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Unser Mario

Karl Schüp­bach — Wie aus Schülern «Kinder­re­porter» wur­den – ein Musikver­mit­tlung­spro­jekt des Bern­er Sym­phonieorch­esters: Das Bild des jun­gen Men­schen, der, von der Umwelt abgeschot­tet, irgen­deine Musik in sich hinein dröh­nen lässt, ist uns nur zu ver­traut. Hier ging es um das Gegen­teil – um das beglück­ende Gemein­schaft­ser­leb­nis von Jugendlichen und Erwach­se­nen, die zusam­men klas­sis­che Musik nicht bloß kon­sum­ieren, son­dern auch erar­beit­en: Kinder­re­porter beobachteten und begleit­eten eine Woche lang die Musik­erin­nen und Musik­er des Bern­er Sym­phonieorch­esters (BSO) und ihren Chefdiri­gen­ten Mario Ven­za­go bei der Vor­bere­itung und Auf­führung des Sym­phoniekonz­erts vom 1. Dezem­ber.

Schon im Juni 2011 hat­ten Press­esprecherin Eva Pauline Bossow und Musikver­mit­t­lerin Irene Sal­ga­do, bei­de in der Geschäftsstelle des BSO tätig, diese span­nende Idee entwick­elt. Dank der bere­its beste­hen­den Part­ner­schaft «sym­phonieMuristalden» zwis­chen dem BSO und der Schule Cam­pus Muristalden (unter­stützt von der Erziehungs­di­rek­tion Kan­ton Bern) kon­nte die Lehrerin Irène Hofmän­ner mit ihrer Klasse für das Pro­jekt gewon­nen wer­den. Ein Glücks­fall, han­delt es sich doch um eine zahlen­mäßig über­schaubare Dop­pelk­lasse (5./6. Schul­jahr) mit ins­ge­samt nur 16 Schü­lerin­nen und Schülern. Die Kinder­re­porter ver­fassten zudem in der Vor­bere­itungszeit und während der Konz­ert­woche jour­nal­is­tis­che Texte, die auf den Home­pages der bei­den Insti­tu­tio­nen und in ein­er Broschüre zu lesen sind.

Kinder­re­porter, die über ein Sym­phonieorch­ester und ein Sym­phoniekonz­ert schreiben sollen, müssen im Voraus gewisse Ken­nt­nisse erhal­ten. Diese Vor­bere­itungsmod­ule basierten auf Grup­pe­nar­beit­en, welche von Irene Sal­ga­do und Eva Pauline Bossow geleit­et wur­den. Für die Ver­mit­tlung des musikalis­chen Wis­sens war Irene Sal­ga­do zuständig, sie konzen­tri­erte sich auf The­men wie Orch­ester­auf­bau und den Kom­pon­is­ten Lud­wig van Beethoven. Die Schüler hörten ihr begeis­tert zu, und Sal­ga­do schaffte es, ihr Inter­esse für die Klas­sik zu weck­en. Eva Pauline Bossow ver­mit­telte den Kinder­re­portern jour­nal­is­tis­ches Handw­erk und ver­suchte, einen Ein­blick in den Beruf­sall­t­ag zu geben. Sie ver­stand es, ihnen die hohen men­schlichen Anforderun­gen die an Jour­nal­istin­nen und Jour­nal­is­ten gestellt wer­den, ein­drück­lich vor Augen zu führen. Mit vor­bere­it­eten Inter­viewfra­gen kon­nten die Kinder­re­porter, in Grup­pen aufgeteilt, während der Inten­siv­woche ver­tiefte Gespräche mit Musik­erin­nen und Musik­ern, Mit­gliedern der Direk­tion und Mitar­bei­t­en­den hin­ter der Bühne führen.

Auf­takt der Woche war eine Pressekon­ferenz für die Kinder­re­porter. BSO-Direk­tor Matthias Gawriloff erk­lärte ihnen, was es alles braucht, damit ein klas­sis­ches Konz­ert über­haupt stat­tfind­en kann. Da die entsprechen­den Mitar­beit­er alle per­sön­lich anwe­send waren und aus ihrer Prax­is erzählen kon­nten, blieben seine Aus­führun­gen nicht im The­o­retis­chen steck­en.

Die Kinder­re­porter erlebten durch wieder­holte Probenbe­suche die Arbeit des Orch­esters in real­is­tis­ch­er und inten­siv­er Weise. Aufmerk­sam und ges­pan­nt beobachteten sie die Musik­er und erlebten einen Chefdiri­gen­ten in Hochform – mit witzi­gen, tre­f­fend­en Worten erk­lärte er seine musikalis­chen Ideen. Ohne Zweifel eine per­fek­te Voraus­set­zung für einen der Höhep­unk­te des Pro­jek­ts: das Gespräch mit Mario Ven­za­go. Er stand den leb­haften Fra­gen der Kinder zu seinem Beruf und Pri­vatleben Rede und Antwort.

Im Saal herrschte ges­pan­nte Erwartung, die Kinder­re­porter saßen auf ihren Plätzen. Das Licht ging aus, das Orch­ester stand auf, Mae­stro Ven­za­go betrat das Podi­um, begrüßt vom Applaus des Pub­likums. Er bedank­te sich, das langersehnte Konz­ert kon­nte begin­nen. Sichtlich beein­druckt lauscht­en die Kinder den Klän­gen der Musik von Carl Nielsen und Lud­wig van Beethoven. Nach dem Konz­ert tauscht­en die Kinder­re­porter und ihre Beglei­t­erin­nen bei einem speziell für sie aus­gerichteten Apéro inten­siv ihre Ein­drücke, Erin­nerun­gen und Beobach­tun­gen aus.

Als Anerken­nung erhiel­ten die jun­gen Jour­nal­is­ten zum Abschluss des Pro­jek­ts eine Klas­sik-Reporter-Urkunde und einen Ausweis, der sie bis zum Saiso­nende zum Gra­ti­sein­tritt in alle Sym­phoniekonz­erte des BSO berechtigt. Sie dür­fen dazu jew­eils sog­ar noch eine gle­ichal­trige Begleit­per­son ein­laden. Erwach­sene Begleit­er bezahlen die Hälfte des Ein­trittspreis­es.

Im Laufe des Pro­jek­ts wur­den die Kinder immer wieder nach dem Namen des Chefdiri­gen­ten gefragt. Ihre Antwort lautete richtiger­weise: Mae­stro Mario Ven­za­go. Während der Inten­siv­woche sprachen die Kinder plöt­zlich von «unserem Mario». Gibt es – zusam­men mit dem ermuti­gen­den Echo in Presse, Radio und Fernse­hen – eine schönere Anerken­nung für die enorm engagierte Arbeit von Eva Pauline Bossow und Irene Sal­ga­do?

Foto: zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2012

 

Artikel online veröffentlicht: 17. März 2019