Von Morgane A. Ghilardi – Von der Welt der amerikanischen TV-Serien — Im Land des amerikanischen Fernsehens und Films gab es einst eine feste Ordnung, eine Hierarchie. Wer im Hollywood-Himmel der A‑Stars landen wollte, musste sich oft zuerst einmal durch die Hölle der Serien und Fernsehfilme kämpfen. Entweder hatte man Glück, wurde entdeckt und durfte zur Leinwand übergehen, oder man blieb im Fegefeuer des TV stecken und wurde nie mehr als ein Verdächtiger bei «CSI» oder der bald tote Sheriff in einem schlechten Horrorstreifen.
Paradebeispiele für Erfolgsmenschen, die ihre ersten Auftritte im TV hatten, aber jetzt als ganz grosse Nummern gelten, sind z.B. George Clooney, ehemaliger Notfallarzt bei «Emergency Room», und Katherine Heigl, einstig verwirrte Chirurgin in «Grey’s Anatomy». Der eine wurde zum graumähnigen Charmebolzen, der die weiblichen Fans mit seinem Nespresso-Grinsen verhext, und die andere darf romantische Komödien mit den männlichen Grössen Hollywoods drehen.
Doch während diese Dynamik noch immer besteht, hat sich die kosmische Ordnung des gefilmten Schauspiels doch irgendwie verändert. Wie in einem früheren Artikel schon einmal betont (Nr. 84, Gutes Genrekino? Im TV!), bietet das Fernsehen dank beeindruckenden Fortschritten in den letzten Jahren Genreunterhaltung, welche dem Kino qualitativ gleichkommt wenn es das selbe nicht übertrifft. Wird mehr Geld investiert oder lässt die heutige Technik einfach zu, dass auch TV-Produzenten fantasievollere Projekte mit kleinerem Budget umsetzen können? Doch die wichtigere Frage ist: Lockt diese Entwicklung die grossen Talente? Schauspieler aus den höheren Ligen auf einmal wieder zum TV zurückkehren?
Kiefer Sutherland wurde Jack Bauer in «24», Oscar-Preisträgerin Anna Paquin wurde Sookie Stackhouse in «True Blood» (2008), Jospeh Fiennes wurde Mark Benford in «FlashForward», und Glen Close wurde die eiskalte Particia Hewes in «Damages».
Von der Leinwand auf den Bildschirm – wieso? Dieser Übergang war früher die Folge einer schnell abstürzenden Hollywoodkarriere. So lässt Alec Baldwins Engagement bei «30Rock» eigentlich darauf schliessen, dass seine Laufbahn ihre besten Tage hinter sich hat. Oder? Diese Logik scheint nicht mehr zu funktionieren. Der Wechsel scheint keinen Verlust an Prestige mehr zu bedeuten, wie man eigentlich erwarten würde. Ein TV-Star geniesst im öffentlichen Auge schon fast so viel Glanz und Ruhm wie die Stars der A‑Liste. Ist dies ein Ergebnis der qualitativ interessanteren Produktionen, oder entstehen diese nur, weil die Hollywoodstars dem TV wieder einen Glanz verliehen haben?
Was garantiert mit ihrem Erfolg zusammenhängt, ist die Präsenz, welche das TV bietet. Anstatt sich (wenn‘s gut kommt) einmal im Jahr in einem Blockbuster anhimmeln zu lassen, sind TV-Stars eine Konstante im Wohnzimmer. Die gespielten Rollen wachsen dem Publikum ans Herz, sei es durch ihren Charme, ihre Boshaftigkeit oder ihre Schönheit. Die Gefahr, welche die grossen, prägenden Rollen im TV immer mit sich bringen, ist jedoch, dass diese Rollen zum Teil nicht mehr abzuschütteln sind. Wird Donald Sutherlands Sohnemann je jemand anderes sein können, als Jack Bauer? Man darf hoffen.
Eigentlich wird die TV-Kino-Beziehung besonders kompliziert, wenn man daran denkt, wie viele Serien selbst den Sprung auf die Leinwand wagen. «Star Trek» kennt den Trick schon lange und solange man damit noch Geld machen kann, wird die Tradition auch weitergeführt. In der letzten Dekade waren es aber eher unerwartete Erfolge wie «The Simpsons Movie» (2007), die ihre Fangemeinschaft ins Kino gelockt haben. «Sex and the City – The Movie» (2008) sollte zehn Jahre nach dem Beginn der Serie von Home Box Office (HBO) einen würdigen Abschluss für die weltweite Hitserie darstellen. Die Erfolgsserie «Entourage» hat ein Jahr später denselben Trick vollbracht. Momentan spricht man auch über einen möglichen «True Blood»-Film, welcher auf die vierte Staffel folgen soll.
Diese neuen Formeln von Prestige und Ruhm im TV kann man drehen und wenden wie man will: der gemeinsame Faktor bleibt das Geld. Ob man mit einer Serie mehr Geld macht, weil ein Hollywoodstar drin ist, oder ob die Stars mehr Geld machen, wenn sie zum kleineren Bildformat wechseln – das Konzept bleibt das gleiche. Und wenn TV-Produzenten ihre Serien auch noch ins Kino zwingen, dann hat das auch mehr mit der bestimmt gut zahlenden und treuen Fangemeinschaft zu tun, als mit künstlerischen Aspirationen.
Foto: zVg.
ensuite, Februar 2011