Von Lukas Vogelsang — Die Welt der Technik verändert unaufhaltsam unseren Alltag. Autos, Waschmaschinen, Zahnbürsten, Wecker, Eierkocher – Alltagsgegenstände sind digital geworden. Dies hat weitwirkende kulturelle Konsequenzen und schliesst auch ganz viele Menschen aus. Digital ist nicht besser, sondern anders. Und dieser Unterschied muss gelernt werden. ensuite beginnt hiermit eine Serie, wo wir versuchen neue Technik zu erklären – aber auch Sinn und Zweck zu hinterfragen.
Als ersten Testkandidaten hat ensuite das Smartphone HTC 7 «Trohpy» einem Langzeittest unterzogen. Das Iphone von Apple kennen wir unterdessen – über das Trophy, welches zu den ersten Geräten der Windows Phone 7 Generation gehört, weiss man noch wenig. Kein Wunder, die ersten Geräte sind erst seit einigen Wochen in der Schweiz erhältlich, das Testgerät kommt sogar aus Deutschland.
Die HTC Corporation ist eine der am schnellsten wachsenden Mobile-Firmen weltweit, und wurde 1997 von Frau Cher Wang, Herrn HT Cho und Herrn Peter Chou ins Leben gerufen. Die taiwanesische Firma beschäftigt rund 25 % der Angestellten in der Forschung und Entwicklung, was die überfordernde Flut von neuen Produkten erklärt. HTC schafft es, pro Jahr gleich 5 – 7 neue Geräte zu produzieren und in die Vertriebskanäle zu werfen – eine Zahl, die alle Märkte an die Grenzen bringt. Mit dieser Guerilla-Strategie erobert die Firma aber neues Marktland, und hat sich in dieser kurzen Zeit von Null bis zum Globalplayer aufbauen können.
Beginnen wir mit dem Gerät selber: Das HTC Trophy fühlt sich smart an. Das ist aufgrund von Material, Form und Design gegeben. Auffallend ist, dass dieses Gerät kaum noch Tasten oder «Buttons» besitzt. Sogar die vertrauten roten und grünen Telefonknöpfe sind weg. Das irritiert, hat aber in Bezug auf die Bedienung vom Telefon keine spürbaren Konsequenzen. Die Verarbeitung ist edel, die oftmals knarrende Batterieabdeckung auf der Rückseite ist elegant umgangen worden. Wer diese Abdeckung öffnet, wird zudem angenehm überrascht: Auch das Innenleben vom Trophy wiederspiegelt eine neue Generation und Idee von Mobile-Geräten. Der Bildschirm ist etwas kleiner als 3.8 Zoll gross, was auch die Gerätegrösse mitbestimmt: 61,5 x 118.5 x 11.96 mm – das ist immer noch handlich genug für all die Fähigkeiten, welche an ein Smartphone gestellt werden. So ist es problemlos möglich, Internetseiten zu lesen oder PDF-Dateien zu betrachten. Doch auch das Hirn hat eine Rechengeschwindigkeit von 1 GHz, was einem kleinen Netbook (die Kleinst-Laptops) entspricht. Von der Leistung her ist das HTC 7 Trophy in der Tat mit einem Netbook zu vergleichen. Das Gerät besitzt G‑Sensor, einen Digitalen Kompass, Näherungssensor, Umgebungslichtsensor, GPS, Wi-Fi, Bluetooth, 3G und eine 5 MP Kamera mit Blitz, und ist HD-Videofähig (720 p). Das Gerät macht einen soliden Eindruck und ist auch nach einem Monat immer noch ohne Makel. Es knarrt nichts, keine Kratzer, keine Pannen. Übrigens geben auch die normalen Lautsprecher gute Bässe ab, und es klingt mit Druck. HTC hat mit der neuen HTC 7 – Linie einen wirklichen Mehrwert geschaffen.
