Von Katja Zellweger — Sich an einem Drink festhaltend, die andere Hand mit einer Zigarette beschäftigt und bestenfalls in ein Gespräch verwickelt – so «tanzt» der Schweizer. Zum Takt unauffällig mit dem Fuss wippen ist das Äusserste, wozu er sich durchringen mag.
Die Hände in Aktion haltend, damit sich ja nicht die unterdrückte Tanzlust anhand eines peinlichen YMCA-oves verrät oder die Taktlosigkeit zutage tritt.
Anlässlich des 26. Jahrestages des Tanzes ist aber mehr zu erwarten. Bereits zum dritten Mal wird dem Tanz zu Ehren in der ganzen Schweiz getanzt, wobei sich schon im letzten Jahr über 10’000 Schweizer für den Tanz erwärmen konnten. Profis und Laien – alle, die Lust haben, können sich an diesem «Pas de tous» beteiligen. Insgesamt vierzehn Orte schweizweit bitten am letzten April-Wochenende auf die Bühne. Bei dem von der reso (Tanznetzwerk Schweiz) organisierten Tanzfest stellen einerseits Künstler ihre Projekte vor, andererseits können die Zuschauer selbst aktiv werden. Reso ist daran gelegen, national mehr Begeisterung, Verständnis und bessere Bedingungen für den Tanz zu fördern.
In Bern sind TAP – Tanzaktive Plattform Bern, Dampfzentrale, Progr, die Hochschule der Künste (HKB) und das Stadttheater für die Umsetzung des Projektes verantwortlich.
Der künstlerische Akt wird am Freitag von Peeping Tom aus Belgien mit «Le Salon» eingeläutet. Ein Stück, dass die Grenzen des Genres humorvoll hinter sich lässt. Auch Videoinstallationen sowie weitere Performances werden in der Hauptstadt dargeboten. Zudem findet ein familienfreundlicher Brunch statt, bei dem in einer Diskussion mit der Bern:Ballett-Choreografin Cathy Marson und ‑Dramaturgin Wanda Puvogel Fragen aller Art zu Tanz und Choreografie gestellt werden können.
Ein tänzerischer Kennerblick kann im sonntäglichen Tanzschnuppern erworben werden. Von Modern, Ballet, Tango, Salsa, Improvisation, Hiphop, Flamenco, Bauchtanz, Bollywood, Folklore bis Westcoast-Swing bieten die Berner Tanzschulen ein fast allumfassendes Schnupper-Programm an.
Mit oder ohne Erfahrung, aus reiner Neugier oder dem Winterspeck wegen – wer den inneren Tänzer mal rauslassen will, ist herzlich willkommen. Die Workshops funktionieren nach dem simplen Trau-Dich-Prinzip. Wem bis anhin zuwider war, der einzige blutige Anfänger zu sein, den jede Bewegungsabfolge eine bewegungskalkulatorische Höchstleistung abfordert, der ist genau am richtigen Ort. Vorkenntnisse sind nicht nötig – Bewegung mit Musik zu Spass zu vereinen, ist einziges Ziel.
Schon am Samstagabend findet ein neuartiger Ball statt, der mit ersten Choreografien experimentiert. In drei kurzen Sequenzen wird die tanzende Masse von den Tanzprofis Sabina Seiler, Bruce McCormick, Michael Schmutz und Daniel Stettler geführt. Der DJ spielt stetig die entsprechenden Musikstücke, zu denen alle die Choreografie wiederholen können.
Wer trotz Muskelkater noch nicht genug vom Tanzen hat, dem bietet sich die Möglichkeit, am Sonntagabend das Stadttheater aufzusuchen. «Sturmhöhe», eine stimmungsvolle Vertanzung des Emily-Bronte-Romans, kann dort mit neugewonnenem Kennerblick beurteilt werden.
Parallel zur Veranstaltung läuft ein Wettbewerb von Hans Tanz, wobei eine von ihm entwickelte Choreografie mit vorgegebener Musik eigens umgesetzt werden kann. Das, bis am 15. April auf youtube gepostet, gilt als Wettbewerbs-Teilnahme. Auch als mentale und physische Vorbereitung für das letzte Aprilwochenende ist Hans Tanz’ «Switzertanz» in allen dargestellten Variationen eine Augenweide. Wer den «Himmelstreichler»- und den «Raclette-schiebe»-Move beherrscht, wird am Tanzfest über alle Zweifel erhaben sein.
Foto: zVg.
ensuite, April 2009