Von Anna Roos — Die Weise, wie man einen Umbau betrachtet, wie man mit einer bestehenden Architektur umgeht, ist eine interessante und wichtige Frage in einer Zeit, in der man versucht, so viel wie möglich zu recyclen. Die Verwandlung der alten, denkmalgeschützten Tuchfabrik (1958–59) des Architekten Henry Daxelhofer, ist ein schönes Beispiel, wie man industrielle Gebäude ganz neu konzipieren kann. Wie die Tate Modern in London von Herzog & de Meuron, ist der Umbau der Hochschule für Kunst im 2008 auch eine gelungene Verwandlung, die einer Fabrik in einen Ort Bildender Kunst. Beide Fabrikgebäude haben heute eine neue Nutzung, dank des Talents des Architekten. Beide haben das Positive und Spannende der bestehenden Architektur in sich aufgenommen. Die alten Gebäude hatten Glück, dass die Architekten respektvoll und feinfühlig vorgingen. Sie haben den Geist und die Persönlichkeit der «alten» Architektur verstanden und wahrgenommen.
Rolf Mühlethaler, der bekannte Berner Architekt, hat es geschafft, die neue Funktion der Kunsthochschule in die alten Fabrikhallen in Bümpliz zu integrieren. Die Bedingungen, Grosszügigkeit und Flexibilität zu kreieren, hat der Architekt mit seinem Entwurf wirklich erfüllt.
Mühlethaler hat die Gelegenheit, das riesige Volumen von über 80 000 Kubikmetern umzubauen, voll genutzt: Mit seinem «light touch» hat er mit grosser Sensibilität, die Fabrik in einen Ort für Kunststudenten umgewandelt. Der Erfolg des Projekts liegt nicht nur in seinem architektonischen Beitrag, sondern auch darin, was er entschieden hat, nicht zu machen. Er hat Flächen in ihrer urspünglichen Form und Gestaltung belassen und Schichten, Farbe und Texturen nicht angerührt. Es wirkt wie eine 3D-Collage über ein halbes Jahrhundert Geschichte. Einen solchen Reichtum bekommt man nicht in einem Neubau.
Der Eingang zur Hochschule ist in der sechs Meter breiten Zirkulationsachse vertieft. Neben dem Eingang, wo ursprünglich die Cafeteria war, ist die heutige «kaFe», die sich zum Quartier hin durch die rahmenlose Glasfassade öffnet. Ein genialer Ort, um am Morgen eine Znüni-Pause einzulegen.
Der Grundriss ist in Reaktion auf das bestehende Tragwerk aufgebaut. Ein zentraler Aufzug und Treppenkern, bildet die vertikale Fixierung der Struktur. Die Ateliers falten sich – vom axialen Gang aus – symmetrisch auf wie Schmetterlingsflügel.
Die «Etagentrilogie» von Mühlethaler hat dem Projekt eine klare Logik gegeben. Jedes Stockwerk hat einen völlig anderen Charakter. Licht und Kunstateliers gehören zusammen wie eine Hand in einen Handschuh. Die Lichtstimmung ist auf jeder Etage anders, es nimmt langsam zu. Wie Farben, mischen sich Architektur und Licht so, dass es subtile Kontraste und unterschiedliche Atmosphären ergibt. Wo es wenig Tageslicht gibt – wie im Untergeschoss – wurden die technische Werkstätte und die klimatisierten Ateliers für Restaurierungsarbeiten eingerichtet. Im Erdgeschoss sind Ausstellungsräume und installationsintensive Werkstätten und Atelier-Räume. Hier gibt es etwas mehr Licht, dank des Durchbruchs der Fassade. Die Einfahrt für Autos wurde möglich gemacht, und die Strasse ist gleichzeitig Fussgängerweg. Sie befindet sich an der Stelle, wo die Fabrik früher ihre Lieferungen abgewickelt hat.
Je höher man steigt, desto näher ist man an den Dachfenstern und desto heller wird es. Deshalb sind die oberen zwei Geschosse mit Licht durchflutet. Die gewölbte Decke des Sheddachs trichtert Licht in die Ateliers. Es ist sanftes Nordlicht, das nicht blendet und keine Schlagschatten verursacht. Die hochaufragenden Ateliers nehmen das unvermeidbare Chaos der Kunststudenten leicht auf. Die Höhe der Fenster zeigen metaphorisch, dass die Arbeit auf höheren Idealen strebt.
Mühlethaler hat einen grosszügigen und flexiblen Umbau entworfen, er hat viele Räume und Orte in der riesigen Hülle erschaffen, er hat Licht wie Farbe benutzt, um zu inspirieren und um die Imaginationen zu wecken.
Anna Roos ist Architektin bei «kr2» und stammt aus Südafrika, ihre Muttersprache ist Englisch. Ihre Texte werden in Zusammenarbeit mit ensuite — kulturmagazin übersetzt.
Foto: Alexander Gempeler — www.architekturfotografie.ch
ensuite, Februar 2010