Allerdings müssen jetzt auch die Schwachpunkte kommen. Und dabei hat HTC auf dem gleichen Niveau wie das Lob Rüge verdient: Die Kamera liefert eine schlechte Bildqualität. Alle Bilder sind verpixelt, dies durch die schlechte Farbumsetzung. Wenn diese Bilder mit älteren HTC-Kameras verglichen werden, sind wir ernüchtert, dass hier ein grosser Rückschritt stattgefunden hat. Erstaunlich, dass die Qualitätskontrolle sowas zuliess. Zweiter grosser Mangel ist der Speicher. Das Gerät wird mit 8 GB ausgeliefert – und ist nicht erweiterbar, keine SD-Karten. Im digitalen Zeitalter darf sich kein Hersteller mehr sowas erlauben. Das dritte grosse Manko ist die Batterie. Im Alltag hielt die Batterie des Testgerätes bei ganz normalem «Hausgebrauch» nur ca. 24 Stunden, und das Gerät musste nachgeladen werden, weil man danach nicht mehr viel telefonieren kann. Diese Fehler sind unverzeihlich.
Betriebssystem Windows Phone 7 Das Telefon wird mit einem brandneuen Betriebssystem ausgeliefert, was die Erwartungen hochschraubt. Wir erinnern uns: Die Apple-Gemeinschaft prophezeite noch im letzten Sommer Microsoft den Untergang, kurz bevor die Firma ihre Umsatzzahlen präsentierte. Und diese Zahlen sprachen vom höchsten Umsatz der Geschichte von Microsoft. Das Windows Phone 7 (WP7) wäre nun das Pendant zum grossen Bruder – funktioniert natürlich so nicht. Könnte aber.
Vorweg: Die Entwickler von Microsoft haben die Zukunft gerochen. Was WP7 punkto Bedienerkonzept bringt, ist sehr spannend, und wird – wenn weiter in diese Richtung gearbeitet wird – Massstäbe setzen. Hauptidee ist, dass wir von der «Knopfdruck-Funktionalität» wegkommen und einen «Bedienungsraum» erhalten. Das heisst, die Bedienung erfolgt räumlich, auf verschiedenen Ebenen – nicht mehr nur per Knopfdruck. Leider hat Microsoft diese Idee selber noch nicht überall umgesetzt, und deswegen ist das WP7 erst eine Vorstufe für die Zukunft. Aber diesbezüglich eine schnelle, einfache, stabile und auch praktische.
Trotzdem haben sich die Entwickler ein paar ganz grosse Fehler erlaubt, die den Alltag mit einem WP7 fragwürdig machen: Wie beim Apple wird das WP7 jetzt mit Apps gefüttert. Apps sind Programme (Applications). Diese müssen natürlich bezahlt werden, und sie werden entweder direkt über Internet ins Mobile geladen, oder aber über den PC mit ZUNE, einer neuen Verbindungssoftware. Vorbei ist die Zeit, wo ein Mobile einfach an einen PC oder MAC angeschlossen wurde, und wir den totalen Zugriff auf das Gerät erhielten. Und das ist sehr schlecht. Zum Beispiel: Outlook lässt sich nicht mehr direkt, muss über einen Webdienst synchronisiert werden. Es ist nicht mal möglich, das Mobile als USB-Stick zu verwenden, was den PDF-Reader von Adobe ad Absurdum führt, da wir gar keine PDF-Files auf dem Mobile speichern können. So schliesst Microsoft die sonst offen gewesene Plattform. Zu hoffen, dass die Reklamationen bald einmal ein seriöses Update hervorbringen.
Durch den Druck, die Geräte noch vor Weihnachten auf den Markt zu bringen, haben die Entwickler sehr viele Funktionen «vergessen». Das ist lästig – es ist aber zu erwarten, dass die nächsten Updates viele fehlende Einstellungsmöglichkeiten nachliefern.
Fazit: HTC 7 Trophy ist trotz aller Mängel ein sehr edles und tolles Gerät. Es überzeugt in der Verarbeitung und in der Funktionalität. Wer damit nicht eine Kamera ersetzen will, telefoniert trotzdem gut, und 8 GB muss man erst füllen. Windows Phone 7 ist noch jung, gewöhnungsbedürftig, und es gibt viele Dinge, die erst noch geschaffen werden müssen. Dieses Betriebssystem hat Zukunft – sogar eine ziemlich grosse. Jetzt einzusteigen ist früh – aber mit der Updatefähigkeit der Software nicht zu früh. Das Softwareangebot wird täglich grösser, viele Funktionen kommen hinzu. GPS-Anwendungen gibt es allerdings noch kaum. Warten wird belohnt – wer jetzt zuschlägt auch.
Fortsetztung folgt…
Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010