Von Walter Rohrbach - Vom 5. bis 9. Oktober 2011 feierte das Internationale Kurzfilmfestival in Bern bereits seine neunte Ausgabe. Gezeigt werden über 300 Kurzfilme aus unterschiedlichsten Genres.
Zu guter Erst bedarf es einer Begriffsklärung: Was ist ein Kurzfilm? Dumme Frage, ein kurzer Film eben. Mein guter, intelligenter Freund Wikipedia ist folgender Meinung: «Ein Kurzfilm (engl. short (film) oder short subject) definiert sich als Gegenstück zum Langfilm ausschliesslich über seine Länge. Ein Kurzfilm kann also ebenso wie der programmfüllende Spielfilm sämtliche Filmgenres bedienen». Interessant ist zudem die Tatsache, dass in den Anfängen des Kinos überhaupt alle Filme «Kurzfilme» waren. In der Regel beträgt die Länge des Kurzfilms weniger als 30 Minuten – eine klare Grenze ist allerdings nicht definiert. So gelten bei den Kurzfilmfestivals jeweils unterschiedliche Längenbegrenzungen. «shnit» – das Internationale Kurzfilmfestival in Bern – macht diese bei 15 Minuten. Der Kurzfilm hat sich als eigenständiges Genre etabliert und verfügt über verschiedene Möglichkeiten mit besonderen Ausdrucksformen. Er kann sich – gerade aufgrund seiner Dauer – auf das Wesentliche konzentrieren und Geschichten sehr kompakt erzählen. Damit dürfen sich die Besucherinnen und Besucher des Events «shnit» in der Bundeshauptstadt auf fünf spannende und kurzweilige Kurzfilmfestivaltage freuen.
Das Festival verteilt sich in der Berner Innenstadt und bietet so Platz für viele Liebhaber des Kurzfilms. Denn Leinwände für das Festival finden sich, neben der Aula in der Turnhalle (Progr), auch im Stadttheater, im Kornhausforum und im Kino City. Auf der Leinwand flimmern Kurzfilme in vier verschiedenen Sektionen:
In der Sektion In Competition können Filme des Internationalen- und des Schweizer Films genossen werden. Präsentiert wird das Beste aus über 4’000 Einreichungen, und kompetiert wird um Preisgelder in der Höhe von rund 48’000.- sFr., welche von der Jury und vom Publikum vergeben werden. Für den Internationalen Wettbewerb (shnit Open) wurden 75 Kurzfilme ausgewählt, die gemäss den Organisatoren des Festivals von «aussergewöhnlicher Qualität und Dichte» sind und sich gegen tausende Mitstreiter durchgesetzt haben. Schweizer Produktionen konkurrieren sich dagegen für die Trophäe des Swiss Award 2011 in der Rubrik Swiss Made. Die ausgewählten 22 Kurzfilme können in drei Blöcken während der Festivaltage betrachtet und bewertet werden. Die Schweizer Filme bewegen sich ausserhalb gewohnter Schweizer Pfade und Tugenden, und vermögen zum Denken anzuregen. Macht euch selbst ein Bild über das Schweizer Kurzfilmschaffen und besucht die Blöcke Swiss Made 1–3.
Vielfältig zeigt sich die Sektion A RealTreat, welche wirklich einen «wahren Genuss» oder einen Leckerbissen in vier Rubriken verspricht: Makaber zeigt sich die Rubrik Six Feet Under, wo dem Publikum skurrile und groteske Kurzfilme an der Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits gezeigt werden. Denn, «wo sich Familien im Erbstreit in burlesker Komik um Habseligkeiten reissen, ist der schwarze Humor zu Hause. Six Feet Under sprengt Grenzen, physisch wie ideell, eine Herausforderung für Publikum und Filmschaffende», so die Beschreibung der Rubrik. Interessieren könnte die Rubrik Hook & Break Up, welche das sonderbare Verhalten geschlechtsreifer Grosstädter zur Paarungszeit thematisiert. Gezeigt werden der Einfallens- und Ideenreichtum der Protagonisten, sowie deren Strategien, um das begehrte Gegenüber zu betören. Hier treffen sich «Männlein und Weiblein», die amouröse Kapriolen und Herzschmerz produzieren. Prüde aufgepasst. Haltet euch fern von der Rubrik Peeping shnit. Denn die hier gezeigten Filme offenbaren geheimnisvolle Einblicke in die schönste Nebensache der Welt (.….). Prickelnde Erlebnisse sind garantiert. Sympathisch gibt sich die Rubrik Feel Good: Das Wohlfühlprogramm für Frühaufsteher kann mit Kaffee und Gipfeli genossen werden, und verspricht einen entspannenden Start in den Festivaltag. Hier wird eine Auswahl an «kurzweiligen» Werken des Internationalen Wettbewerbs gezeigt.
In der Sektion For Special Interest werden die neuesten Werke im Bereich des Animationsfilms (shnit Animated) vorgestellt. In dieser Sektion findet sich ebenso shnit Documents, welche kurze Dokumentarfilme präsentiert, und intime Porträts, Stimmungsfilme sowie unentdeckte Phänomene der Gesellschaft dokumentiert. Unerwartetes Bildmaterial und Unkonventionelles verspricht die Rubrik shnit Experiments, wo sich ungewöhnliche Filmkreationen sammeln. Mit absurden Spielereien und einer offensichtlichen Freude am Experimentieren wird hier mit Bildern jongliert und versucht, die Grenzen der Verständlichkeit neu zu definieren. Queer shnit dagegen porträtiert in neun Werken die Vielfalt des lebendigen schwulen- und lesbischen Kinos der Kurzfilme.
Neugierig macht die Sektion Out Of Curiosity, wo in der Rubrik Cinemania mit allen Erzählkonventionen gebrochen wird. Dieser Programmblock präsentiert das Thema «Film im Film» und zeigt verworrene Geschichten, die sich später als Fiktionen entlarven und den «Cinephilen» an der Nase herumzuführen vermögen. Black & White zeigt «farblose» Kurzfilme. Inhaltlich aber vermögen die Schwarzweissbilder dieser Rubrik bunte Welten in die Köpfe der Zuschauer zu projizieren. Mit Humus wird eine Auswahl an Kurzfilmen aus Israel und Palästina gezeigt. Diese erzählen von Grenzüberschreitungen, vom Erwachsenwerden, vom Schwimmen am Strand oder vom Überwinden physischer und ideeller Barrieren. Schliesslich gibt es auch noch heimische Kost für die Bernerinnen und Berner: Mit der Berner Platte werden kurze Spielfilme, filmische Experimente, Dokumentarfilme und Animationen aus der Region serviert. Ä guetä!
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2011