Von Patrik Etschmayer - Burkas und Nikabs nerven den Autoren. Sie stören ihn extrem und er kann sogar nachvollziehen, warum manche Leute diese verbieten wollen. Doch genau wegen der Symbolik dieses Schrittes ist er auch ziemlich sinnlos und sollte zugunsten anderer Massnahmen ignoriert werden.
Das Einsperren von Frauen in einem Stoffgefängnis ist eine unwürdige Praxis und ein ziemlich perfektes Symbol der Unterdrückung von diesen durch eine patriarchalische Gesellschaft. Zudem zeichnet sich diese Praxis durch eine extreme und öffentliche Sichtbarkeit aus. Wer mit einem humanistischen Hintergrund aufgewachsen ist verspürt — vor allem auch wegen all der mit diesem Zelt-Outfit einhergehenden Assoziationen, zurück gestossen: IS, Taliban und Boko Haram, sind die ersten Gedanken, die einem ins Hirn schiessen, sieht man eine solche ‘Briefkastenfrau’ auf der Strasse. Die Vollverschleierung ist im Koran nirgends gefordert, sondern hat sich aus der traditionellen Bekleidung von Wüstenstämmen — aus denen zufälligerweise auch die Salafisten hervorgegangen sind, entwickelt. Jetzt ist sie vor allem ein Zugehörigkeitszeichen zu dieser Glaubensrichtung: Nikab und Burka sind Symbole einer Sektenzugehörigkeit.
Doch ist eine solche Gestalt (denn ob es wirklich eine Frau ist, lässt sich an sich nicht sagen) auch eine Befriedigung für das eigene kulturelle Ego. Wir, “die Zivilisierten“, würden so etwas nie von Frauen verlangen und deshalb sind wir besser. Und dieses “besser Sein” soll zum öffentlichen Faktum werden, gesetzlich durchgesetzt und fest geschrieben. Und auch ein solches Gesetz wäre — angesichts der Tatsache, dass die Anzahl der Vollverhüllten bei uns (ausser der unsäglichen Nora Illi) gegen null geht — lautstark nach aussen getragener Symbolismus, eine leere Geste, die nichts am grundlegenden Problem ändern würde.
Dabei wird die Debatte vorzüglich an den echten Problemen vorbeigelenkt. Wer sich auf Symbole konzentriert, die laut und leidenschaftlich diskutiert werden, da sie impulsive Emotionen auslösen (dem Autor geht es ja nicht anders) wird nicht lange mit kalter Analyse das Thema zerlegen wollen. Entsprechend ist die Diskussion auch von vielen Ausrufezeichen dominiert und von wenigen Fragezeichen.
So leben wir in Europa in vielen Ländern eine mehr oder weniger offene Lüge des säkularen Staates. Kirchen haben — obwohl kein Teil des demokratischen Staates — immer noch extremen Einfluss auf diesen, benutzen dessen Infrastruktur (Kirchensteuer, Universitäten) und bekommen in vielen Kantonen sogar von Firmen Steuern geliefert, ob sich diese Firmen nun dem Glauben verbunden fühlen oder nicht. In Deutschland betreiben Kirchen staatlich finanzierte Kindergärten, Spitäler und Pflegeheime, ja sogar Hilfswerke und ignorieren dort Arbeits- und Persönlichkeitsrechte der Angestellten, die bei allen anderen Arbeitgebern garantiert sind. Und es geht soweit, dass die katholische Kirche während Jahren Kinderschänder vor dem Zugriff der Justiz beschützte und immer noch beschützt.
Genau solche Begünstigungen und rechtsfreien Räume der Kirchen verstärken auch die Positionen der Islamisten. Denn sie können sich auf Gleichbehandlung berufen: Auf den Staat, dessen Behörden und Gesetzgebung Einfluss zu nehmen ist absurderweise immer noch Privileg von wichtigen religiösen Organisationen und wenn der Islam allein durch die Anzahl der Gläubigen wichtiger wird, wächst logischerweise auch dessen Anspruch auf dieselben Privilegien, wie sie die Kirche geniesst. Darum ist auch der Ruf nach einer ‘Stärkung’ des Christentums als Gegenmittel zum Islam völlig fehl am Platz. Notwendig ist weniger Religion in Schule, Staat und Politik. Und mehr Sachlichkeit und Weltlichkeit. Denn nur die Trennung von Staat und Kirche kann garantieren, dass Bewegungen nicht irgendwie ungehörigen Einfluss auf den Staat nehmen.
Vor dieser Realität und deren Diskussion schrecken die meisten etablierten politischen Kräfte zurück und berauben sich so selbst des besten Mittels, sich der Einflüsse von religiösen Kräften zu erwehren: Jenes, dass in unseren Staaten vor dem Gesetz wirklich alle gleich sind. Und nicht einige gleicher… oder heiliger. Doch diese Debatte würde ans Eingemachte gehen und manche Stammwähler der C‑Parteien nachhaltig verschrecken, obwohl sich gerade diese am meisten vor den Islamisten fürchten.
Deshalb sind Burka- und Nikab-Diskussionen viel bequemer: Es wird maximal aufsehen bei minimalem Effekt und Risiko erzielt. Finanzflüsse aus radikal islamistischen Ländern werden so ebenso wenig von dieser Debatte berührt, wie die Handhabung von Predigern, die aus solchen Ländern finanziert an der Radikalisierung von jungen Muslimen in Europa arbeiten.
Bei der ganzen Burka-Diskussion geht es vor allem um die Befindlichkeit der Initianten, um deren Ego und dem Gefühl, es ‘denen’ zeigen zu können. Nur so ‚zeigt‘ man ‚denen‘ gar nix, sondern einfach, dass wir sehr gut darin sind, maximalen Aufwand für minimalen Effekt zu betreiben.
Bild: Ein weiterer sinnloser Bildbeitrag in der Burkadiskussion: “Gurken-Burka” Foto: unbekannt