Von Hanspeter Künzler — Die Gebrüder Allman, Gregg und Duane, und ihre Allman Brothers Band gehörten zu den innovativsten und populärsten amerikanischen Blues-Rock-Bands der frühen 70er Jahre. Die Band lebte das Leben hart.
Duane kam 1971 bei einem Motorradunfall ums Leben, Bassisten Berry Oakley ereilte ein Jahr später das selbe Schicksal, derweil Gregg von Drogen- und Eheproblemen gebeutelt wurde (eine seiner mindestens sechs Ehefrauen war Cher). Aber mit drei Originalmitgliedern ist die Band in den USA noch heute eine beliebte Konzertattraktion. Eher unerwartet kommt nun ein Solo-Album von Leader Gregg Allman – vierzehn Jahre nach seinem vorherigen.
Herr Allman, warum nach langen vierzehn Jahren plötzlich dieser Ausbruch von Kreativität?
Nun, ich lernte halt diesen Typen kennen, T‑Bone Burnett. Während einer Allman Brothers-Tour kamen wir in Memphis vorbei, und da traf ich ihn. Er hatte so ein Gerät bei sich, da hatte es tausende von alten Blues-Stücken drauf. Und ich meine, alt! Billie Holiday-alt. In den alten Tagen hatten sie noch Langspielplatten, und vieles waren längst vergessene Album-Tracks. Am Ende schickte er mir Songs und bat mich, fünfzehn davon auszusuchen und in meinem Stil neu zu arrangieren. Ich wusste sofort: Mann, das wird eine gute Sache. Und siehe da, ich hatte recht.
Kannten Sie Burnett vorher nicht?
Nie auch nur den Namen gehört.
Und die Leute in der Band?
Von Doyle Bramhall II hatte ich gehört, und Dr. John hat auf meiner zweiten Solo-Platte gespielt, «Playing Up a Storm», 1976. Burnett suchte die Musiker. Anfänglich hatte ich Bedenken. Mit Leuten spielen, die ich nicht kannte? Aber dann wurde im Studio der erste Song angezählt, und sogleich waren alle Vorbehalte verflogen.
Bedeutet das, dass Sie weitere Alben in diesem Stil einspielen möchten?
Ich hoffe es sehr, das ist echt wahr! Als Tommy Dowd im Jahr 2002 dahinschied, war es nicht nur die Trauer und all die anderen Sorgen, welche die Tragödie des Todes begleiten. Ich fragte mich auch, was nun passieren würde, sollte ich jemals wieder ein Aufnahmestudio betreten. Seit 1970 ist er unser Produzent gewesen. Ich konnte mir nicht vorstellen, je einen anderen Produzenten einreiten zu wollen. Andererseits ist es unmöglich, im Studio auf beiden Seiten der Glasscheibe zu sitzen. Und dann kam T‑Bone Burnett, und wir kamen grossartig aus miteinander.
Was hat er nebst den tollen Songs sonst noch ins Studio mitgebracht?
Die totale Kommunikation. Er war für jede Idee zu haben. Es gab keinerlei Komplikationen. Ich hatte damit gerechnet, für die Aufnahmen drei Wochen in Los Angeles zu verbringen. Nach zwölf Tagen flog ich bereits weiter.
Und wenig später mussten Sie sich einer Lebertransplantation unterziehen. Wie geht es Ihnen heute?
Au weja, das waren vielleicht Schmerzen! Die meisten Patienten, die eine neue Leber bekommen, stehen mit einem Bein im Grab. Bei mir war es anders. Wir hatten viel Spass mit der Band, Parties und all das Zeug. Und dann wachte ich eines Tages auf und fühlte mich, als sei ich von einem Zug niedergemäht worden. Oh mein Gott! Ich brauchte drei Tage, ehe ich nur wieder gehen konnte. Aber ich hatte dieses wunderbare Album, dessen Veröffentlichung auf mich wartete. Und heute geht es mir toll.
Im CD-Büchlein ist die schöne Geschichte nachzulesen, wie Sie vom Blues gepackt wurden, als Sie mit zehn Jahren BB King in Nashville live erlebten. Wie kam es, dass Sie in dem Alter da reinkamen?
Es wurde kein Alkohol ausgeschenkt, drum war das kein Problem. Die gleiche Halle, das Nashville Municipal Auditorium, war seither für mich selber zwölf Mal ausverkauft! Ich könnten noch genau den Sitz zeigen, wo ich damals als 10jähriger sass. Eine grossartige Erinnerung.
Wie kommt ein 10jähriger dazu, ein Blues-Konzert zu besuchen? Damals war doch eigentlich Rock’n’Roll Trumpf.
Gute Frage. Ich weiss darauf echt keine Antwort. Ausser vielleicht, dass mein Bruder und ich kurz vorher eine Radiostation entdeckt hatten, die ab neun Uhr abends Blues spielte und um halb vier Uhr morgens auch noch etwas Jazz. Howlin’ Wolf, Muddy und Sonny Boy entdeckte ich so. Und ich hörte meine erste Hammondorgel. Jimmy Smith!
Was hielten Sie damals vom britischen Blues-Boom, von dem, was zum Beispiel die Rolling Stones aus dem Blues machten?
(grosses Gelächter) Da bringen Sie aber ein heikles Thema auf den Tisch! Mein Bruder sagte jeweils: «British Blues – ha! Britischen Blues gibt es nicht. Der Blues wurde in den Südstaaten geboren.» Nun, ich bin da etwas weniger konsequent. Ich habe auch schon guten britischen Blues gehört. John Mayall zum Beispiel, der ist Killer.
Foto: zVg.
ensuite, März 2011