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kuba – teil 3

Von Rebec­ca Pan­ian — Die Insel und ich: Ich bin von Natur aus neugierig. Sehr. Deshalb set­ze ich mich selb­st immer wieder gerne unbekan­nten Sit­u­a­tio­nen aus, um erstens zu sehen, wie ich mich darin behaupte und zweit­ens, um aus meinem Han­deln und aus den damit ver­bun­de­nen Reak­tio­nen von aussen Neues über mich und meine Umwelt zu ler­nen. Unbekan­nte Sit­u­a­tio­nen tre­ffe ich vor allem dann an, wenn ich es wage, mein gewohntes Umfeld zu ver­lassen — weg vom ach so ver­traut­en und automa­tisierten All­t­ag. Zugegeben, auch wenn ich das Unbekan­nte liebe, ich fürchte mich auch davor. Eine Has­sliebe ver­mut­lich. Ich weiss, was es mir bringt – diese Kon­fronta­tion, fast schon eine Art Kampf, ein Kampf um neues Wis­sen. Aber genau­so sitzt mir ständig die Angst im Nack­en, ein­mal an etwas Unbekan­ntes zu ger­at­en, das sich nicht bekan­nt machen lassen will und mir damit fremd bleibt. Meine let­zte grössere Reise war eine Sprachreise nach Kuba, genauer, Havan­na. Ich wusste schon sehr viel über Fidels Reich, als ich ins Flugzeug stieg. Und irgend­wie war ich ein­fach ges­pan­nt, wie sich die Real­ität gegenüber meinen gesam­melten The­o­rien ver­hal­ten würde…

Schwitzen Das Erste, was mich beina­he sprich­wörtlich umge­hauen hat, war die kon­stante Hitze und die hohe Luft­feuchtigkeit in diesem Land. Ich meine ich WUSSTE, dass es heiss sein würde. Klar. Hal­lo? Karibik und so? Gut. Aber als ich meinen Kör­p­er tat­säch­lich diesen Tem­per­a­turen aus­set­zen musste, war die Über­raschung trotz aller Ken­nt­nis der Tem­per­aturta­bellen Kubas enorm: Ich schwitzte kon­stant. Immer. Über­all. Ich stieg aus der Dusche und zwei Minuten später tropfte ich erneut. In der Schweiz bin ich froh, wenn ich meine strahlend weis­sen Beine im Som­mer mit Dreiviertel­ho­sen bedeck­en und trotz­dem der Hitze trotzen kann, ohne gle­ich zu zer­fliessen. Auf Kuba allerd­ings war es mir spätestens nach dem zweit­en Tag ganz ehrlich SCHEISSEGAL, wie ich aus­sah – Haupt­sache, ich musste so wenig Stoff wie möglich am Kör­p­er tra­gen, denn der wiederum hat­te ohne­hin nur die gemeine Absicht, pen­e­trant nervig auf der Haut festzuk­leben. Ich bewun­derte die Kubaner an mein­er Schule dafür, dass sie es wagten, mit Jeans (richtig fes­ten Jean­sho­sen) herumzu­laufen, ohne zu schwitzen, jeden­falls nicht in Bächen, so wie ich es tat. Ein Wun­der. Oder jahre­lange Übung.

Com­put­er Die Knap­pheit an Com­put­ern ist längst kein Geheim­nis mehr. Auch nicht, dass es wahnsin­nig teuer ist, das Inter­net zu benutzen. Das «wusste» ich also bere­its (in der The­o­rie). In Kuba war ich ganze vier Mal im Netz. Vier­mal in vier Wochen. Mein absoluter per­sön­lich­er Minus­reko­rd. Warum? Erstens, weil der Gang ins Netz die Geld­börse wirk­lich ziem­lich schrumpfen liess. Zweit­ens: Weil es nicht wirk­lich leicht war, an einen funk­tion­ieren­den PC zu gelan­gen und drit­tens: Weil die Inter­netverbindung soooo langsam war. Der kuban­is­che All­t­ag machte mir wieder bewusst, wie unglaublich ver­wöh­nt wir hierzu­lande sind: Klapp – Lap­top aufgeschla­gen – zack – google auf – zack – online die Zeitung lesen – zack – face­book (auf der Suche nach neuen Kon­tak­ten) – zack – Out­look auf und E‑Mails check­en – zack – noch schnell iTunes starten und so weit­er und so fort. Die Welt (des Inter­nets) ste­ht uns offen – jed­erzeit und müh­e­los. Dieses Beispiel (stel­lvertre­tend für viele andere «Kleinigkeit­en» des täglichen Lebens) zeigte mir ein­mal mehr, wie blind wir gegenüber unserem täglichen Luxus gewor­den sind. Natür­lich, es ist unser All­t­ag und wir kön­nen ja nichts dafür, dass wir hier geboren wur­den, bla bla bla. Richtig. Aber ich finde, dass uns kein Zack­en aus der Kro­ne fällt, wenn wir uns immer wieder mal WIRKLICH vor Augen führen, wie glück­lich wir uns schätzen dür­fen, dass diese «Kleinigkeit­en» für uns nor­mal sind. Dafür kann man ruhig auch mal wieder dankbar sein.

Heirat­en, leicht gemacht Ich habe mich oft mit dem Leit­er mein­er Sprach­schule unter­hal­ten und ver­sucht, ihm einige Geheimnisse über Kuba zu ent­lock­en. Beson­ders eine Sache, die er mir anver­traute, hat mich wirk­lich sehr über­rascht: Heirat­en, meinte er, sei ver­mut­lich beina­he das Ein­fach­ste, was man in Kuba tun könne. Sich schei­den lassen übri­gens auch. Ich hätte also zum Beispiel in mein­er ersten Kuba-Woche heirat­en und mich in der drit­ten wieder tren­nen kön­nen. Zack und gut is (hier funk­tion­iert das «Zack», ganz im Gegen­satz zur Com­put­er­welt!). Übri­gens nutzen sehr viele Kubaner diese Möglichkeit, um so in den Genuss von eini­gen Hotelüber­nach­tun­gen zu kom­men. Denn in Kuba ist es Usus, dass frisch ver­mählte Paare vom Staat eine Woche Hote­laufen­thalt in Form von Gutscheinen geschenkt bekom­men – eine «Flit­ter­woche» sozusagen. Nicht sel­ten aber verzichtet das glück­liche Paar auf die staatlich verord­nete Hotel­ro­man­tik, um die Gutscheine auf dem Schwarz­markt für ein paar zusät­zliche Pesos zu ver­scher­beln. Zumin­d­est in Anbe­tra­cht dieses Sup­ple­ments lohnt es sich also, auf Kuba zu heirat­en! Na dann: ¡Salud!

Foto: Rebec­ca Pan­ian
ensuite, März 2009

Artikel online veröffentlicht: 6. August 2018