio­nen, in welchen der Ani­ma­tions­film stärk­er ver­bre­it­et ist. So kann Rus­s­land als eine Ani­ma­tions­film-nation beze­ich­net wer­den, eben­so Kana­da und Frankre­ich. Die Schweiz ste­ht dabei gar nicht so weit abseits. Obwohl sie rel­a­tiv klein ist und nur eine kleine Szene besitzt, haben wir zwei bis drei Film­schaf­fende, die mit ihren Fil­men inter­na­tion­al ständig unter­wegs sind. Zudem gibt es in Luzern seit zehn Jahren eine Aus­bil­dung in diesem Bere­ich, deren Auswirkun­gen bemerk­bar sind. Mein­er Mei­n­ung nach ist der Schweiz­er Ani­ma­tions­film die Sparte inner­halb des Schweiz­er Films, die inter­na­tion­al am meis­ten Aufmerk­samkeit geniesst. Zudem gewin­nen Schweiz­er Kurz­filme wieder­holt Preise.

Was schaust Du pri­vat für Filme?

Das kommt im Moment lei­der sehr sel­ten vor, da ich nicht viel Zeit habe. Wenn, dann schaue ich sel­ten Ani­ma­tions­filme. Dies mache ich am Fes­ti­val zur Genüge, und wenn ich pri­vat ins Kino gehe, schaue ich gerne auch andere Filme. Gerne mag ich Doku­men­tarfilme oder auch nor­male Spielfilme.

Foto: zVg.
ensuite, Sep­tem­ber 2011

Artikel online veröffentlicht: 18. Februar 2019