Von Fabienne Naegeli — EIn Musical über den Samichlaus: «… Hinder em Ofe stek i. Gib mer Nüss und Bire. De chumen i wider füre.» so ähnlich klingt es um den 6. Dezember wahrscheinlich in vielen weihnächtlich geschmückten Schweizer Stuben. Doch wer ist dieser alte, weise Mann mit dem roten Mantel, dem langen, weissen Bart, der Rute, sowie dem dicken Buch und seinem Gehilfen, dem Schmutzli, der den grossen Sack mit den Nüsschen, Mandarinen und Lebkuchen trägt und den Esel durch den schneebedeckten, dunklen Tannenwald führt? Gibt es den Samichlaus wirklich? Und wenn ja, woher kommt er und was steckt hinter dieser von Legenden umwobenen Figur, die sich mit Glockengebimmel, tiefer Stimme und dumpfem Pochen an der Türe ankündigt, und alljährlich kleine Kinderherzen aus Angst und gleichzeitiger Freude höher schlagen lässt? Nach der ersten gemeinsamen Theaterproduktion im vergangenen Sommer, «Die Dällenbach-Macher», begibt sich das Trio Nater/Glatthard/Bachmann mit journalistisch-musikalischem Spürsinn nun auf die mythischen und die gegenwärtigen Pfade des «Samichlaus». Vielseitige Recherchen und Interviews mit Kennern und Experten wie den Mitgliedern der St. Nikolaus-Gesellschaft in Zürich oder der Samichlousezunft Bern, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert, geben Einblicke hinter die Kulissen, in die verborgene Welt des Brauches. Historisch gesehen stammt der Samichlaus aus der heutigen Türkei, was aber die Skandinavier beispielsweise vehement bestreiten und als Fälschung abtun, denn der Herr mit dem Sack habe bekanntlich seine Wurzeln bei ihnen im hohen, kalten Norden. Im 4. Jahrhundert gab es einen reichen, mächtigen Bischof, Nikolaus von Myra (heute Demre), der sich durch seine gros-se Nächstenliebe auszeichnete, und viele Wunder vollbracht haben soll. Seine Gebeine wurden schliesslich vor der Stadteroberung um 1087 von Süditalienern geraubt und nach Bari gebracht, wo sie bis heute in der Basilika San Nicola aufbewahrt werden. Über den Samichlaus gibt es unzählige Geschichten aus verschiedenen Epochen und Kulturen, wahrscheinlich so viele wie es Nikoläuse gibt. Er ist ein Zeitgenosse, der alle Generationen fasziniert und ehrfürchtig zu ihm aufblicken lässt, der sich Wertvorstellungen anpasst und leicht instrumentalisierbar ist. So ist der Heilige Nikolaus zum Beispiel Schutzpatron der Seefahrer, Kinder, Kaufleute, aber auch Russlands, sowie Stadtheiliger von Freiburg. Währendem er das Lob ausspricht, ist der Schmutzli oder Knecht Ruprecht, ursprünglich ein gebändigter Dämon, derjenige, welcher die Bestrafung der Kinder übernimmt. Neben der pädagogischen Funktion als Erziehungshelfer ist der Samichlaus Süssigkeiten- und Geschenkeverteiler in Kaufhäusern, Werbeikone, Berater bezüglich dem Zustand unserer Gesellschaft, und eine patriarchale, meist unhinterfragte Autorität. Für Nater und Glatthard, die sich nicht zuletzt für das akustische Phänomen Samichlaus interessieren, ist er ein verehrungswürdiger Musical-Held. Bereits um 900 hat ein Kleriker zu Eichstätt (D), Bischof Reginold, ein Gedicht zu Ehren des heiligen Nikolaus vertont, das dann am Samichlausentag jeweils gesungen und szenisch umgesetzt wurde. Mit mittelalterlichen und zeitgenössischen Liedern, sowie vor allem eigens komponierten Musical-Songs, und vielen zuckersüssen Historien packen die beiden Kläuse Nater und Glatthard in «Samichlaus – Das Musical» das Theaterpublikum in den Sack, und entführen es mit ihren tausenden von erzählten und ersungenen Samichläusen zusammen in die besinnliche, vorweihnächtliche Winterzeit. «De Samichlaus, de Samichlaus, so tönts vo Huus zu Huus. Gar mängem Chind chlopft s’Herz so fescht, und luegt zum Fenster uus. Jetzt polderets dur d’Stege-n-uuf, was hed er ächt im Sinn? Er treit en Sack so schwer und grooss, was tuusigs isch da drinn? De Sack de nimmt er immer mit für d’Chinde grooss und chlii. De braave leert er d’Nusse druus, die böse steckt er drii.»
Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010