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A Dangerous Method

Von Son­ja Wenger — Mit «A Dan­ger­ous Method» bringt der kanadis­che Regis­seur David Cro­nen­berg einen für ihn ungewöhn­lichen Film ins Kino. Ungewöhn­lich im Sinne des von ihm gewählten Stoffes, welch­er das Pub­likum in die Zeit zu Beginn des 20. Jahrhun­derts nach Zürich und Wien und in die Anfangszeit der Psy­cho­analyse ver­set­zt. Ungewöhn­lich auch durch die dezent zurück­hal­tende Regie, da er auf seinen üblichen Sym­bol­is­mus und auf Gewal­texzesse verzichtet, und dadurch die Leis­tun­gen sein­er exzel­len­ten Beset­zung zur vollen Ent­fal­tung bringt. Und ungewöhn­lich let­ztlich durch die eigen­tüm­liche Inten­sität, mit der das gesamte Werk berührt und lange in der Erin­nerung hän­gen bleibt.

Keira Knight­ley, Michael Fass­ben­der und Vig­go Mortensen spie­len in «A Dan­ger­ous Method» die Hauptpfeil­er der his­torisch belegten Dreiecks­beziehung zwis­chen Sabi­na Spiel­rein, Carl Gus­tav Jung und Sig­mund Freud. Der Film basiert auf dem 2002 uraufge­führte The­ater­stück «Die Meth­ode» («The Talk­ing Cure») des britis­chen Büh­ne­nau­tors Christo­pher Hamp­ton, der auch gle­ich selb­st das Drehbuch ver­fasste, und dessen Stück wiederum auf den Roman «Eine gefährliche Meth­ode: Freud, Jung und Sabi­na Spiel­rein» von John Kerr zurück­greift.

Aus­gangspunkt des Films ist der Moment, als 1904 die damals achtzehn­jährige Russin Sabi­na Spiel­rein zum Schweiz­er Psy­chi­ater Carl Gus­tav Jung in die Klinik Burghöl­zli in Behand­lung kommt. In ein­er Zeit, als Eis­bäder, Elek­troschocks und andere «Behand­lungsmeth­o­d­en», die heute als Folter klas­si­fiziert wür­den, noch die bevorzugten Mit­tel waren, um Men­schen mit seel­is­chen Qualen zu «kuri­eren», griff Jung die neue Meth­ode der Psy­cho­analyse auf, die der öster­re­ichisch Arzt Sig­mund Freud einige Jahre zuvor entwick­elt hat­te. Freud behan­delte dabei seine Patien­ten, indem er sie ihre Trau­ma­tisierung im Gespräch selb­st erforschen und benen­nen liess – Trau­ma­tisierun­gen, bei denen es sich, zumin­d­est laut Freud, fast auss­chliesslich um sex­uelle Gewal­ter­fahrun­gen und unter­drück­te sex­uelle Bedürfnisse han­delte. Wenig wun­dert es, dass die Gespräch­s­ther­a­pie damals als «gefährliche Meth­ode» galt, was dem ger­ade begonnenen Siegeszug der Psy­cho­analyse allerd­ings wenig Abbruch tat.

Spiel­rein war eine der ersten Pati­entin­nen, bei denen Jung die Psy­cho­analyse anwandte. Die hochin­tel­li­gente Frau litt unter Hys­terie und war gefan­gen in einem Teufel­skreis aus Selb­stver­ach­tung und einem unter­drück­ten Sex­u­al­trieb mit stark masochis­tis­chen Zügen. Dank der Ther­a­pie erholte sie sich jedoch schnell, und begann nach Abschluss der Behand­lung selb­st mit einem Medi­zin­studi­um. Während kurz­er Zeit war sie zudem Jungs Geliebte – eine inten­sive, aber hoff­nungslose Affäre, die den über­aus kor­rek­ten Jung in einen tiefen emo­tionalen und beruf­sethis­chen Kon­flikt trieb, den er unter anderem in Gesprächen mit Freud zu lösen ver­suchte.

Jung führte mit Freud über Jahre eine inten­sive Kor­re­spon­denz, bevor sich die bei­den auch wegen ihrer unter­schiedlichen Vorstel­lun­gen bezüglich weit­er­führen­den Behand­lungsmeth­o­d­en über­war­fen. In der Folge wur­den sie zu – beru­flichen – Rivalen. Ein Stre­it, der durch den Umstand noch gefördert wurde, dass sich Spiel­rein nach ihrem Studi­um auch bei Freud weit­er­bildete.

«A Dan­ger­ous Method» fokussiert aber weniger auf den fach­lichen Hin­ter­grund dieses Stre­its, konzen­tri­ert sich statt dessen auf das Gefühlsleben der Haupt­fig­uren, alles prächtig ver­packt in wun­der­bar intel­li­gente Dialoge, die eines gewis­sen Humors nicht ent­behren, und einge­bet­tet in ein visuell ein­nehmendes, präzise rekon­stru­iertes Zeit­bild. Doch was den Film zu jen­em cineast­is­chen Lecker­bis­sen macht, der er ist, ver­dankt er dem schlicht grossar­ti­gen Schaus­piel von Knight­ley und Fass­ben­der. So kann man nur atem­los zuse­hen, wenn die bei­den ver­suchen, ihre Gefüh­le ein­er­seits auszuleben, sie dabei aber gle­ichzeit­ig in das enge Korsett der gesellschaftlichen Werte und Erwartun­gen zu zwän­gen. Ein zeit­los­es The­ma, das seine Fasz­i­na­tion wohl niemals ver­lieren wird.

Foto: zVg.
ensuite, Novem­ber 2011

 

Artikel online veröffentlicht: 3. März 2019