Von Sonja Wenger — Sie sind Teil des kollektiven Gedächtnisses: Niemand, der die Bilder des Tsunami, der am 26. Dezember 2004 weite Küstenregionen in Südostasien verwüstete, gesehen hat, wird sie je vergessen. Zwischen 230’000 und 280’000 Menschen hatten bei einer der grössten Naturkatastrophen der letzten hundert Jahre ihr Leben verloren. Ungezählte Familien wurden durch sie zerrissen, die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zerstört.
Inmitten dieses unvorstellbaren Leids, das sich von Indonesien via Thailand bis nach Sri Lanka erstreckte, hatte eine spanische Familie unvorstellbares Glück. Die Eltern und ihre drei jungen Söhne wurden von der Welle in einem Ferienresort im thailändischen Khao Lak erfasst und getrennt. Doch wie durch ein Wunder überlebten alle fünf, und fanden sich nach tagelanger Suche in einem Krankenhaus wieder.
Es ist eine Geschichte erfüllter Hoffnungen, die surreal scheint, wenn man sich die überwältigende Kraft des Wassers, des Zerstörungspotenzials des Tsunami vor Augen führt. Es ist auch eine Geschichte, die förmlich nach der grossen Leinwand schreit – die zu fassen jedoch fast unmöglich ist. Denn, wie soll man taktvoll ein solches Glück zeigen angesichts der Ausmasse des Leidens? Und welche Bilder wählt man für einen Film, wenn die realen traumatischen Fernsehaufnahmen schon um die Welt gingen, wenn sie sich 2011 mit dem Tsunami in Japan sogar wiederholten und noch einmal verstärkten?
Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona hat es in «The Impossible» versucht. Aus der spanischen Familie wurde – weshalb auch immer – eine englische. Doch das tut der Intensität des Films keinen Abbruch. Denn «The Impossible» wartet mit Bildern des Tsunami auf, die den Originalaufnahmen nur wenig nachstehen. Mehr noch: Bayona nimmt den Zuschauer mit in die Welle. Schwindelerregende Aufnahmen «von unten» vergegenwärtigen die schiere Wucht des Wassers, machen benommen, und lassen einen zumindest erahnen, von welcher Hilflosigkeit die Betroffenen überwältigt wurden.
In diesen beeindruckenden Sequenzen relativ früh im Film baut sich eine Spannung und eine emotionale Tiefe auf, die danach leider selten erhalten bleibt. Im Nachgang der Welle beginnt die Geschichte nach dem Drehbuch von Sergio Sánchez zu eiern und ruht sich auf der Gewissheit aus, dass eindrückliche Bilder einer furchtbaren Katastrophe, die Verzweiflung von Eltern, die ihre Kinder suchen, und die Aussicht auf wenigsten ein bisschen Happy End ausreichend auf die Tränendrüse drücken. Dabei bleibt das Leid der anderen, weniger glücklichen Überlebenden seltsam gesichtslos, plakativ, und reine Kulisse, was streckenweise ernüchternd wirkt.
Diesen bedauernswerten Schwächen ist allerdings lobend entgegenzuhalten, dass die schauspielerischen Leistungen bemerkenswert sind, die der Regisseur unter harten Drehbedingungen aus seiner Besetzung gekitzelt hat (die Tsunami-Szenen wurden während mehreren Wochen in riesigen Wassertanks gefilmt). Naomi Watts als Maria Bennett, Ewan McGregor als ihr Ehemann Henry, und besonders Tom Holland, Samuel Joslin und Oaklee Pendergast als ihre drei Söhne im Alter zwischen fünf und dreizehn Jahren, liefern das makellose Porträt einer Familie, in der jeder einzelne über sich selbst hinauswachsen muss. Dadurch zeigen sie eindrücklich, dass gerade Liebe und die Hoffnung auf das «Unmögliche» im Menschen ungeahnte Kräfte weckt: Eine Botschaft, die man gar nicht oft genug vermitteln kann – und die einen über einige taktlose Momente in «The Impossible» hinwegsehen lässt.
«The Impossible», Spanien/USA 2012. Regie: Juan Antonio Bayona. Länge: 113 Minuten.
Foto: zVg.
ensuite, März 2013