Von Sonja Wenger - Ein Gefühlsbad im Kino – so richtig mit Tränen, Tragik, Tod und hoffnungsvollem Ende – ist schon etwas Feines. Danach fühlt man sich genudelt, ein bisschen glücklicher und geht vielleicht sogar beschwingt nach Hause.
«Dear John» bietet genau dies, nicht weniger – und nicht mehr. Im neuesten Drama des schwedischen Regisseurs Lasse Hallström geht es vor allem um junge Liebe, um die Unvorhersehbarkeit des Lebens und im weitesten Sinne darum, welche Folgen ein Krieg auf die Menschen und ihre Beziehungen haben kann.
John (Channing Tatum) und Savannah (Amanda Seyfried) lernen sich im Frühling 2001 am Strand von South Carolina kennen. Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick. Sie ist Studentin und besucht ihre Eltern, er ist Soldat und auf Heimaturlaub bei seinem Vater (Richard Jenkins). Ihnen bleiben nur zwei Wochen für ihre Beziehung, doch sie versprechen, einander Briefe zu schreiben und so die Monate zu überbrücken, bis Johns Dienstzeit zu Ende ist.
Doch die Anschläge vom 11. September 2001 verändern alles. Nach einem kurzen Wochenende zu Hause entscheidet sich John wie alle Soldaten seiner Einheit, den Einsatz freiwillig um mehrere Jahre zu verlängern. Dass Savannah gegen diese Entscheidung ist, ändert vorerst nichts an ihrer Beziehung. Sie nehmen durch die Briefe auch weiterhin am Leben des anderen teil, Savannah kümmert sich um Johns äusserst introvertierten Vater und plant, ein Sommercamp für autistische Kinder zu organisieren.
Nach einiger Zeit werden Savannahs Briefe jedoch immer seltener, bis sie ihm quasi aus heiterem Himmel eröffnet, des Wartens müde zu sein und sich mit jemand anderem verlobt zu haben. Für John bricht eine Welt zusammen. Er verbrennt alle Briefe und entschliesst sich nach einer schweren Schussverletzung, auch weiter bei der Armee zu bleiben. Erst ein schwerer Schlaganfall seines Vaters bringt ihn noch einmal nach South Carolina – und zurück zu Savannah.
Zugegeben. Das Schmalz trieft, das Triviale hämmert, und gefährliche Momente oder wahrhaft spannende Wendungen fehlen fast völlig in «Dear John». Dennoch schafft es der Regisseur in den meisten Fällen, die übelsten Klischeeklippen gerade noch rechtzeitig zu umschiffen und den Fokus immer wieder auf ein grösseres Ganzes zu richten.
Zwar ist Hallström weit vom subtilen Humor und der dezenten Dramatik seiner früheren Meisterwerke «Gilbert Grape», «Chocolat» oder «The shipping news» entfernt. Doch die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Nicholas Sparks ist durchaus charmantes, routiniert gemachtes Emotionskino. Es ist mit grosser Kelle angerührt, doch die sympathische und gekonnte Besetzung versöhnt einen stets aufs Neue mit den Schwächen der Geschichte oder der streckenweise banalen Dramaturgie.
Wer allerdings auch nur ansatzweise eine Ader für Romantik und Pathos hat, wird hier bestens bedient. Und das scheinen nicht wenige zu sein. Die Zahlen sprechen zumindest für sich. Gleich am ersten Kinowochenende in den USA verdrängt das leise Drama «Dear John» den megalomanen Kracher «Avatar» vom ersten Platz. Die Medien berichteten brav darüber, und alle waren froh, dass sich die Menschen offensichtlich noch immer nach Liebe sehnen und einfache Geschichten mit intelligenten Dialogen zu schätzen wissen.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010