Von Lukas Vogelsang — Zitat aus der Pressemitteilung: «Ab 2011 wird die Rechnung für die Radio- und Fernsehgebühren nicht mehr vierteljährlich, sondern nur noch einmal pro Jahr verschickt. Es handelt sich um die bedeutendste Änderung in der Rechnungsstellung seit mehr als zehn Jahren. Betroffen sind praktisch sämtliche Haushalte in der Schweiz. Sie werden alle mit neuen Zahlungsperioden und Rechnungsbeträgen konfrontiert sein. Billag erwartet zahlreiche Anfragen und wird deshalb anfangs 2011 den Personalbestand im Contact Center vorübergehend auf 140 Mitarbeitende verdoppeln.»
Ist das nicht eine frohe Botschaft? So werden Arbeitsplätze geschaffen. Letztes Jahr hat meine Krankenkasse von mir das Gleiche verlangt und mir Anfang Jahr eine Rechnung zugestellt, dass ich akut suizidgefährdet wurde. Kein Wunder steigen die Gesundheitskosten. Irgendwo im Kleingedruckten sollen sie mich anscheinend zuvor informiert haben – ein weiterer Beweis, dass man sein Leben nur nach dem Kleingedruckten richten sollte.
Die Billag jetzt also auch. Es scheint politisch nicht durchsetzbar, dass man diese RFG (Radio-und Fernsehgebühr) per Steuern einzieht, weil man gleich einen volkswirtschaftlichen Kollaps zu erwarten hat: Doppelt so viele neue MitarbeiterInnen sind nötig, um die anfallenden Beschwerden zu bearbeiten, notabene um ein System zu korrigieren, welches zuvor ganz gut und vernünftig funktioniert hatte. Andersrum hätte wohl eine Massenentlassung stattgefunden.
Wer seine Billag-Rechnung wieder nach dem alten System bezahlen will (vierteljährlich), bezahlt zusätzlich pro Rechnung 2 Franken «Entschädigungsaufwand» – was bei zu erwartenden 500‘000 konservativen Kunden rund 4 Millionen einbringt. Der Durchschnittsbürger bezahlt also jetzt Anfang Jahr sFr. 462.40 – das sind vielleicht rund 2.2 Millionen Private – und dazu kommen noch rund 800 000 Betriebe, die durchschnittlich wohl das Doppelte bezahlen… mein Taschenrechner kann diese Einnahmen gar nicht mehr darstellen. Darf ich noch ganz kleingedruckt vermerken, dass die Billag für diesen staatlichen Auftrag noch 55 Millionen vom Bund erhält, damit sie diese Gebühren eintreibt? Das Ganze geht natürlich maschinell.
Wo ist die Logik? 140 MitarbeiterInnen kosten bei einem normalen Gehalt locker mal rund eine Million Franken pro Monat. Machen wir das einmal acht Monate lang. Die Billag rechnet beim neuen Rechnungsmodus eine Einsparung von 16 Millionen Franken, abzüglich ca. acht Millionen Lohnkosten für den zusätzlichen Lohnaufwand… Allerdings müssten wir jetzt noch die Zinsen für die 1 812 120 000 Franken (Gebühren und staatliche Gelder), zwischengelagert auf einem Billag-Konto, dazurechnen: 226 515 000 Franken. Die Rechnung ist natürlich nur eine lockere Schätzung. Man kann das Geld durchaus lukrativer arbeiten lassen.
Was genau wird mit diesem Geld bezahlt? Die Billag selber kostet natürlich. Drei Millionen Kunden weist die Billag selber aus. Sie versandte pro Jahr also 12 Millionen Rechnungen, eine Million Mahnungen und leitete über 60 000 Betreibungen ein. Vergolden sich die sechs Direktoren bei der Billag selber? Nur nebenbei: Bei der ProLitteris, dem Pendant zur Billag, verdient der Direktor im staatlichen Auftrag über 300‘000 Franken Lohn pro Jahr. Bei der Billag würden dafür 649 Haushalte Ihren «Jahresbeitrag» abliefern… (Ich denke, der Billag-Direktor Stephan Wiederkehr verdient mindestens ca. 200‘000 Franken mehr…). Kosten die vielen Computer, SekretärInnen, Systemadministrator-Innen, und die Telefonistinnen im «Contact Center» wirklich so viel? Die Billag ist Arbeitgeberin für nur 300 MitarbeiterInnen, in diesem Jahr mal kurz für 440 (nur für das Inkasso der RFG kriegen die 55 Millionen Franken!). Ganz klitzeklein drucke ich hier noch, dass die Billag eine Tochtergesellschaft der Swisscom ist und der Verwaltungsrat der Billag auch noch mal 1.35 Millionen kassiert. Autsch! Und ganz zum Schluss, wenn noch ein Rest übrig bleibt, wird Geld an die BAKOM geliefert, die dann dieses Geld über das Gebührensplitting an die Fernseh- und Radiostationen vergibt.
Als Gegenwert – oder eben deswegen – erhalten wir ein Fernsehprogramm, welches erst mal gar nicht empfangbar ist. Wir müssen erst ein Kabel in unsere Wohnung legen lassen – vor allem aber einen «Kabelbetreiber» bezahlen, dass er uns ein Programm auf unseren Fernseher liefert. Auch der kassiert nobel ab. Natürlich kriegen wir auch was dafür: Sendungen wie «Jeder Rappen zählt», wo die HörerInnen das Radiomusikprogramm selber bestimmen oder gar singen, ihr Geld abgeben, und viele Musikprogramme mit den besten Hits aus dem letzten Jahrhundert. Währenddessen laufen im TV Serien über Serien über Serien, und wenn grad nichts läuft, dann läuft sicher eine Serie oder ein Tierfilm. Radio hören ist eine Tortur. Fernsehen ist eine noch grössere Tortur. 150 Sender und keiner macht uns glücklich. Sendungen, die interessant wären, kommen zu denkbar schlechten Zeiten, und die guten alten Spielfilme sind aus dem Programm gekippt worden. Wahnsinnig viel «Guguus — Dadaa» gibt’s für viel Geld. Und weil die staatlichen Sender so schlechtes TV machen, müssen wir private Sender «mieten». Dafür können wir – für noch mehr Geld – 24 Stunden lang Tierfilme ansehen. Orgiastisch.
Im 2011 macht Fernsehen keinen Sinn mehr, wir ziehen ab auf Youtube – das ist wenigstens ehrliches Häppchen-TV ohne Anspruch auf unser Portemonnaie. Beim Radio flüchten wir zu den alternativen Sendern, die natürlich aus dem gesamten Gebührensplitting kaum was Sinnvolles erhalten, dafür noch über die Antenne empfangbar, radikal einfach, aber deswegen sehr kreativ produzieren.
Im Abspann der Pressemitteilung ist zu lesen: «Die Einsparungen kommen der SRG und den Privatsendern zugute. Im Gegenzug hat der Bundesrat auf eine Gebührenerhöhung verzichtet.» Na dann: Prost!
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, Januar 2011